Bedum. Im holländischen Norden ist die Hölle los. Das Dörfchen Bedum ist im Robben-Fieber. Der Bayern-Star hat hier seine Wurzeln und die Bewohner schätzen ihren Arjen für dessen Bodenständigkeit.
Anderthalb Stunden vor dem Anpfiff hat Rik Bolt genug gekickt für heute. Er zieht sich die Trainingsjacke über das Bayern- München-Trikot, auf dem hinten die „10“ und der Name „Robben” stehen, und schwingt sich aufs Rad. Keine Frage, zum Bayern- Fan wurde der Elfjährige wegen des berühmtesten Sohnes des Dorfes. Sein Tipp für das Achtelfinale gegen Mexiko? „1:0”, sagt Rik, und eines weiß er ganz sicher: „Arjen Robben macht den Unterschied.“
In Brasilien spielt der Holländer gerade das Turnier seines Lebens. In seinem Geburtsdorf Bedum nördlich von Groningen, in dessen Voetbalvereniging einst alles begann, hat er auch die Patenschaft für den Bolzplatz übernommen, wo zehn Kinder nun noch kicken.
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Im Grand Café Koning stimmen Kirmesbeats derweil auf das Spiel ein. Seit fast 35 Jahren schmeißt Gerrit Koning schon den Laden, und seit der EM 2004, dem ersten großen Turnier Robbens, verwandelt sich „die Ausgehgelegenheit in Bedum” (eigene Website) alle zwei Jahre ins „Robben Café”. Im oberen Stockwerk hängt ein Portrait des kahlen Protagonisten, Aufschrift: „Ich bin ein Bedumer.”
„Niemand denkt bei Wesley Sneijder an Utrecht. Aber wenn du Robben sagst, sagst du Bedum”, meint Koning. Woher das kommt? „Robben ist bescheiden, er ist sozial, ein lieber Junge.” Seine Frau Josien Dop ergänzt: „Er lebt nicht wie ein Star. Wenn er im Dorf ist, nimmt er sich Zeit für die Kinder oder geht fischen.”
Unterdessen zeigen die Bildschirme in jeder Ecke die Niederländer beim Aufwärmen. Raunen und Klatschen, jedes Mal, wenn Robben ins Bild kommt. Erst mit diesem Turnier ist er, der früher oft verbissen rüberkam, ein Liebling der Massen geworden. „Dass es früher nicht so war, hatte auch mit den Schwalben zu tun. Aber schreib das nicht auf”, so Josien Dob. Stammgast Richard Lenez, dessen hageres Gesicht und Haarkranz ihm gute Chancen bei einem Look-a-like- Wettbewerb geben würden, meint, Robben sei gelöster geworden, seit sein Tor 2013 die Champions League entschied.
Drei Höhepunkte in Halbzeit eins
Wundert es noch, dass die Bedumer erst auf Robben gucken und dann auf den Rest? Drei Höhepunkte kennt die erste Halbzeit: ein Dribbling nach 15 Minuten; eins wenig später, nach dem man, wie Robben, ein Handspiel der Mexikaner reklamiert. Und seine vergebene Großchance vor der Pause.
Danach treten die Bedumer heraus, man läuft ein paar Meter bis zur Zugbrücke über den schmalen Kanal namens Boterdiep.
Zurück ins Spiel. Der Fernseh-Kommentator bleibt nach dem 0:1 gelassen. „Noch jede Menge Zeit“, beruhigt er. Dann ein Großbild des Helden von Bedum. 72. Minute, ein Gesicht, zugleich hochkonzentriert, hadernd und zweifelnd. Eine Viertelstunde vor Schluss ist Trinkpause in Fortaleza. Bedum macht keine Pause vom Trinken. „Het kan nog”, sagt ein Mann am Tresen in Erwartung seines Bieres. Es ist noch möglich.
Als Wesley Sneijder den Hammer auspackt, fliegt ein Barhocker um. Dann kurvt Robben in den Strafraum, der Held, er fällt, es kocht das Zelt, und Huntelaar versetzt Bedum mit dem Siegtreffer zum 2:1 per Elfmeter in Extase. Eine orange Polonaise bahnt sich den Weg nach draußen, an der Zugbrücke kommen die Autos nicht mehr durch. Zwei Männer wissen nicht mehr, wohin mit der Euphorie und landen im Boterdiep.
Bei Robben-Doppelgänger Lenez überwiegt die Erleichterung: „Gerade noch mal davongekommen.” Aber: War das ein Elfmeter? „Nein.” Eine Schwalbe, also? „Reden wir nicht mehr drüber.”