Sao Paulo. Einmal mehr wenig spektakulär, aber wieder erfolgreich: Argentiniens Fußball-Minimalisten sind mit einem 4:2 im Elfmeterschießen in ihr fünftes WM-Finale eingezogen. ARD-Experte Mehmet Scholl schien noch eine Rechnung mit Louis van Gaal offen zu haben und ging den “Bondscoach“ hart an.

Elfmeterheld Sergio Romero ließ sich von den Fans feiern und schwenkte wie wild sein gelbes Trikot über dem Kopf. Mit zwei gehaltenen Bällen avancierte der argentinische Schlussmann am Mittwoch (Ortszeit) beim 4:2-Sieg im Elfmeterschießen gegen die Niederlande im Halbfinale von São Paulo zum Matchwinner für die Albiceleste, die zum fünften Mal in ein WM-Endspiel einzog und im Kampf um die Krone am Sonntag in Rio de Janeiro Deutschlands torhungrige Titeljäger fordert.

Mit dem Erfolg im Duell der Nerven beendete Argentinien alle Final-Hoffnungen des niederländischen Teams um Arjen Robben und machte die Neuauflage des Final-Duells von 1986 und 1990 perfekt. Während Romero beim Shootout die Elfmeter von Ron Vlaar und Wesley Sneijder parierte, trafen für Argentinien alle vier Schützen Lionel Messi, Ezequiel Garay, Sergio Agüero und Maxi Rodriguez. Kurios: Ausgerechnet Louis van Gaals Ex-Keeper war es, der die Niederlande aus dem Turnier warf. "Mit Alkmaar habe ich ihn damals nach Europa geholt hat, weil er ein großes Talent ist. Aber ich habe ihm nicht beigebracht, wie man Elfmeter hält. Es ist die schlimmste Weise, ein Spiel im Elfmeterschießen zu verlieren. Von daher ist die Enttäuschung groß."

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"Wir haben den Sieg verdient. Wir hatten die besseren Chancen. Wir haben intelligent gespielt und sind sehr stolz auf uns", sagte Javier Mascherano, der gegen Deutschland ein schwieriges Spiel erwartet. "Natürlich wollen wir jetzt gewinnen. Das ist das wichtigste Spiel in unserem Leben. Deutschland ist eine großartige Mannschaft." Auch Coach Alejandro Sabella zeigte sich zuversichtlich: "Wir werden alles geben, um diese WM zu gewinnen." Nach dem abermals sehr kontrollierten Auftritt der Albiceleste muss das Team von Bundestrainer Joachim Löw im dritten Endspiel gegen die Südamerikaner am Sonntag aber wohl keine Angst haben.

Van Gaal wollte eigentlich Elfmeter-Killer Krul bringen

Die geschlagenen Niederländer kämpfen am Samstag in Brasilia gegen das von Deutschland gedemütigte Team der Gastgeber um Platz drei. Tief enttäuscht verschwand Robben als Letzter seines Teams im Kabinengang. "Wir hatten es eigentlich mehr verdient. Wir können stolz sein auf das, was wir erreicht haben. Es tut weh", gestand Robben. "Heute gab es nur ein Team, das es auf Penaltys anlegte, das war Argentinien", erklärte Sneijder. Bondscoach Louis van Gaal versuchte, nach dem Drama ein positives Fazit zu ziehen: "Wir haben ein fantastisches Turnier gespielt. Niemand hat uns zugetraut, das Halbfinale zu erreichen.

Vor 63 267 Zuschauer gingen die Niederländer nach 90 langweiligen und torlosen Minuten mit insgesamt nur vier Torschüssen in der Verlängerung ein etwas höheres Risiko. Mit der Einwechslung des Schalkers Klaas-Jan Huntelaar für Robin van Persie zog van Gaal seinen letzten Offensivtrumpf - gestochen hat er nicht. Weil er schon dreimal gewechselt hatte, konnte er anders als im Viertelfinale gegen Costa Rica diesmal nicht mehr Elfmeterkiller Tim Krul in die Partie bringen. "Robin van Persie konnte nicht mehr. Ich wollte lieber in der Verlängerung gewinnen und mein Gefühl sagte mir, dass Klaas-Jan Huntelaar das entscheidende Tor machen würde", verteidigete van Gaal. "Ansonsten hätte ich Jasper Cillessen ausgewechselt am Ende. Er spielte eine fehlerlose Partie, aber Krul ist der bessere Elfmeter-Killer."

Kritik an der risikolosen Spielweise der "Elftal" gab es nach Abpfiff unter anderem von TV-Experte Mehmet Scholl in der ARD: „Sie haben während des Turniers ihre Art Fußball zu spielen verloren. Sie waren taktisch überladen, hatten pausenlos Angst den Ball nach vorne zu spielen. Van Gaal wollte zeigen, dass er nicht nur den Fußball-Keks, sondern den allergrößten Fußball-Keks gegessen hat. Und dann kommt eben der Fußball-Gott oder die Argentinier und sagen: 'Ne, warte mal, bleib mal hier.“ Auch die Psychospiele mit Keeper Krul stießen dem Ex-Nationalspieler übel auf: „Der Torwart-Wechsel war eine absurde Story, dass ein Trainer und er ist eigentlich ein großartiger Trainer, das ganz große Ding drehen will und das kommt dann als Bumerang zurück.“

Messi überflügelt Maradona

Mit seinem 92. Einsatz im blau-weiß gestreiften Trikot überflügelte Messi den legendären Diego Maradona, konnte aber im Duell der Stars mit Robben noch weniger Akzente setzen als der Niederländer, der mit seiner Dynamik meist mehrere Gegenspieler band. Einen Abschluss verzeichnete der dreifache Turnier-Torschütze erst in der Nachspielzeit, als er im letzten Moment von Mascherano geblockt werden konnte.

Eine Schlüsselrolle im Team der Niederländer als Bewacher von Messi kam dem Ex-Hamburger Nigel de Jong zu, dem nicht wenige nach seiner Leistenverletzung im Achtelfinale gegen Mexiko schon das WM-Aus prophezeit hatten. In der 62. Minute räumte de Jong seinen Platz für Jordy Clasie, der als einziger niederländischer Feldspieler im Turnier nicht zum Zuge gekommen war. Er hielt Messi ebenfalls gut in Schach.

Auf den Rängen gaben die argentinischen Fans klar den Ton an, auf dem Rasen kontrollierten zunächst die Niederländer in ihrem 750. Länderspiel das Geschehen gegen sehr tief stehende Südamerikaner. Durch die defensive Ausrichtung wurde die Elftal gezwungen, selbst das Spiel zu machen statt auf Konter zu lauern. Die Argentinier kamen meist nur durch Einzelaktionen in die Nähe das Oranje-Strafraums. Ein Rempler von Ron Vlaar gegen Enzo Perez, der den verletzten Angel di Maria vertrat, bescherte der Albiceleste die erste Chance der Partie. Cillessen war bei Messis Freistoß aber in der richtigen Ecke (15.).

Vom Unterhaltungswert konnte die Partie bei weitem nicht mit dem deutschen Fußball-Feuerwerk gegen Brasilien mithalten, weil es zu wenig Tempo und zu viel Ballgeschiebe im Mittelfeld gab. Dafür nahm gegen Ende der ersten 45 Minuten die Härte zu. Erst trat der Ex-Münchner Martin Demichelis Sneijder in die Beine, auf der Gegenseite sah Bruno Martins Indi für einen Haltegriff an Messi Gelb. Auch die zweite Spielhälfte war geprägt von starken Abwehrreihen und wenig Risikobereitschaft in der Offensive auf beiden Seiten. Bezeichnend für die Harmlosigkeit hüben wie drüben waren Freistöße von Messi (73.) und Sneijder (77.), die weit und hoch am Tor vorbeiflogen. (dpa/we)