Bochum. Der VfL Bochum bleibt Bundesligist. Nun will der Klub einen Sprung machen. Vorstandschef Villis spricht über neue Ziele und das Ruhrstadion.
Hans-Peter Villis ist sichtlich gut gelaunt, als er die Tür zur Geschäftsstelle des VfL Bochum öffnet. Der Vorstandsvorsitzende gibt zur Begrüßung einen festen Händedruck, bittet herein und führt in sein Büro. Zum Interview setzt sich der 65-Jährige an einen großen Konferenztisch. Villis spricht über die Bedeutung des Klassenerhalts, neue finanzielle Möglichkeiten und veränderte Ziele.
Herr Villis, Sie haben vor den letzten beiden Heimspielen des VfL Bochum vor der Mannschaft eine kurze Rede gehalten. War das eine Motivationsansprache oder Selbstberuhigung?
Hans-Peter Villis: Das war eher ein Signal. Es war symbolisch dafür, dass wir zusammenhalten im Verein. Meine Kollegen aus dem Präsidium wie etwa Jupp Tenhagen waren mit dabei. Unser Kapitän Anthony Losilla hat gesagt, es bringe Glück, wenn ich komme.
Machen Sie das künftig also vor jedem Heimspiel?
Nein, sonst würden die Spieler bestimmt sagen: ,Was will der denn schon wieder hier?‘ (lacht)
VfL Bochum: Hans-Peter Villis ist "einfach stolz"
Was ging Ihnen durch den Kopf nach dem 3:0 gegen Leverkusen, als der Klassenerhalt geschafft war?
Sehr große Erleichterung. Du siehst, wie die Fans auf den Platz stürmen, wie Sponsoren um dich herum total begeistert sind. Ich habe mir dann gesagt: Du hast zwar nicht immer alles richtig gemacht, aber es ist gut, dass du es gemacht hast. Das ist die Botschaft, die aber nicht nur für mich gilt, sondern fürs gesamte Umfeld, die Geschäftsführung, das Präsidium. Das hat mich einfach stolz gemacht.
Sie sind seit 13 Jahren beim VfL tätig, seit bald elf Jahren als Vereinschef. Es gab auch schwierige Zeiten, wirtschaftlich und sportlich. Ist das jetzt eine späte Genugtuung?
Ich habe dem damaligen Präsidenten Werner Altegoer versprochen, mich um den VfL zu kümmern. Auch heute sitze ich noch in größeren Unternehmen in Aufsichtsräten. Wenn ich Verantwortung übernehme, dann stehe ich dazu, auch wenn es mal strubbelig wird. Wir hatten sehr schlechte Zeiten, die Finanzierung war unsicher. Die Entwicklung in den letzten Jahren ist jetzt eine Bestätigung einer kontinuierlichen Arbeit. Es wird im Fußball immer wichtiger werden, eine gewisse Nachhaltigkeit zu haben, dass man wenigstens eine Amtsperiode durchgängig dieselben Leute an Bord hat, um eine gemeinsame Idee zu verfolgen, eine Strategie umzusetzen.
Der VfL hat im September 2022 beschlossen, sich von Trainer Thomas Reis zu trennen und Thomas Letsch zu verpflichten. Welchen Anteil hat der Trainer am Erfolg?
Einen sehr großen. Wir haben uns damals sehr intensiv nach einem neuen Trainer umgeschaut und diskutiert. Der Vorschlag kam von der sportlichen Führung, von Patrick Fabian. Wir haben Thomas Letsch persönlich kennen und schätzen gelernt. Seine Philosophie und insbesondere auch seine Stärke, wie er in der Kabine auftritt, wie er mit den Spielern umgeht, haben uns überzeugt. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen.
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Sein Vertrag gilt nur noch ein Jahr. Gibt es schon Gespräche über eine mögliche Verlängerung?
Nein, wir haben zunächst einfach den Klassenerhalt gefeiert, in allen Nuancen. Ich war am Sonntagmorgen danach noch in der Kabine. Wir haben die Spieler verabschiedet. Einige waren da nicht so fit, und ich musste mich auch aufraffen (lacht). Wir haben einfach die Sau rausgelassen. Das war das Ergebnis einer sehr schwierigen Saison. Thomas Letsch hat noch einen Vertrag, alles andere entwickelt sich. Wir machen uns keinen Druck. Aber irgendwann wird das natürlich ein Thema.
Im vergangenen Jahr war die mögliche Vertragsverlängerung mit Thomas Reis noch das große Sommertheater.
Aber das war ja nicht von uns initiiert. Man muss fairerweise sagen, dass wir damals vor der Frage standen, ob wir die gesamte sportliche Führung verlieren. Sebastian Schindzielorz (bis Ende August 2022 Sport-Geschäftsführer des VfL, die Red.) hat dann entschieden, nicht bei uns zu bleiben. Gleichzeitig gab es Diskussionen mit dem Trainer. Wir stehen auch nach wie vor dazu, dass wir zum damaligen Zeitpunkt Thomas Reis ein Angebot gemacht haben für eine Vertragsverlängerung. Er hat es nicht angenommen. Nach sechs Niederlagen zum Saisonstart haben wir uns dann aus sportlichen Gründen getrennt.
Schalke 04 ist mit Reis abgestiegen. Die VfL-Fans haben das gefeiert. Sie auch?
Schalke ist ein Traditionsverein, ich kenne auch das Schalker Umfeld. Natürlich sind wir Konkurrenten, aber man muss es sportlich sehen. Ich weiß, was es heißt, in der zweiten Liga zu spielen, wenn das gesamte Umfeld nervös wird. Ich habe keine Häme, ganz im Gegenteil. Ich bin froh, dass der VfL Bochum in der Bundesliga spielt.
Verliert die Bundesliga an Attraktivität, wenn Schalke nicht mitspielt?
Ja, ich denke, die Bundesliga wird unattraktiver ohne Schalke, ohne jetzt gleich die verdienten Aufsteiger Darmstadt und Heidenheim abwerten zu wollen. Ich kenne zum Beispiel Heidenheim gut, habe dort gearbeitet. Diese Stadt hat Vollbeschäftigung, das Umfeld ist sehr gut. Natürlich ist der Klub anders aufgestellt als ein Traditionsverein wie Schalke, aber trotzdem muss man die sportliche und die wirtschaftliche Leistung honorieren. Die Heidenheimer haben es einfach geschafft, genau wie die Darmstädter, die sich richtig gut entwickelt haben. Zudem haben sich Klubs wie Mainz oder Augsburg etabliert und anderen Vereinen den Rang abgelaufen. Diese Strategie verfolgen wir auch, als selbstbewusster Traditionsverein.
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Zu welchen Klubs will der VfL denn aufschließen?
Neben Augsburg und Mainz gehört auch Bremen dazu. Union Berlin ist jetzt weit weg, Stuttgart vermutlich auch. Wir wollen ins Mittelfeld. Wenn wir in der kommenden Saison eine Größenordnung von rund 100 Millionen Umsatz anstreben mit einem Kader-Budget von 40 bis 45 Millionen Euro, dann können wir uns ganz anders aufstellen als im ersten und zweiten Jahr nach dem Aufstieg. Diese Basis müssen wir nutzen.
Wunschspieler Sven Michel wechselt nun aber von Union Berlin nach Augsburg statt nach Bochum. Es reicht also noch nicht ganz, um wirtschaftlich mit Augsburg mithalten zu können.
Wir haben in der Vergangenheit nicht jeden Spieler verpflichten können, den wir haben wollten. Das gehört dazu, wir kennen die Branche und nehmen es sportlich. Denn mit jedem erfolgreichen Jahr werden wir interessanter. Wir merken bei potenziellen Neuverpflichtungen, Spielerberatern und Sponsoren, dass wir etablierter sind. Der VfL Bochum ist keine graue Maus mehr. Wir sind jetzt wieder Teil der Bundesliga, ein geschätzter Verein. Es sollte aber klar sein: Wir haben jetzt gute Zeiten, bei schönem Wetter kann jeder segeln. Es können auch wieder andere Zeiten kommen.
Kann der VfL wieder unabsteigbar werden?
Das ist natürlich ein schöner Begriff. Aber wir haben elf Jahre in der zweiten Liga gespielt, es war eine harte Zeit. Wir wollen jetzt einfach diese Chance nutzen, in der ersten Liga zu bleiben.
Der VfL meldet Rekordzahlen mit bald 25.000 Mitgliedern etwa, weiterhin fast 18.000 verkauften Dauerkarten. Das stärkt sicher auch.
Wir haben auch mit Vonovia als Hauptsponsor verlängert und 25.000 Trikots verkauft, so viele wie noch nie. Unsere Fans sind einfach klasse. Wie sie die Mannschaft in der Saison unterstützt haben, das hat uns begeistert.
Vonovia hat verlängert, ein Ärmelsponsor fehlt aber noch.
Tim Jost, unser Direktor Marketing und Vertrieb, ist da aktuell gut unterwegs. Wir hatten vielversprechende Termine und sind sicher, dass wir da jemanden finden werden.
Der Plan der Deutschen Fußball-Liga, einen Investor ins Boot zu holen, ist gescheitert. Was bedeutet das für den VfL – auch bezüglich der eigenen Investorensuche?
Das Thema ist nicht ad acta gelegt, im Gegenteil. Wir sind nach wie vor dabei, mit potenziellen Investoren zu sprechen. Die Grundvoraussetzung ist besser geworden, denn der Wert des VfL Bochum ist gestiegen, wir haben ein positives Eigenkapital. Wir hätten es auch begrüßt, wenn die DFL einen Investor bekommen hätte. Man muss eben nicht nur auf Deutschland schauen, sondern es international sehen. Die zweite englische Liga zum Beispiel kann teilweise mehr bieten für Spieler als der VfL Bochum in der ersten. Das hängt damit zusammen, dass die Vermarktung derzeit in England oder in Frankreich besser läuft. Ein Investor könnte aber nicht nur finanziell, sondern auch strategisch helfen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, etwa im Bereich Digitalisierung oder Social Media. Etliche DFL-Klubs sehen das jedoch anders. Es ist bei der DFL-Mitgliederversammlung demokratisch entschieden worden, das muss man akzeptieren. Wir jammern nicht darüber, sondern müssen selbst Antworten finden.
Der VfL Bochum wächst als Verein. Es werden immer mehr Mitarbeiter eingestellt. Auch im Nachwuchsbereich hat sich sehr viel getan.
Wir leben natürlich von unserem Nachwuchsleistungszentrum. Ich habe mich so gefreut, als unsere U16 Westfalenmeister geworden ist. Wir sind uns sicher, dass unser Nachwuchs eine ganz entscheidende Rolle spielen wird. Wir investieren dabei nicht nur in Beine, sondern auch in Steine, Equipment und Infrastruktur.
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Apropos: Das Stadion gilt als Schmuckkästchen, ist aber teilweise nicht auf dem neuesten Stand. Gibt es perspektivisch die Chance auf einen Neubau oder eine Erweiterung der Kapazität?
Wir kennen unsere Wurzeln, die an der Castroper Straße in Bochum liegen. Aber wir sind ständig dabei zu prüfen, ob und in welcher Form bauliche Veränderungen möglich sind. Das ist eine Diskussion, die wir in permanentem Austausch mit der Stadt führen, die ja Eigentümerin des Stadions ist. Das Schmuckkästchen hat, so glaube ich, deutschlandweit eine einzigartige Stimmung, die Fans sind ganz nah dran. Doch es ist in die Jahre gekommen. Wir müssen also auf Dauer etwas machen.
Um wieder auf das Personal zu blicken: Patrick Fabian, der Sport-Geschäftsführer, ist seit Monaten krankgeschrieben. Wie plant der VfL auf dieser wichtigen Position?
Wir hoffen alle, dass Patrick Fabian bald zurückkehrt.
Marc Lettau, der im Januar als Technischer Direktor und Mit-Kaderplaner von Union Berlin zum VfL kam, hat Fabians Job im sportlichen Bereich vorerst übernommen. Sind Sie zufrieden mit ihm?
Mit seiner Erfahrung ist er sehr wertvoll für uns. Deshalb hat Patrick Fabian ihn ja auch geholt. Marc Lettau macht einen tollen Job. Das gilt aber vor allem auch für Ilja Kaenzig, unseren Sprecher der Geschäftsführung. Seine schweizerische Art ist sehr hilfreich, er strahlt Ruhe aus, wird nie hektisch. Das spüren die Mitarbeiter, das merkt die Mannschaft.
VfL Bochum feiert 175. Geburtstag
Der Becherwurf-Skandal liegt 15 Monate zurück, der Zivilprozess gegen den Angeklagten läuft gerade. Welche Konsequenzen hat der VfL nach dem Abbruch des Spiels gegen Mönchengladbach, als Schiedsrichter-Assistent Gittelmann verletzt wurde, gezogen?
Es gab intensive Diskussionen mit Fan-Vertretern. Wir sind den Weg des Dialoges gegangen, der doch sehr gefruchtet hat. Wir sind zudem verpflichtet worden, in verbesserte Video-Technik zu investieren. Das erweitert die Möglichkeiten bei der Ermittlung von Tatverdächtigen. Was ja eigentlich schade ist, weil man hier doch Fußball gucken, sich freuen und nicht Bier durch die Gegend werfen sollte.
Der VfL Bochum feiert seinen 175. Geburtstag. Was erwartet die Fans im September?
Wir werden viele Aktivitäten haben, die Fans können sich auf einige Schmankerl freuen. Die Sonderausstellung im Stadtarchiv ist bereits angekündigt, weitere Aktionen folgen. Es ist noch nicht alles im Detail finalisiert, aber wir freuen uns auf dieses Jubiläum.
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Wo sehen Sie den VfL Bochum in drei Jahren?
In der ersten Liga. Wir werden unser Ziel, den Anschluss an etablierte Bundesliga-Klubs zu gewinnen, dann hoffentlich geschafft haben. Wir werden uns weiterentwickeln.