Berlin. Eine halbe Million Menschen bereitet den deutschen Fußball-Weltmeistern einen rauschenden Empfang auf der Berliner Fanmeile. Der offene Truck bleibt stecken, Schweinsteiger hat keine Stimme mehr, und Klose fliegt schnell weiter nach Rom. So lief die WM-Party in der Hauptstadt.
Lange vor Mitternacht haben sie sich auf den Weg gemacht. Die neuen Fußball-Weltmeister von Rio aus. Kerstin und Melina von Hagen aus. Ganz spontan. Die Nacht durchgefahren, im Morgengrauen angekommen, die Zähne mit Mineralwasser geputzt. Und alles nur, um die Jungs zu treffen: Eine halbe Million Menschen hat der Nationalelf am Dienstag auf der Berliner Fanmeile einen rauschenden Empfang bereitet.
Die einen haben vor den Absperrungen campiert, um morgens die ersten zu sein. Die anderen sind quer durch Deutschland gebrettert: „Weiß doch keiner“, sagt Kerstin, „ob wir jetzt wieder 24 Jahre auf so einen Tag warten müssen.“ Sie wäre dann Mitte Vierzig. „Atemlos durch die Nacht“, wird Helene Fischer später auf der Bühne singen, „spür, was Fußball mit uns macht.“ Über Stunden stehen Hunderttausende an diesem Morgen dicht gedrängt auf der Fanmeile. Schon am Vormittag riegelt die Polizei die Tore ab, geschlossen wegen Überfüllung.
Dann kommen sie endlich. Keine 36 Stunden nach dem Schlusspfiff in Rio fliegt die Sondermaschine mit den Weltmeistern im Sinkflug über die Fanmeile hinweg. Der Himmel über Berlin, erleuchtet von vier WM-Sternen: Es ist der vielleicht größte Gänsehautmoment an diesem Tag, ein Bild für die Ewigkeit. Die Jungs kommen nach Hause - und die alte Frontstadt flippt aus.
30-Meter-Laufsteg
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Berlin, Berlin, sie kommen nach Berlin: Es ist das dritte Mal, dass die Nationalmannschaft vor dem Brandenburger Tor aufläuft – aber das erste Mal mit Titel: 2006 feierte der Weltmeister der Herzen den dritten WM-Platz, 2008 kamen sie als Vize-Europameister auf die Fanmeile. Früh hatte sich Manager Oliver Bierhoff diesmal festgelegt. Ohne Titel hätte es keine Party gegeben, nur als Sieger wollte die Mannschaft in Berlin feiern. Die Macher der Fanmeile nahmen’s sportlich: In vollem Vertrauen auf Joachim Löws Jungs bauten sie die 100 000-Quadratmeter-Fanmeile für die Siegerparty um – mit einem 30 Meter langen Laufsteg für die Weltmeister.
Auch Frankfurt, DFB-Sitz, hätte die Mannschaft gerne empfangen – so wie 1974 und 1990. Aber beim DFB wissen sie auch: Die Meile vor dem Brandenburger Tor ist die Mutter des Rudelguckens, es ist der perfekte Ort fürs Nachhausekommen.
25 Jahre nach dem Mauerfall, fast ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung. Wo einst die Mauer verlief, stehen an diesem Mittag junge Kerle wie Mario Götze oder André Schürrle, die Deutschland nur vereint kennen, und machen das alles so lässig und leicht, als kämen sie gerade von der Klassenfahrt. Übermüdet, überdreht und bis unter die Haarwurzeln vollgepumpt mit Glückshormonen.
Jeder will etwas erhaschen
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„Jetzt haben wir das Scheißding endlich.“ Bastian Schweinsteiger hat ein Pflaster auf seiner Platzwunde und kaum noch Stimme. Auch von den anderen trifft keiner mehr den Ton. Egal. Sie wollen singen, sie wollen Party machen – mit einer halben Million Fans. „Wir sind alle Weltmeister“, ruft Jogi Löw von der Bühne. Ein Hunderttausendfacher Jubel antwortet ihm.
Zwei Stunden lang ist die Mannschaft im offenen Truck durch Berlin gefahren. Doppelt so lange wie geplant. Trauben von Fans säumen die Straßen, jeder will seinen Zipfel vom Weltmeister erhaschen – die eine oder andere auch mehr. „Neuer, ich will ein Kind von dir!“ Marlon dagegen will nichts weiter, als sie einfach mal alle „in echt“ sehen. Der Elfjährige ist mit seinem Papa nach Berlin gefahren, obwohl er eigentlich noch Schule hat.
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Auch zwei andere Jungs sind mit ihrem Papa unterwegs: Miroslav Kloses neunjährige Zwillinge Noah und Luan dirigieren die Fangesänge. Ein bisschen müde sehen sie aus nach den letzten Tagen. „Egal“, sagt Mama Sylwia, „sie haben ja Ferien.“ Von Berlin aus geht’s für Familie Klose noch am selben Tag weiter nach Hause, nach Rom. Die Klassenfahrt ist zu Ende.
„Irgendwann werden wir aufhören zu feiern“, hat Manuel Neuer gesagt, „aber wir werden immer mit einem Grinsen aufstehen.“ In Berlin hoffen sie jetzt, dass 2018, nach der WM in Russland, alles genauso wird wie diesmal. Nur, dass die Jungs dann nicht mehr in Tegel landen müssen, sondern endlich auf dem neuen Großflughafen.