Bochum. Schlimmer als die Erkenntnis, Hertha BSC in dieser Saison nicht gewachsen zu sein, trifft den VfL in der Endphase der personelle Aderlass.

„Reifer, cleverer, abgezockter“ sei die Hertha gewesen. Das ist das Vokabular, mit dessen Hilfe Spieler, Trainer und Verantwortliche des VfL Bochum den Montagabend erklärten und damit den Unterschied zwischen dem Zweitliga-Topteam aus Berlin und der eigenen, am Ende ziemlich zerfledderten Elf.

Eine „andere Qualität“ sah Friedhelm Funkel im Vergleich der Hertha mit seiner Mannschaft und dem Zweitliga-Rest. Das dürfte den Unterschied zwischen Erst- und Zweitklassigkeit bedeuten und die Frage aufwerfen, ob es überhaupt Sinn macht für die Bochumer, die Rückkehr ins Oberhaus mit aller Macht anzustreben, wenn man dort nicht konkurrenzfähig sein kann. Selbst die Berliner, darf man an dieser Stelle prognostizieren, werden auf höchstem Niveau wieder das eine oder andere Problem bekommen. Der Klub verfügt, wie viele andere Vereine auch, derzeit nur über geringe finanzielle Ressourcen und wird sich schon strecken müssen, um nur die aktuelle Mannschaft beieinander zu halten.

Andererseits entwickelt sich im Fußball manches überraschend, geradezu rasant, außerdem kommen Reife, Cleverness und Abgezocktheit mit der Erfahrung. Das gilt auf Bochumer Seite sicher für die Jungen, für Kevin Vogt, Mirkan Aydin, Björn Kopplin und Matthias Ostrzolek, der allmählich verinnerlichen sollte, wie man als Gelb-Sünder, ob berechtigt oder nicht, weiter spielt, um nicht vom Platz zu fliegen. Der 20-jährige Jung-Profi musste ja bereits Ende Februar in Fürth vorzeitig in die Kabine. Auch das ist ein Lernprozess.

Schlimmer als die Erkenntnis, den Berlinern in dieser Saison nicht gewachsen zu sein, trifft den VfL in der Endphase der personelle Aderlass. Chong Tese, Concha, Azaouagh, dessen Bänderriss eine vier- bis sechswöchige Pause erforderlich macht, und Fabian, der in Bad Griesbach operiert wurde, wird man in dieser Spielzeit nicht mehr zu Gesicht bekommen; Ostrzolek und Saglik (fünfte Gelbe Karte) werden zudem am Freitag in Ingolstadt fehlen. Ümit Korkmaz (Kapselreizung im Sprunggelenk) verbreitet zwar Optimismus, hinter seinem Einsatz in Oberbayern steht gleichwohl noch ein Fragzeichen. Und Anthar Yahia plagt sich mit einer schmerzhaften Fersenprellung herum.

Inklusive Korkmaz und Yahia verfügt Funkel nach der 0:2-Niederlage gegen Hertha BSC noch über 18 Feldspieler, U23-Verteidiger Jonas Acquistapace mitgezählt. Eine schwere Hypothek im Ringen um Platz zwei oder drei, wenngleich der VfL-Trainer nichts von einer Schwächung wissen will. „Ich sehe überhaupt nicht schwarz, wir fallen nicht in irgendein Loch“, sagte Friedhelm Funkel, der natürlich erfahren genug ist, um sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen. „Wir können den einen oder anderen Ausfall sicher ganz gut verkraften“, verbreitete der VfL-Trainer, der auf Spieler wie Freier, Federico und Bönig hinwies, Optimismus. Außerdem, merkte Funkel noch an, fange er „nicht zu jammern an“. Das habe er schließlich „noch nie getan“.

Klar dürfte jedoch sein: Die bisher starke Bank des VfL Bochum wird schwächer. Die nun gerissene Erfolgsserie war ja nur deshalb so lang, weil der VfL immer noch personell nachschieben konnte. Die vorwiegend knappen Siege gegen Augsburg, Aue, Cottbus und Oberhausen zum Beispiel waren der gut besetzten Reservebank zu verdanken.

Dennoch gab sich Funkel nach der Berliner Demonstration überhaupt nicht kleinlaut: „Wir müssen nach Fürth gucken, aber Augsburg sollte sich nicht zu sicher sein.“ Den ungünstigen Umständen zum Trotz werde er die Mannschaft in ein paar Tagen „so weit auf den Beinen haben, dass sie in Ingolstadt ein gutes Spiel zeigt“. Es sei schließlich seine „Aufgabe, sie so auf- und einzustellen, dass wir dort punkten“.