Stuttgart. Bei den Olympischen Spielen kann sich die Handball-Nationalmannschaft nicht mehr in ihre Außenseiterrolle zurückziehen. Unser Rio-Check!
Olympia, das erste große Turnier nach dem leidenschaftlichen Auftritt bei der EM, der mit dem Titel belohnt wurde. In Rio müssen die deutschen Handballer nun nachlegen. Bei den Olympischen Spielen können sie sich nicht mehr in ihre Außenseiterrolle zurückziehen. Ein Check knapp vier Wochen vor dem ersten Spiel in Rio (7. August).
Die Stärken
Das Wir-Gefühl, die Harmonie. Zur Europameisterschaft in Polen sind die jungen deutschen Spieler im Januar als bessere Trainingspartner angereist und als Champions zurückgekommen. Sie sind die Bad Boys, die alle schwindelig gespielt haben. Und wenn man Bundestrainer Dagur Sigurdsson glauben darf, sind sie auch jetzt, direkt nach ihrer spielfreien Sommerpause, schon wieder vorzeigbar selbst auf dem Feld: „Alle Spieler sind fit zum ersten Training erschienen. Ich hatte ihnen Programme für den Urlaub mitgegeben, und sie haben die freie Zeit genutzt. Das ist ein gutes Signal der Mannschaft.“
Die Gefahren
Die olympischen Verlockungen. Der heutige Teammanager Oliver Roggisch kennt sie nur allzu gut: „Es ist wichtig, sich nicht ablenken zu lassen. Es gibt so viele Veranstaltungen wie Basketball oder Beach-Volleyball, die man an spielfreien Tagen besuchen könnte, aber wir müssen den Fokus auf unser Turnier richten.“ Im olympischen Dorf sei es nicht so einfach, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Da ist viel los. Es ist schwieriger, Ruhe zu finden als bei einer Welt- oder Europameisterschaft, wo man im Hotel lebt.“
Das Personal
Ein Luxusproblem. Vor der Europameisterschaft war das Lazarett ähnlich groß wie die Alternativen fürs Feld. Damals fielen schon vorher drei Leistungsträger aus: Patrick Groetzki, Patrick Wiencek und Kapitän Uwe Gensheimer. Während des Turniers noch Steffen Weinhold und Torjäger Christian Dissinger. Und heute? Ist nur Rückraumspieler Steffen Fäth nach einem Mittelhandbruch angeschlagen. „Alle anderen Spieler sind topfit. Das macht die Auswahl nicht einfacher“, sagt Dagur Sigurdsson. Wer gesetzt ist und wer nicht? Da lässt sich der Trainer nichts entlocken. Torhüter Andreas Wolff, Shooting-Star der EM und kurz darauf gerne gebuchter Gast in Fernsehshows, und Kapitän Uwe Gensheimer beispielsweise brauchen sich aber wohl keine Sorgen zu machen, die Olympischen Spiele vom Fernseher aus verfolgen zu müssen. Sie zählen zu den Stars.
Das Ziel
Es kann nur eines geben. Eigentlich ähnelt der Bundestrainer charakterlich Island, seinem Geburtsland. Auf der einen Seite tiefenentspannt wie ein Tag in unberührter Natur, auf der anderen Seite kann er brodeln wie ein Vulkan. Wenn es um Ziele geht, übt sich Dagur Sigurdsson für gewöhnlich lieber in Zurückhaltung. So war es auch vor der Europameisterschaft im Januar. Doch nach dem EM-Titel kann er nicht anders. Alles andere als diese Sätze wäre der Bescheidenheit zu viel: „Wir fahren mit der Hoffnung nach Rio, zu gewinnen. An einem guten Tag können wir alle schlagen.“ Punkt.
Die Olympia-Vergangenheit
Durchwachsen. Für London 2012 hatte sich die deutsche Auswahl gar nicht erst qualifiziert. 2008 kam sie mit großen Erwartungen nach Peking - und eher kleinlaut wieder zurück. „Das war nichts, da sind wir als Weltmeister angereist und in der Vorrunde gescheitert“, erinnert sich Oliver Roggisch. Damals war er Spieler, heute ist er Teammanager. Neben Trainer Dagur Sigurdsson ist er der einzige mit Olympia-Erfahrung. Eine Medaille, die silberne, gab es 2004 in Athen. Das liegt aus Sicht der vielen jungen Akteure im Kader fast in der Steinzeit. Damals haben sie gerade Lesen und Schreiben gelernt.
Der Weg nach Rio
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Er führt über Stuttgart, Hannover und Straßburg. Seit dem Wochenende sind die Nationalspieler zusammen. Am Mittwoch (18.30 Uhr/ZDF) treten sie zum Länderspiel gegen Tunesien, auch so ein Olympia-Teilnehmer, an. Am Tag danach entscheidet sich, wer mit nach Rio darf und wer in letzter Minute aussortiert wird. Zu diesem Termin muss der Deutsche Handballbund (DHB) 14 Spieler und einen Reservisten für die Spiele benennen. Ganz wohl ist dem Bundestrainer bei diesem Gedanken nicht: „Ich werde mit den Spielern, die es trifft, sprechen. Aber ich weiß noch nicht wie.“ Die Reisegruppe Rio trifft sich dann noch zu Lehrgängen in Hannover und erneut in Stuttgart und unternimmt während dieser Zeit einen Abstecher nach Straßburg, um dort gegen Dänemark (22. Juli) und Ägypten zu spielen. Am 1. August hebt der Flieger Richtung Brasilien ab.
Die Konkurrenz
Zwölf Teams kämpfen am Zuckerhut um die Medaillen. Zunächst in zwei Vorrundengruppen. Dort bekommt es Deutschland mit Schweden, Polen, Brasilien, Slowenien und Ägypten zu tun. In der anderen Gruppe treiben unter anderem Frankreich, der amtierende Weltmeister, und Dänemark ihr Unwesen. Sie zählt Bundestrainer Sigurdsson mit zum Kreis der Favoriten.
Der böse Wolff
Seit der Europameisterschaft pflegen die Handballer das Image der Bad Boys. Torhüter Andreas Wolff zeigt seine Zähen: „Wir haben mit dieser geilen Mannschaft das Potenzial, alles zu gewinnen, was uns im Weg steht.“