Bochum.
Blamage kann man das schon nicht mehr nennen: Es war eine Demontage. Der VfL Bochum verlor gegen Schlusslicht Ingolstadt nach einer indiskutablen Leistung, die mit Profifußball nichts mehr zu tun hat, sang- und klanglos mit 1:4.
"Absteiger" skandierten die wutentbrannten Anhänger hinterher - und feierten "Ingolstadt, Ingolstadt."
Wenn sich nichts ändert, findet sich der selbst ernannte Aufstiegskandidat, der zweitteuerste Kader der 2. Liga, bald in der dritten Klasse wieder. Was für ein Desaster.
Trainer Friedhelm Funkel hatte nach der Suspendierung der "Partylöwen" Maric, Dedic und Yahia sowie der Gelb-Sperre von Dabrowski die erwarteten vier Änderungen vorgenommen: Für sie spielten Concha auf der Außenbahn, Saglik und Tese im Sturm sowie Kevin Vogt als Sechser neben Johansson. Vogt feierte sein Startelf-Debut im Profifußball - und man hätte dem talentierten 19-Jährigen gewünscht, er hätte dieses Gefühl in einer intakten Mannschaft erleben dürfen.
Schläfrige Bochumer
Keine 90 Sekunden waren gespielt, da wähnte sich der völlig indiskutable Björn Kopplin wohl noch im heimischen Bett. Der Ball trudelte Richtung rechter Eckfahne, Kopplin trudelte hinterher, während Andreas Bucher tatsächlich einen Spurt hinlegte. Soll vorkommen im Fußball. Als Kopplin eintraf, umkurvte Bucher ihn mit einer schlichten Körpertäuschung, flankte in den Fünfmeter-Raum, wo zwischen den ebenfalls eingenickten Mergim Mavraj, der auch nie so recht aufwachen sollte, und Matias Concha ein gewisser Fabian Gerber freistehend ins linke Eck köpfen durfte. 0:1. Was für ein Traumstart. Für Ingolstadt.
Aber es kam noch besser: FCI-Torwart Sascha Kirschstein schlug den Ball nach vorne, er flog über Maltritz hinweg Richtung Sechzehner, wo Mavraj dummerweise stolperte. Ingolstadts Kapitän Stefan Leitl hatte freie Bahn - und nutzte sie. 0:2 nach gut acht Minuten.
Unfassbar.
"Reißt euch den Arsch auf" brüllten die Fans aus der Ostkurve, doch der VfL wirkte vorerst so erstarrt wie ihr Trainer Funkel, der am linken Rand seiner Coaching Zone mit den Armen hinterm Rücken verschränkt das groteske Treiben seiner Mannschaft wie versteinert ansah.
Deutliche Niederlage gegen Ingolstadt
Die Zuschauer - die offiziell 9600, die überhaupt noch gekommen waren - mussten sich immer mehr in Galgenhumor flüchten, sich selbst feiern, um noch einen Rechtfertigungsgrund gegenüber Familie und Freunden zu haben, Eintritt zu bezahlen für diesen VfL. Die reinste Samstag-Nachmittags-Verschwendung wäre das ja sonst.
Die Bochumer stümperten weiter über den Platz, kein Nachrücken, kein Druck, Pässe kamen nicht an, ein heilloses Durcheinander von hinten bis vorne. Gegen einen Gegner, der es mit langen Bällen, mit einfachsten Mitteln, mit Standardsituationen schaffte, die Bochumer zu Fall zu bringen. An diesem desaströsen Bild, das die anfangs doch noch erstaunlich geduldigen Fans mit einem "Ole, Amateure" quittierten, änderte auch eine kurze Drangphase des VfL nichts, in der Chong Tese das 1:2 gelang. Nach einer Freistoß-Flanke von Freier, der als einer der wenigen immerhin den nötigen Einsatz zeigte, herrschte Konfusion in der FCI-Defensive. Saglik stocherte den Ball zu Tese, der ihn aus drei Metern einnetzte (22.). Erneut Tese, noch einer der Besseren, verpasste kurz darauf den Ausgleich - und das war es dann auch schon wieder.
Der biedere Gast hätte sogar noch erhöhen können, doch Torwart Andreas Luthe, den seine Vorderleute besser nicht so oft anspielen sollten und der mitunter die Orientierung verliert in seinem Strafraum, zeigte eine gute Parade nach Karls Distanzschuss, ehe der wieder völlig allein gelassene Hartmann, Ingolstadts einzige Spitze, neben das Tor köpfte (42.). Fast hätte Johansson noch ein Eigentor erzielt, als Luthe kurioserweise nicht in der Nähe seines Kastens war.
Demontage nimmt ihren Lauf
Da hatten auf der ohnehin leeren Haupttribüne einige ihren Platz längst wütend verlassen, während aus der Ostkurve nur zaghaft Pfiffe zu hören waren - und dann eine gespenstische Stille herrschte.
Wenn man bedenkt, dass der Gegner Ingolstadt hieß, das Vier-Punkte-Schlusslicht der 2. Liga, dann war dies wohl die erbärmlichste Halbzeit einer VfL-Mannschaft seit der Einführung des Profifußballs.
Und der Tiefpunkt war noch nicht erreicht.
Funkel brachte nach der Pause Dennis Grote für den einmal mehr untergetauchten Federico. Tese vergab gleich zu Beginn zwei Chancen, mit dem Fuß und mit dem Kopf, dann nahm die Demontage seinen weiteren Lauf. Das 3:1 für Ingolstadt war eine Kopie des 2:0: Langer Ball von Torwart (!!!) Kirschstein, Mavraj und Maltritz stehen sich selbst im Weg, Leitl kann sich frei vor Luthe die Ecke aussuchen (56.), er wählte wieder die rechte.
Jetzt hatten die VfL-Fans nicht nur die "Schnauze voll", sondern artikulierten ihren Zorn auch. Mavraj, an allen drei Gegentoren beteiligt, musste raus, es kam - Innenverteidiger Patrick Fabian. Noch ein Saisondebut in dieser Situation. Folge: Doppelpass Gerber - Leitl, und der Kapitän musste sich fühlen wie im siebten Himmel. Sein dritter Torschuss, sein drittes Tor - das 4:1 (66.).
"Funkel raus" war die Reaktion der Anhänger, erstmals in dieser Saison, wenn auch noch zaghaft, und kurzerhand erteilten sie den Versagern ihrer Mannschaft, den indiskutablen Johanssons, Sagliks, Maltritz' oder Kopplins, die Höchststrafe - und feierten die Ansätze von Kombinationen des FCI. Es ging kein Ruck mehr durch die Mannschaft, lediglich Tese hatte noch die eine oder andere Chance, aber auch Ingolstadt hätte mit mehr Konsequenz noch erhöhen können.
Mit Zweitliga-Fußball hat dieser VfL Bochum derzeit nichts mehr zu tun. Man kann als VfL-Anhänger nur hoffen und beten, dass sich schleunigst etwas ändert. Viel ändert. Eigentlich: fast alles ändert.