Bochum. Erst ein Muskelbündelriss, dann ein Kreuzbandriss: Selim Gündüz war zuletzt vom Verletzungspech verfolgt. Nun hofft er, sich bei den Profis vom VfL Bochum durchsetzen zu können - auch wenn ihn Trainer Andreas Bergmann erst einmal bremst.

Selim Gündüz runzelt die Stirn. Was Philip Semlits, Oguzhan Kefkir und Enes Uzun gemeinsam haben, wird der 18-jährige Jungprofi des VfL Bochum gefragt. „Sie haben alle den Durchbruch nicht oder noch nicht geschafft“, sagt der Offensivspieler dann - trotz eines Profivertrages. Semlits und Uzun spielen nur bei der U23 mit, Kefkir ist nach zwei erfolglosen Jahren beim VfL in diesem Sommer zum Drittligisten Alemannia Aachen gewechselt. Gündüz möchte dieses Schicksal auf keinen Fall mit dem Trio teilen - und gibt sich durchaus selbstbewusst.

Ungewöhnlich ist das für junge Fußballprofis, die sich heutzutage doch oft so stromlinienförmig, wortkarg, öffentlich bescheiden, ja: langweilig geben. Und bei Gündüz kommt hinzu, dass er ein Jahr kaum am Ball war.

Lange Verletzungspause

Denn der 1,71 m-Mann, der auch noch ein Jahr in der U19 spielen könnte, hat eine beinahe zwölfmonatige Verletzungspause hinter sich, in der vergangenen A-Jugend-Bundesliga-Saison nur vier Spiele absolviert. Ein Muskelbündelriss kurz nach der Unterzeichnung seines Profivertrages Ende August 2011 und ein Kreuzbandriss beim Trainingsauftakt am 6. Januar stehen in seiner Krankenakte. Erst am 15. Juli absolvierte Gündüz sein erstes Mannschaftstraining. Im Trainingslager in Barsinghausen hat er sich schon ein bisschen nach vorne gekämpft, kam im Testspiel gegen Gladbach zu einem Kurzeinsatz, der couragiert, frech ausfiel. „Er ist ein Strafraumfußballer, lebt von seinen Drehungen und Wendungen - aber für ihn ist es ein weiter Weg“, bremst Trainer Andreas Bergmann: „Mit zu hohen Belastungen muss man aufpassen.“

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Für den 18-Jährigen, der sich schon in den ersten Einheiten unter Friedhelm Funkel dem höheren Tempo „schnell angepasst“ habe, scheint die lange Auszeit jedenfalls kein Problem zu sein. „Auch wenn die Pause Spuren hinterlassen hat: Man verlernt das Fußballspielen deshalb ja nicht. Das ist wie Fahrrad fahren.“ Und die Ansprüche, die der Stürmer nun, nach gelungener Reha, an sich selbst stellt, sind aller Achtung wert. Spielen will er, wie jeder Fußballer, so schnell wie möglich sein Debüt feiern in der 2. Liga, betont der kommunikative, oft auch witzige und selbstironische Typ, der demnächst sein Fachabi am Alice-Salomon-Berufskolleg bauen möchte: „Die Konkurrenz ist groß“, weiß Gündüz, „aber ich glaube an mich.“

Gündüz spielt am liebsten auf dem Flügel

Der Siegener, der zweieinhalb Jahre im Internat am Olympiastützpunkt Wattenscheid lebte, inzwischen aber mit seinen Eltern in Langendreer wohnt, glaubt nicht, dass die derzeit schwierige Situation des Vereins ein Hemmschuh für ihn sein könnte, ihm zu viel Druck aufbürdet. „Es kann alles sehr schnell gehen. Viele junge Spieler haben es in den letzten Jahren vorgemacht – in der Nationalelf, aber auch in der Bundesliga“, so Gündüz. Wenngleich im Training momentan „einiges mit mir ausprobiert wird“, spielt der 18-Jährige am liebsten auf dem linken oder rechten Flügel - einer Position, auf der der VfL durchaus neue, frische, unverbrauchte Kreativkräfte gebrauchen könnte, trotz des neuen Japaners Yusuke Tasaka, der auch auf außen eingesetzt werden könnte.

FußballSlawo Freier oder Christoph Dabrowski spulten dort in der vergangenen Saison nur wenig Überzeugendes ab. „Ich fühle mich im Mittelfeld und Sturm überall wohl. Ich bin schnell und dribbelstark, gut im Eins gegen Eins. Wenn ich mal Tempo aufnehme, war es im Jugendbereich verdammt schwer, mich zu stoppen“, sagt der gebürtige Kurde, der seine Freizeit am liebsten mit Mounir Chaftar, Mirkan Aydin und vor allem Faton Toski verbringt - mit deutlich älteren Mannschaftskollegen also.

"Mischung zwischen Jung und Alt stimmt"

„Die Mischung zwischen Jung und Alt stimmt in unserer Truppe, das ist meiner Meinung nach ganz wichtig. Wenn alle an sich glauben, werden wir eine Überraschungsmannschaft sein. Mit uns rechnet doch niemand“, wagt er noch eine Prognose.

VfL Bochum Saison 2012/13

hinten (v.l.n.r.) Leon Goretzka, Holmar Örn Eyjolfsson, Christoph Kramer, Lukas Sinkiewicz, Christoph Dabrowski, Patrick Fabian, Michael Delura, Kevin Scheidhauer. 3. Reihe v.l.: Mounir Chaftar, Sören Bertram, Nika Gelashvili, Marcel Maltritz, Jonas Acquistapace, Mirkan Aydin, Faton Toski, Carsten Rothenbach, Onur Bulut. 2. Reihe (Trainer, Betreuer etc.) v.l.: Jürgen Dolls, Sascha Zivanovic, Frank Zöllner, Dr. Karl-Heinz Bauer, Andreas Pahl, Benedikt Dreßelhaus, Stefan Bienioßek, Peter Greiber, Thomas Reis, Karsten Neitzel, Andreas Bergmann (Cheftrainer). vorne v.l.: Selim Gündüz, Alexander Iashvili, Zlatko Dedic, Philipp Heerwagen, Andreas Luthe, Michael Esser, Slawo Freier, Florian Brügmann, Marc Rzatkowski.
hinten (v.l.n.r.) Leon Goretzka, Holmar Örn Eyjolfsson, Christoph Kramer, Lukas Sinkiewicz, Christoph Dabrowski, Patrick Fabian, Michael Delura, Kevin Scheidhauer. 3. Reihe v.l.: Mounir Chaftar, Sören Bertram, Nika Gelashvili, Marcel Maltritz, Jonas Acquistapace, Mirkan Aydin, Faton Toski, Carsten Rothenbach, Onur Bulut. 2. Reihe (Trainer, Betreuer etc.) v.l.: Jürgen Dolls, Sascha Zivanovic, Frank Zöllner, Dr. Karl-Heinz Bauer, Andreas Pahl, Benedikt Dreßelhaus, Stefan Bienioßek, Peter Greiber, Thomas Reis, Karsten Neitzel, Andreas Bergmann (Cheftrainer). vorne v.l.: Selim Gündüz, Alexander Iashvili, Zlatko Dedic, Philipp Heerwagen, Andreas Luthe, Michael Esser, Slawo Freier, Florian Brügmann, Marc Rzatkowski. © WAZ FotoPool
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Bis sich Gündüz körperlich komplett auf Zweitliga-Niveau befindet, dürfte es trotz seines großen Tatendrangs aber noch einige Zeit dauern. Einen kurzen Umweg über die U 23 würde der authentisch wirkende junge Mann deshalb auch in Kauf nehmen - doch seinem Tonfall vernimmt man, dass das nur der Plan B ist. „Klar kann das passieren, dass ich dort zu Beginn ein wenig Spielpraxis sammeln soll. Aber ich werde versuchen, mich dann sofort für oben zu empfehlen.“