Harsewinkel. .

Er ist erst 25 und hat doch schon so viele Erfahrungen gesammelt, dass es mehr als nur reicht für eine Fußballer-Karriere. Lukas Sinkiewicz, in ganz jungen Jahren einer der Hoffnungsträger des DFB, wirkt nach vielen Nackenschlägen reifer und abgeklärter als die meisten seiner Altersgenossen. In Bochum will er voran gehen, den Jüngeren Ansprechpartner und Leitfigur sein, damit das Team das gemeinsame Ziel erreicht. Sinkiewicz’ Anspruch ist schnell formuliert: „Zwei meiner drei Bochumer Jahre will ich in der Bundesliga spielen. Deshalb müssen wir aufsteigen.“

Der hünenhafte Defensivmann, den Jos Luhukay in Augsburg als defensiven Mittelfeld-Spieler gesehen und eingesetzt hat („Zentral kann ich jede Position spielen“), hegt aber längst nicht mehr die jugendlich-naive Vorstellung von der Unantastbarkeit des eigenen Körpers. Drei Knieoperationen haben zwar nicht seinen Ehrgeiz gebrochen, aber doch die Erkenntnis reifen lassen, dass das Leben nicht aufhört, wenn der Ball zwangsweise ruht.

Zwei „tolle Jungs“ hat Sinkiewicz, der als Vierjähriger aus Polen nach Deutschland gekommen ist. Die Familie, die Freunde, das Umfeld jenseits des Fußballplatzes sind die Bezugsgrößen für einen, der bereits dreimal dachte, seine Karriere sei „beendet“, und der sich dann doch immer wieder zurückgekämpft hat. „Durch Negativerlebnisse lernt man andere Dinge sehr zu schätzen“, sagt er heute. Soll heißen: Lukas Sinkiewicz hadert nicht mehr mit sich und seinem Knie und mit möglicherweise verpassten Chancen. Und: „Ich definiere mich nicht ausschließlich als Fußballspieler.“

Sympathisch kommt er rüber, offen, kommunikativ. Dass er nach seiner Vorgeschichte nicht damit rechnen darf, mit 35 noch zu spielen, leugnet er nicht („Da würde ich lügen“), dass er Augsburg verlassen hat, weil die besseren Umstände für den VfL sprechen, räumt er ein. Denn sein „Lebensmittelpunkt“ ist Köln geblieben und kann es nun weiter bleiben. Luhukay wollte ihn zwar in Augsburg halten, man bot ihm in Oberschwaben, wo sonst nur Einjahresverträge abgeschlossen wurden, sogar einen Zweijahresvertrag an - aber Sinkiewicz wollte drei. „Ich habe hoch gepokert“, sagt er ohne falsche Scham. Im Raum stand für ihn auch und vor allem die Frage: Pendel ich weiter quer durch Deutschland, oder verlege ich besagten Lebensmittelpunkt?

Der VfL war schließlich bereit, das Risiko einer erneuten Verletzung oder gar eines frühen Karriereendes einzugehen, weil Sinkiewicz in der Lage ist, die Mannschaft diesseits und jenseits des Rasens weiter zu bringen. Denn der 25-Jährige, der nun die „bodenständigen Jungs“ neben sich lobt und das „gute Klima in der Mannschaft“, ist ein Typ, der die Frage nach der Integration gar nicht erst aufkommen lässt. Er kam, hat es den Anschein, und ist seitdem wie selbstverständlich mittendrin.

Natürlich hat sich Lukas Sinkiewicz, als ihn das Angebot erreichte, gefragt, was denn das für ein Klub ist, der VfL Bochum. Rein sportlich betrachtet hatte er nach der vergangenen Saison einen guten Eindruck („Die haben uns bis zum Schluss unter Druck gesetzt“), aber ansonsten wusste er wenig, jedenfalls viel weniger als Thomas Zdebel. Den ehemaligen VfL-Kapitän hat Sinkiewicz in Leverkusen kennen und schätzen gelernt, sie belegten auf Reisen gemeinsam ein Zimmer und freundeten sich an. Zdebel sprach sich schließlich für den VfL aus, obwohl er nach seinem unwürdigen Rauswurf über Nacht allen Grund gehabt hätte, seinen verständlichen Groll weiterhin zu hegen und zu pflegen. Stattdessen sagte er: „Das ist ein gut geführter Klub mit super Leuten. Mach’ das.“ Und so ist Lukas Sinkiewicz nun „Bochumer“.