Bochum. Die Fan.Initiative des VfL Bochum will das Auswärtsspiel bei RB Leipzig boykottieren und ihren Verein nicht vor Ort im Stadion unterstützen. Damit schließt sich der Revier-Klub den bundesweiten Ligaprotesten gegen das von ihnen so betitelte “Marketingkonstrukt“ RB Leipzig an.
Die Faninitiative Bochum hat sich entschieden, die Reise zum Auswärtsspiel bei RB Leipzig zu boykottieren.
Damit schließt sie sich dem kollektiven Protest anderer Vereine gegen den Brausehersteller an. So empfingen die Fans von Fortuna Düsseldorf die Leipziger mit Trauermusik und hatten schwarze Ponchos übergezogen. Weiß auf Schwarz betrauerten sie mit einem riesigen im Stadion aufgehängten Banner den "Untergang des Fu$$balls".
Auch beim Hauptstadt-Klub Union-Berlin hatten es die Leipziger nicht leicht. Die Fans der Eisernen kamen ganz in Schwarz gekleidet und ließen in den ersten 15 Minuten des Spieles nichts von sich hören, protestierten eine Viertelstunde lang durch kollektives Schweigen.
Beim Auswärtsspiel in Leipzig werden die VfL-Anhänger der Faninitiative Bochum nicht die Ränge füllen. Sie glänzen vor allem durch Nichtsanwesenheit. Die Begründung der Faninitiative: "Wir möchten keine Marionetten sein!"
Die Mitteilung der Faninitiative im Wortlaut
"In der Saison 2014/2015 ist es nun soweit. Am Freitag den 24.10.2014 spielt unser Verein für Leibesübungen beim Marketingkonstrukt des Österreichischen Brauseherstellers. Ähnlich wie in anderen Fanszenen, sorgt die Problematik, welche RB in den Deutschen Fußball bringt, auch in der Bochumer Fanszene für kontroverse Diskussionen.
Die Faninitiative Bochum hat auf einem Mitgliedertreffen gemeinsam demokratisch beschlossen, das Spiel bei RB Leipzig zu boykottieren und keinen Bus anzubieten. Diese Stellungnahme soll dazu dienen, die Gründe des Boykotts zu erläutern.
Wir möchten aber von vornherein darauf verweisen, dass jeder Fußballfan sich zu diesem komplexen Thema eine eigene Meinung bilden soll. Die nachfolgende Erläuterung spiegelt lediglich die Meinung der Faninitiative Bochum wieder.
Beginnen wir mit der Geschichte von RB Leipzig. Bereits im Jahr 2006 wurde der erste Versuch unternommen, einen Leipziger Verein zu übernehmen. Der Versuch, den damaligen Regionalligisten „FC Sachsen Leipzig“ zum unternehmenseigenen Spielzeug zu machen, scheiterte vor allem an Fanprotesten beim Leipziger Traditionsclub. Um das Problem protestierender Fans los zu werden, suchte man sich einen unbedeutenden Vorstadtverein. Beim SV Markranstädt wurde man schnell fündig. RB gründete einen eigenen Verein und übernahm das Spielrecht des damaligen Oberligisten. Erst auf Drängen des Sächsischen Fußballverbandes (SFV) verpflichtete sich RB, sämtliche 1. Jugendmannschaften des Vereins zu übernehmen. Ein objektiver Fußballfan fragt sich da doch heute, wie diese Tatsache mit dem nach außen verkauften Image des „besten Deutschen Ausbildungsverein“ zusammenpasst.
Im Sommer wurde gerade die U17 von Eintracht Frankfurt Deutscher Meister. Das größte Talent „Renat Dadachev“ wurde trotz des sportlichen Erfolgs vom Brause-Club abgeworben. Natürlich spricht niemand über genaue Zahlen, aber die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt ließen glaubwürdig verlauten, dass der Wechsel durch eine unmoralische Summe an einen 15jährigen möglich gemacht wurde.
Natürlich wollen wir nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass Fußball ein Geschäft ist. Es ist durchaus üblich, dass Profiteams bereits im Jugendbereich nach Talenten Ausschau halten und die Jungprofis bestmöglich gefördert werden. Als übliches Fördergeld gilt eine inoffizielle Summe von 250 Euro. Die kolportierten Zahlen aus Frankfurt belaufen sich jedoch auf 2000 Euro im Monat. Eine Summe, die übliche Traditionsvereine im Jugendbereich nicht in der Lage sind zu zahlen. Aber auch ohne über den Tellerrand hinauszuschauen, lässt sich am Fall „Lukas Klostermann“ die Glaubwürdigkeit von RB Leipzig in Frage stellen. Da wechselt ein Spieler mit Zweitligaerfahrung als A-Jugendspieler nach Leipzig um dort wieder A-Jugend zu spielen. Über die möglichen Beweggründe soll sich aber jeder selbst ein Bild machen. Wo wir uns aber sicher sein dürfen: In einigen Jahren werden beide Spieler als Talente der eigenen Jugend den Weg in die Bundesliga finden. Oder sie bleiben wie zahlreiche andere junge Talente auf der Strecke.
Unsere Befürchtung geht dahin, dass RB Leipzig aufgrund des immensen finanziellen Vorteils, den sportlichen Wettbewerb in der Volkssportart schlechthin ad absurdum führt. Das Beispiel des Spielers „Sabitzer“ von Rapid Wien zeigt, dass RB sich um Regeln und Gesetze im Fußball einen feuchten Kehricht schert. Der Spieler hatte bei Rapid eine Ausstiegsklausel, die besagte, dass der Spieler bei einem Angebot aus Deutschland für 2 Millionen den Verein verlassen darf. Da RB Salzburg an dem Spieler Interesse hatte, verpflichtete RB den Spieler über den Fußballstandort Leipzig und zog die Ausstiegsklausel. Bereits am nächsten Tag wurde der Spieler nach Salzburg ausgeliehen. Dies mag zwar nicht gesetzwidrig sein, jedoch aus unserer Sicht grob unsportlich.
Die Befürchtung unsererseits, dass RB den sportlichen Wettbewerb gefährdet, ist nicht unbegründet. Um diese Tatsache zu belegen, müssen wir über die Vereinsstruktur von RB Leipzig sprechen. RB Leipzig verfügt aktuell über 8 Mitglieder, welche allesamt Beschäftigte des Konzerns sind. Der Preis für eine Jahresmitgliedschaft liegt aktuell bei 800 Euro. Zum Vergleich: Beim VfL Bochum kostet eine Mitgliedschaft 78 Euro jährlich. Beim Deutschen Rekordmeister aus München wird man sogar für schlanke 60 Euro stimmberechtigtes Mitglied. Da nun wahrscheinlich Fragen aufkommen werden, wie diese Diskrepanz zu verstehen ist, gehen wir gern noch genauer darauf ein. Die Mitgliedschaft bei RB ist eine sogenannte stille Mitgliedschaft. Für 800 Euro jährlich darf man sich zwar Mitglied des Vereins nennen, jedoch erhält man keine Stimmberechtigung. Diese kann nur vom Verein willkürlich erteilt werden. Ebenso kann ein Mitgliedsantrag jederzeit ohne Angabe von Gründen verweigert werden. All das lässt darauf schließen, dass der immens hohe Jahresbeitrag lediglich zur Abschreckung dienen soll. Während ein üblicher Sportverein sich über seine Mitglieder definiert, ist für die Macher von RBL die totale Kontrolle oberstes Gebot.
Soviel also zu den Vereinsstrukturen von RBL. Aber wie stellt sich der sportliche Vergleich zu den übrigen Vereinen dar? Wir bleiben bei dem Beispiel VfL Bochum. Der VfL muss jedes Jahr seine Einnahmen mit seinen Ausgaben verrechnen und entsprechend einen Etat aufstellen. Durch diesen Etat werden mögliche Neuzugänge verpflichtet, die Spielergehälter gezahlt sowie alle weiteren Kosten, die im Laufe einer Saison bei einem Fußballverein anfallen, bedient. Dieser Etat ist bei jedem Fußballverein nahezu ausgenutzt. Beispielsweise sportliche Fehleinschätzungen bei Spielertransfers oder ausbleibender Zuschauerzuspruch durch mangelnde Leistungen sind somit schwer zu kompensieren und wurden in der Vergangenheit nicht selten durch das Verkaufen der besten Spieler ausgebügelt. Mit dem Sponsor im Verein selbst fällt das Aufstellen des Jahresetats zwar nicht weg, aber deutlich weniger schwer ins Gewicht. Funktioniert ein teurer Neuzugang nicht wie erwünscht, ist es kein Problem in der Winterpause jemand anderen zu verpflichten. Durch das Einspringen des Konzerns wird ein immenser Vorteil im sportlichen Wettbewerb geschaffen. Die Chancengleichheit, welche in jeder Sportart unabdingbar ist, ist somit nicht mehr länger gegeben.
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Der Entschluss, das Spiel zu boykottieren, wurde jedoch vor allem aufgrund der Erlebnisse anderer Fangruppen im Leipziger Zentralstadion gefällt. Erst vor kurzem wurde Fans von Erzgebirge Aue der Zutritt zum Stadion versagt. Die Fans trugen T-Shirts mit einem „Anti RBL“ Schriftzug. Natürlich steht es Leipzig frei, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Wenn man allerdings die Fans zwingt, die T-Shirts auszuziehen und abzugeben, müssen die Gästefans die T-Shirts auch später wieder erhalten. Kritiker des Konstrukts werden weitgehend bekämpft.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wollen wir nicht die Augen vor der Entwicklung im modernen Fußball verschließen und wissen, dass es ohne Geld und harter Entscheidungen nicht mehr funktioniert. Wir tolerieren diese Entwicklung in einem Maße, dass der Fußball unter bestimmten Gesichtspunkten bei seinen Wurzeln bleibt. Bei eben jenen Wurzeln, die uns alle dazu gebracht haben, uns für diese außergewöhnliche Sportart zu begeistern und sie mit all ihren wunderbaren Facetten zu lieben. Die oben beschriebenen Entwicklungen bestärken uns jedoch in unserer Meinung darin, dass RB kein Interesse an Werten wie: „Fair-Play“ oder „Möge der Bessere gewinnen“ besitzt.
Für uns stand also nun die Frage im Raum, wie wir mit diesem ungeliebten Gegner umgehen wollen. Fahren wir zum Auswärtsspiel und machen gute Miene zum bösen Spiel, oder bleiben wir zu Hause. Gute Miene zum bösen Spiel würde bedeuten, dass wir uns den Vorgaben beugen müssten. Das heißt, keine Möglichkeit zum Protest etc.
Wir möchten keine Marionetten sein!
Das ist für uns nicht vorstellbar!
Dies bedeutet, dass die Faninitiative Bochum keine organisierte Anreise ermöglicht. Für VfL-Fans, die trotzdem unser Team vor Ort unterstützen wollen (dafür haben wir Verständnis, denn diese geile Truppe hat es auch einfach verdient), setzt der ZUZ-Fanexpress einen Bus ein.
Wir werden mit allen Daheimgebliebenen das Spiel hier in Bochum schauen.
Glück auf!" (we / Reviersport)