Bochum. Das Spiel des VfL Bochum in Bielefeld am Samstag birgt nicht nur tabellenmäßig große Brisanz. Denn beim vorigen Gastpiel des VfL in Ostwestfalen im Mai 2008 war ein 35-jähriger Arminia-Ordner in der Bochumer Fankurve so brutal angegriffen worden, dass er schwerste Kopfverletzungen erlitt.

Sein Anwalt Dr. Holger Rostek sagte heute auf Anfrage der WAZ: „Er ist ein Wrack, vor allem psychisch.” Sein Mandant sei bis heute arbeitsunfähig und werde bald vielleicht einen Rentenantrag stellen. „Der Fall erinnert hinsichtlich der möglichen Folgen an den Fall Nivel”, sagte Rostek. 1998, bei der WM in Frankreich, hatten deutsche Hooligans den Polizisten Daniel Nivel ins Koma und zum Invaliden geprügelt.

Opfer-Anwalt bereitet 100000-Euro-Klage vor

Zurzeit bereitet Rostek eine Klage wegen Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen die drei mutmaßlichen Täter vor - über 100 000 Euro. Die Klage soll auch der Arminia gelten - wegen eventuell mangelnder Sicherheitsvorkehrungen. Und die 100 000 Euro sind nur eine vorläufige Summe. Eine Erhöhung sei möglich, je nach Heilungsverlauf, sagte Rostek. Sein Mandant leide bis heute unter Angstattacken, Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit und einer "posttraumatischen Belastungsstörung". „Es ist deprimierend.”

Angstattacken, Kopfschmerzen, traumatische Störungen

Beide Vereine, der VfL und Arminia, haben den damaligen Ordner für das kommenden Spiel auf die Haupttribüne der Bielefelder Schüco-Arena eingeladen - als schöne Geste der Anteilnahme an seinem Schicksal. Rechtsanwalt Rostek sagte aber, dass der Ordner wohl nicht erscheinen werde - wegen der Angstattacken. Bis heute war der Arminia-Anhänger nie wieder im Stadion gewesen. Auch eine Einladung des VfL und der Arminia zum Hinspiel im September hatte der 35-Jährige aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen können.

Die drei mutmaßlichen Täter sind vor dem Bielefelder Landgericht angeklagt: eine 21-jährige Frau und ein 19-jähriger Mann, jeweils aus Bochum, sowie ein 21-Jähriger aus Werl.

Ein Tiefpunkt im Leben fast aller Fußballfans

Damals, am 3. Mai, unmittelbar vor Spielbeginn um 15.30 Uhr, war der Ordner in den Bochumer Fanblock gegangen, nachdem dort ein ungeheuer lauter, die Schmerzgrenze übersteigender Knallkörper sowie Rauchkörper gezündet worden waren. Dort soll er dann durch Tritte und Schläge schwerstens verletzt worden sein. Er erlitt Brüche des Jochbeins, beider Unterkiefer, einer Augenhöhle sowie Blutungen unter der Hirnhaut. Die 21-jährige Bochumerin soll von einem „Wellenbrecher” aus in Richtung des Ordners gesprungen sein, so dass dieser zu Boden ging.

Der 21-jährige Werler soll dann auf das wehrlose Opfer eingetreten haben. Er soll vorher auch die Rauchbombe gezündet haben. Der dritte Tatverdächtige (19) soll dem Opfer ins Gesicht geschlagen haben. Der Schwerstverletzte musste von Kollegen aus dem Block heraustransportiert werden. Einige wenige Personen im Fanblock schickten ihm noch - zum Entsetzen der umstehenden VfL-Fans und aller Ordnungskräfte inklusive der mitgereisten szenekundigen Bochumer Polizei - höhnische Sprüche hinterher. Diese Szene war ein Tiefpunkt im Leben fast aller deutschen Fußballfans, nämlich der gewaltfreien.

Bisher kein einziges volles Geständnis

Bis heute soll kein einziges volles Geständnis im Sinne der Anklage (gefährliche Körperverletzung) vorliegen. Der 19-Jährige hat jedoch bereits ein Entschuldigungsschreiben ans Opfer abgeschickt. Und auch die angeklagte Bochumerin - sie macht eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten - hat dem Opfer unabhängig von einer Schuldfrage über ihren Verteidiger Gabor Subai ein Schreiben mit Genesungswünschen zugesandt.

Großer Strafprozess vielleicht im April

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte die Anklage zunächst dem dortigen Jugendschöffengericht vorgelegt. Weil es aber 26 Zeugen gibt und außerdem polizeiliche Videoaufnahmen des Tatvorgangs beurteilt werden müssen, ist der Prozess ans Landgericht hochgereicht worden, an die 3. große Jugendkammer. Die will in den nächsten Tagen entscheiden, ob beziehungsweise wann der Prozess eröffnet wird. Im Raume steht ein Termin im April. Es drohen Jugendhaftstrafen. Die Bochumerin, ein VfL-Fan, hat bereits für mehrere Jahre ein bundesweites Stadionverbot, sagte Subai der WAZ. Wie VfL-Fanbeauftragter Dirk Michalowski mitteilte, seien die Bochumer Angeklagten in keiner Fan-Organisation gewesen.

Nach der Gewaltattacke hatte der DFB der Arminia und dem VfL Bochum eine Gesamtstrafe von 50 000 € verpasst (20 000 € Bielefeld, 30 000 € Bochum). Davon flossen 30 000 € direkt an das Opfer, das damals ehrenamtlich im Einsatz war - nur für eine Aufwandsentschädigung. Zur Strafe musste der VfL zudem sein letztes Saisonheimspiel gegen Rostock vor leerer Fankurve austragen.

Polizei stuft Begegnung am Samstag als "Brisanzspiel" ein

Vor dem Spiel nun am Samstag wird die Bielefelder Polizei das Personal erheblich verstärken. Nicht konkret wegen der Randale damals, sondern weil die Begegnung zwischen diesen beiden Vereinen ohnehin als „Brisanzspiel” eingestuft wird. Polizeisprecher Martin Schultz zur WAZ: „Es gibt Fans, die vertragen sich, und welche, die vertragen sich nicht. Und dazu gehören die beiden.”

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