Bochum. 21 Punkte verspielte der VfL Bochum schon nach Führungen. Unter Heiko Butscher hat diese Schwäche aber derzeit keine Bedeutung mehr.
Es könnte einem aus Sicht des VfL Bochum Angst und Bange werden mit Blick auf die Partie am Sonntagabend gegen Bayer Leverkusen (19.30 Uhr, DAZN). Da kommt der Deutsche Meister 2024 ins Ruhrstadion, da kommen Granit Xhaka und Co., die in dieser Saison noch nicht eine Partie verloren haben. Da kommt die Mannschaft, die so häufig wie keine andere in den Schlussminuten traf. Schon allein das hätte den Verantwortlichen und Fans Angstschweiß auf die Stirn gejagt. Wenn der VfL Bochum nämlich in dieser Saison für etwas stand, dann dafür, in den Schlussphasen der Spiele die Punkte serienweise herzugeben.
16 Tore kassierten die Bochumer in dieser Saison bereits ab der 75 Minute, acht Tore davon allein in der Nachspielzeit. 21 Punkte hatte die Mannschaft so nach Führungen verspielt. Und jetzt kommt ausgerechnet „Laterkusen“, deren Spezialität späte Tore sind? Am 33. Spieltag? Wenn der VfL Bochum kräftig um den Klassenerhalt zittern muss? Die Horrorszenarien waren bereits heraufbeschworen. Aber: durch den verrückten 4:3-Sieg am Sonntag beim 1. FC Union Berlin und dem Mainzer Remis in Heidenheim beträgt der Vorsprung des VfL Bochum auf den Relegationsrang wieder vier Punkte. Der Klassenerhalt könnte sogar am Samstagabend schon auf dem Sofa gelingen - wenn der ungeliebte Nachbar Borussia Dortmund in Mainz gewinnt. Und noch etwas macht Hoffnung unter Heiko Butscher hat der VfL Bochum es geschafft, die Schluss-Schwäche endlich abzustellen.
VfL Bochum setzt sich Anker - und besteht Reifeprüfung
Sowohl gegen die TSG Hoffenheim (3:2) als auch bei Union Berlin brachte der VfL einen Vorsprung trotz größtem Drama über die Zeit, ohne doch noch wieder sichergeglaubte Siege zu verspielen. In beiden Partien wurde es nach 3:0-Führungen zwar noch einmal eng, anders als unter Thomas Letsch aber hielten die Bochumer den Gegner jeweils gut vom Tor fern. Echte Schlussoffensiven gelangen werder den Sinsheimern, noch den Unionern. Das hatte auch mit dem neuen Mann an der Außenlinie zu tun. „Wir haben das in der näheren Vergangenheit thematisiert und uns Anker gesetzt, um mit den negativen Emotionen in diesen Situationen umzugehen. Daraus ziehen wir Schlüsse und angeln uns wieder hoch“, sagte VfL-Sportdirektor Marc Lettau nach der bestandenen Reifeprüfung in der Alten Försterei.
Etwas mehr ins Details ging Butscher selbst. Angesprochen darauf, was sein Chef mit „Ankern“ meinte, führte der 43-Jährige aus: „Das können Wechsel sein, das können kurze Ansagen sein. Das kann auch mal ein Freistoß sein, bei dem man etwas Zeit von der Uhr spielt, um auch mal Ansagen machen zu können.“ Das sei in den lauten Stadien schließlich im laufenden Spielbetrieb unheimlich schwer, man hätte keinen Zugriff auf sie Spieler. Maximal auf die, die direkt in Rufweite der Coachingzone wären. „Wir versuchen als Trainer auf die Mannschaft einzuwirken und sie darauf einzustellen, damit es wieder passt. Du musst reagieren und in Phasen, in denen es nicht so läuft, dagegen anstinken.“
Unter Letsch verspielte der VfL Bochum viele Punkte in Schlussminuten
Das gelang den Bochumern in dieser Saison viel zu häufig nicht. Gegen Köln, Darmstadt 09 und Mainz 05 etwa verspielte der VfL Bochum sichergeglaubte Siege noch. Weil Butscher-Vorgänger Letsch mehrfach mit seinen Wechseln daneben lag, weil er seine Mannschaft offenbar nicht erreichte. Gegen Ende seiner Amtszeit wirkte er deshalb auch in der Kabine ratlos.
Butscher hingegen schafft es derzeit, auch von außen Einfluss aufs Spiel zu nehmen. Nach einer herausragenden Leistung im ersten Durchgang gegen Union schwamm Bochum nach einer Systemumstellung der Berliner plötzlich, fand keinen Zugriff mehr aufs Spiel, kam zu spät in Zweikämpfe. Das Pressing funktionierte nicht mehr. Butscher reagierte mit Wechseln, brachte unter anderem den schnellen Christopher Antwi-Adjei, verstärkte mit Tim Oermann und Cristian Gamboa die Defensive. Aber ohne die Offensive gänzlich zu vernachlässigen. Zudem nahmen seine Spieler immer wieder Zeit von der Uhr, indem sie nach Fouls auch mal etwas länger liegen blieben. „Man kann da sehr, sehr viel rausziehen als Trainer“, sagte Butscher nach dem Sieg. „Wie kann man als Trainer darauf reagieren? Wie kann man mit Wechseln Akzente setzen?“
Diese Dinge gelte es nun auch in der Woche vor dem Leverkusen-Spiel aufzuarbeiten. Denn egal wie Mainz am Samstagabend gegen den BVB spielt. Mit einem Punkt gegen Leverkusen könnte der VfL den Klassenerhalt selbst perfekt machen. Und dann wäre da ja noch der Traum vom Sieg. Die letzte Niederlage kassierte Bayer schließlich im Ruhrstadion.