Natal. Italien droht bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 das Aus in der Vorrunde - das entscheidende Spiel gegen Uruguay dürfen die Italiener nicht verlieren. Die Mannschaft von Trainer Cesare Prandelli wirkt schlecht vorbereitet auf das Klima in Brasilien.
Natürlich wird Cesare Prandelli auch während der Partie gegen Kroatien wieder im feinen Designeranzug am Spielfeldrand stehen, mit perfekt sitzendem Jackett, sauber zurückgegelter Frisur und ohne jede Schweißperle auf der Stirn. So hat der Trainer von Italiens Nationalmannschaft schon die ersten beiden Hitzeschlachten hinter sich gebracht, während alle anderen in den Stadien von Manaus und Recife transpirierten und über die Hitze jammerten. „In einigen Momenten dachte ich, ich hätte Halluzinationen“, hatte Claudio Marchisio nach dem 2:1-Sieg seines Teams in Manaus gegen England gesagt, und Andrea Pirlo meinte nach dem 0:1 in Recife gegen Costa Rica: „Die Hitze war noch schlimmer als in Manaus.“ Ihr letztes Gruppenspiel gegen Uruguay, in dem das Team mindestens ein Unentschieden benötigt, bestreitet die Squadra Azzurri nun erneut um 13 Uhr. Wieder an einem besonders heißen Spielort: in Natal.
Es scheint, als habe kein anderes Team so viel viel Pech bei der Auslosung gehabt, wie der Weltmeister von 2006. Denn neben den ungünstigen Anstoßzeiten und den klimatisch komplizierten Spielorten, sind sie auch noch besonders massiv von einem weiteren der „Urkraft“-Faktoren betroffen, die Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw definiert hat, um die Komplexität dieser WM-Aufgabe zu illustrieren: Italien muss gegen zwei Team aus Lateinamerika antreten. Und die „reagieren anders auf die Bedingungen hier“, findet Prandelli.
"Casa Azurri" liegt in einer anderen Klimazone als die Spielorte der Mannschaft
Der Trainer will all die Widrigkeiten nicht als Entschuldigung gelten lassen, das sagt er bei jeder Gelegenheit. Es gelingt ihm aber nicht, die Debatten über die Umstände dieses Turniers, die sich nun mal nicht ändern lassen, zu beenden. Die Italiener jammern über die Bedingungen statt sie als Herausforderung zu begreifen. „Das grundlegende Problem war die Hitze, das ist keine Ausrede, das ist die Wahrheit“, sagt beispielsweise Mittelfeldspieler Thiago Motta über das verlorene Spiel gegen Costa Rica. Gegen einen Gegner, der Italien körperlich einfach überlegen war, und nun müssen die Tifosi frchte, dass es ihnen gegen Uruguay ähnlich ergehen könnte.
Prandelli meint angesichts dieser Gefahr, „wenn man gegen ein Team spielt, das physisch stärker ist, dann braucht man eben die bessere Ordnung“. So klingt italienischer Pragmatismus. Aber für eine gute Ordnung muss man ebenfalls viel und vor allen schnell laufen, und das Denkvermögen und das strategische Geschick leiden manchmal sehr, wenn die Spieler sich schlecht fühlen in der Mittagshitze. Betrachtet man diese italienischen Probleme in den ersten WM-Spielen, und setzt sie in Relation zur Fähigkeit der deutschen Fußballer, im hoch intensiven Duell gegen Ghana bis zum Ende weiter zu rennen und sogar noch einen Rückstand aufzuholen, drängt sich der Eindruck auf, dass die DFB-Planer sich wirklich ein paar kluge Gedanken zum Umgang mit den Bedingungen gemacht haben.
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Im Gegensatz zu den Deutschen, die im feucht-heißen Nordosten residieren, haben die Italiener ihr „Casa Azurri“ genanntes Basislager 2000 Kilometer südlich von Natal aufgeschlagen. In Mangaratiba nahe Rio, das in einer völlig anderen Klimazone liegt, als die Spielorte der Mannschaft. Inzwischen haben sie eingesehen, dass das ein Fehler war, zum Uruguay-Spiel haben sie daher umgeplant und sind bereits am vorigen Freitag in den heißen Nordosten gereist. Seit Samstag wir nun in Natal trainiert und akklimatisiert.
Wohl auch wegen der etwas arroganten Fehlplanung schrieb die „Corriere dello Sport“ nach der Niederlage gegen Costa Rica: „Italien, du Dummkopf“, denn besonders die älteren Spieler wie Pirlo und Daniele de Rossi, die über 30 sind, scheinen zwar mit ihrer Routine so ein Bruthitzenspiel beruhigen und organisieren zu können, der Spielverlauf gegen England passte da. Als es dann aber in der zweiten Hälfte gegen Costa Rica darum ging, das Tempo zu forcieren, um den Rückstand aufzuholen, wirkte Italien vollkommen rat- und kraftlos.
Überraschungsmannschaft von Costa Rica hat sich schon qualifiziert
Prandelli führt das auch auf ein Kopfproblem zurück. „Wir müssen uns besonders im mentalen Bereich auf das Spiel gegen Uruguay vorbereiten“ sagt er, nach großer Zuversicht klingt das nicht. Gut nur, dass die Partie beim Spielstand von 0:0 beginnt, das können sie dann erstmal verteidigen. Weil die bewundernswerte Überraschungsmannschaft aus Costa Rica aber schon fürs Achtelfinale qualifiziert ist, wird in dieser Gruppe neben den bereits gescheiterten Engländern ein weiterer Gigant schon nach der Vorrunde abreisen. Und Italien ist ein aussichtsreicher Kandidat für so ein Vorrunden-Aus, denn offenbar haben sie sich schlechter auf die Kräfte dieses Turniers vorbereitet als viele andere Teams.
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