São Paulo. Spätestens durch das 2:0 gegen Chile haben sich die Niederlande zu einem WM-Favoriten aufgeschwungen – Trainer van Gaal spricht sogar schon vom Titel.

Arjen Robben hat sich erst ein bisschen gewunden, so viel Bescheidenheit musste schon sein. Aber ganz verschleiern konnte er sein Selbstverständnis nicht, und wahrscheinlich war das auch nicht sein Anliegen. Ob er in der Form seines Lebens sei, war der 30-Jährige gerade gefragt worden. Robben antwortete, er wisse das nicht und überlasse die Beurteilung lieber anderen, ehe er sich doch selbst beurteilte – und zwar grundsätzlich, weit über seine bisher formidable WM hinaus.

„Ich habe ja immer ein bisschen eine andere Meinung. Das habe ich auch schon bei Bayern ein paar Mal gesagt“, hob er an und spannte den Bogen zur WM, die bisher auch ein Arjen-Robben-Turnier ist. „Es fällt vielleicht jetzt mehr auf, weil ich über lange Zeit fit bin. Wenn ich topfit bin, habe ich meine Kraft und meine Schnelligkeit. Dann fühle ich mich gut auf dem Platz“, sagte er.

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Das ließ sich so deuten, dass sich der Niederländer in München zuweilen falsch eingeschätzt fühlte, vor seiner Hochphase, die nun schon seit einigen Monaten anhält. Gemündet ist diese nun fürs Erste in einem 2:0 (0:0) gegen die Kraftfußballer aus Chile und dem souveränen Platz eins in der wohl kniffligsten aller acht WM-Gruppen. Im Achtelfinale geht Louis van Gaals Mannschaft dadurch wie gewünscht Gastgeber Brasilien aus dem Weg, Mexiko heißt der Gegner am Sonntag in Fortaleza.

Robbens Anteil am bisher optimalen Turnierverlauf für Oranje ist zweifelsfrei hoch, wenngleich er gegen Chile nicht als Torschütze in Erscheinung trat wie zweimal beim 5:1 gegen den abgestürzten Weltmeister Spanien und einmal beim 3:2 gegen Australien. Die eingewechselten Leroy Fer (77.) und Memphis Depay (90.+2) trafen nun, Letzterer nach einem Flügelsprint Robbens samt präziser Hereingabe. Dennoch stach Robben auch diesmal hervor, nicht nur hierarchisch, in seiner Rolle als Vertreter für den gesperrten Kapitän Robin van Persie. Sondern beispielsweise auch mit einem Solo über den halben Platz, das nur als auffälligster Beleg seiner herausragenden Form daherkam.

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Dem WM-Zweiten von 2010 eröffnet die vielversprechende Mischung aus einem funktionierenden Kollektiv und den besonderen Momenten des Arjen Robben hervorragende Aussichten. Und spätestens nach dem taktisch beeindruckenden Erfolg gegen die Knebelkicker aus Chile mit ihrem bisher so brachialen Pressing haben sich die Niederländer zu einem WM-Favoriten aufgeschwungen. Denn die zwar nicht attraktive, aber reife Herangehensweise durfte van Gaals Mannschaft als bestandenen Härtetest werten, und als Beleg ihrer situativen Anpassungsfähigkeit. „Das ist eine überragende Mannschaft“, erinnerte Robben, jetzt sei Chile zwar Gruppenzweiter, „aber die können noch sehr weit kommen“. Vielleicht sogar trotz des Achtelfinals gegen Brasilien am Sonnabend.

Taktische Flexibilität der Elftal

Es sehr weit bringen zu können, glauben nun auch die Holländer, und van Gaal sprach dies nach einem Streitgespräch über seine vorsichtige Taktik mit einer Fünferkette auch aus. Eine „fantastische Vorrunde“ sei das gewesen, „wie man sie besser kaum spielen könnte“. Wenn nun noch die Chancenverwertung optimiert werde, „können wir wirklich Weltmeister werden“, befand der 62-Jährige. Die bisherigen Überraschungen könnten bei der Annäherung an dieses Ziel behilflich sein. Denn die zunächst als schwieriger eingeschätzte erste Spielplanhälfte mit den Gruppen A bis D, die auch in den Viertelfinals noch untereinander bleibt, wurde schon von einigen Favoriten befreit. Und dann ist da ja auch noch der „goldene Willi“ des Bondscoaches gewesen, das glückliche Händchen mit den Auswechselspielern, beim dritten Sieg im dritten Spiel. „Glück“, nannte van Gaal das etwas kokett.

Vor allem aber die taktische Flexibilität, mit der die Niederländer bisher agierten, dürfen sie als hoffnungsvolles Zeichen werten. Das Motto auf ihrem Mannschaftsbus fügt sich bisher ins Bild. Es lautet: „Echte mannen dragen oranje.“ Wenn es so weiter geht, sind die richtigen Kerle in ihren knalligen Trikots noch vier Mal zu bestaunen. Die Quartierwahl in Rio de Janeiros Stadtteil Ipanema könnte klug gewählt gewesen sein. Fahrzeit mit ihrem Bus von dort zum Maracanã, Ort des Finals am 13. Juli: 15 Minuten.