Mönchengladbach. Über die Ausrangierten Mustafi und Volland sprach am Montag keiner mehr nach der Nominierung des WM-Kaders. Große Diskussionen entbrannten jedoch über Löws Entscheidung, auf BVB-Verteidiger Marcel Schmelzer zu verzichten. Es überrascht, weil gerade links die Problemzone der DFB-Elf ist.
Die Generation Babyboom wird sich an den kleinen Zeichentrick-Professor Balthasar erinnern. Der überlegte und überlegte und überlegte – und dann hatte er urplötzlich eine Idee. Joachim Löw ging es nach dem 2:2 im vorletzten Test vor der Weltmeisterschaft gegen die „zwischen Genie und Wahnsinn pendelnden“ Kameruner (Thomas Müller) ganz ähnlich. Wie der kleine Balthasar konnte es der Bundestrainer aber nach dem langen Überlegen und der leuchtenden Idee nicht machen: keine Erfindungsmaschine, kein neuer Linksverteidiger, der den „högschten Ansprüchen“, wie es der Badener formuliert, wirklich genügen würde.
Auch Marcel Schmelzer genügte ja nie. Dem Dortmunder hatte der Bundestrainer ohnehin schon nur 16 Länderspieleinsätze verschafft, weil sich Alternativen einfach nicht aufdrängten. Marcell Jansen hätte Löw bevorzugt. Doch der spielte mit dem Hamburger SV eine miserable Saison und konnte am Ende nicht einmal mit beiden Augen zugedrückt zumindest in den vorläufigen Kader aufgenommen werden, weil es auch noch im Fitnessbereich haperte.
Im Westfalenreich wird nun Anklage gegen Löw erhoben
Das Ergebnis für den am Knie blessierten Schmelzer stand dann schon vor dem Auftritt gegen die Afrikaner fest. Der Bundestrainer hatte noch im Trainingscamp in Südtirol angekündigt, der bei seinen einsamen Übungen bereits wie ein Ausgestoßener wirkende 26-Jährige, werde gegen die Auswahl vom deutschen Trainerkollegen Volker Finke auflaufen. Auflaufen ging aber nicht. Folge: Urlaub.
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Nicht in ganz Deutschland, aber doch im Westfalenreich Schwarzgelb wird nun die Verhandlung gegen den Angeklagten Joachim Löw, am 3. Februar 1960 in Schönau im Schwarzwald geboren, aufgenommen werden. Hat er in den Maladenfällen Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Benedikt Höwedes Gnade vor Recht ergehen lassen, dagegen im Fall Schmelzer seine Vorbehalte finster ausgelebt? Weil der Bundestrainer vor dem Überlegen den Ärztestab konsultiert hat, dürfte die Entscheidung auf der Basis einer soliden Medizinerdiagnose ausgetüftelt worden sein. Für Schmelzer, der wegen diverser Verletzungen schon für den BVB eine viele Wünsche offen lassende Saison hinter sich brachte, ändert das jedoch nichts am jähen, bitteren Erwachen aus dem WM-Traum.
Für den auch bei der Borussia als persönlicher Ersatzmann fungierenden Kollegen Erik Durm dagegen beginnt die Träumerei erst. Der 22-Jährige hat gegen Kamerun sein erstes Spiel im Nationaldress absolviert und darf Samstag gleich mit nach Brasilien reisen. Zukünftige Rasenkontaktaufnahme nicht ausgeschlossen. Für alle anderen Positionen hat Löw nämlich personelle Doppelt- und Dreifach-Lösungen parat. Für die Rolle des Linken nicht. Lahm „ist kein Thema“, Jerome Boateng „höchstwahrscheinlich“ nicht. Bleiben Kevin Großkreutz und Benedikt Höwedes, irgendwie Ungelernte. Ansonsten aber herrscht trotz einiger Patienten und der nervösen Besorgtheit der Fußballnation im 23er-Kader Überfluss.
Zentralstürmer? Klose war bei der nur in den ersten 20 Minuten von schwerbeinigen Deutschen dominierten Begegnung mit Kamerun noch nicht dabei. Mario Götze hat angefangen. Und dann hat es der Müller gemacht. Tor zum 1:1 selbst erzielt, Tor zum 2:1 auf den Weg gebracht. „Es war gut, dass Müller dann vorne in der Spitze war“, resümierte der Bundestrainer. Ob es der Müller gut finden würde, dauerhaft den Wirkungskreis von der rechten Seite zur Mitte hin zu verlagern, wird ihm sicher egal sein. Und das zentrale Mittelfeld? Schweinsteiger nicht dabei. Das bot Löw immerhin die Möglichkeit, neben Khedira Lieblingsschüler Toni Kroos zu platzieren.
Deutsche Schweißarbeit
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Dass Shkodran Mustafi und Kevin Volland auch gestrichen wurden: Es konnte nicht überraschen. Dass Matthias Ginter hineinrutschte: Es ergab sich. Wichtiger dürfte sein, was 2:1-Schütze Andre Schürrle bemerkte: „Wir haben uns im Trainingslager zusammengeschweißt.“ Wenn die freien Tage und der letzte Test gegen Armenien – wohl mit Klose, mit Schweinsteiger – am Freitag in Mainz (20.45 Uhr, ZDF und in unserem Live-Ticker) überstanden sind, kann sie also beginnen, die Montage der deutschen Schweißer in Brasilien. Wertarbeit wird natürlich erwartet.
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