Bochum. Michael Esser hat bisher nicht gespielt. Aber er hilft dem VfL Bochum enorm, sagt der Coach. Der Torwart erklärt seine Rolle - und die der Fans.
Er wirkt abseits des Rasens immer entspannt und im Tor wie ein ruhender Fels in der Brandung. Gegen Augsburg aber hielt ihn nichts mehr auf der Bank, beim 3:2-Sieg ruderte Michael Esser in der hektischen Schlussphase in der Coaching Zone wild mit den Armen herum. Nach dem Schlusspfiff stürmte der 35-Jährige auf den Rasen, ebenso wie nach dem späten Ausgleich von Keven Schlotterbeck beim 1:1 in Berlin. Ob er als Erster auf den Platz rast, wenn ein Sieg den Klassenerhalt für den VfL Bochum bedeuten würde gegen Leverkusen, im Bundesliga-Heimspielfinale am Samstag im ausverkauften Ruhrstadion (15.30 Uhr/Sky)? Esser lacht. „In Berlin waren andere schneller, aber ich wäre auf jeden Fall mit dabei.“
Eben: Esser ist dabei. Mittendrin. Allerdings nicht während einer Partie im Tor des VfL Bochum. Manuel Riemann (34) hat in dieser Saison alle Pflichtspiele bestritten, Esser war 25 Mal im Kader, sieben Mal fehlte der 35-jährige Routinier verletzt – und einmal erkrankt. Nach dem Schalke-Spiel (0:2), eingeleitet von einem Eigentor Riemanns, dachte Trainer Thomas Letsch mindestens nach über einen Torwartwechsel. Esser aber erkrankte in dieser Woche (Magen-Darm-Probleme). In Köln (2:0) und dann gegen Leipzig (1:0) zeigte Riemann starke Leistungen und behauptete seine Nummer-Eins-Rolle. In der Vorsaison kam Esser unter Thomas Reis auf vier Pflichtspiel-Einsätze, darunter gegen den FC Bayern (4:2).
Das sagt Michael Esser zu seiner Rolle als Nummer zwei beim VfL Bochum
„Ich habe in dieser Saison nicht gespielt. Aber es kann manchmal schneller gehen als man gucken kann, dann steht man zwischen den Pfosten“, sagt Esser, der im Training immer mit vorangeht. „Ich hoffe jetzt nicht, dass bei Manu etwas passiert. Aber wenn etwas sein sollte, freue ich mich auch aufs Spiel und spiele“, erklärte der Torwart, Spitzname „Bruno“, dieser Redaktion. „Ich bin bereit, gebe immer Gas im Training und versuche, die Jungs zu unterstützen.“
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So sieht es auch Thomas Letsch. „Michael Esser füllt seine Rolle perfekt aus“, schwärmt der Trainer von einem seiner Spieler, der eine Führungsrolle hat, obwohl er gar nicht spielt. Der auch im Team und bei der Klubführung ganz hoch angesehen ist. „Er ist ein wichtiger Part in der Mannschaft. Er redet gar nicht so viel, aber wenn er spricht, hören ihm alle zu“, sagt Letsch.
Trainer Letsch über Esser: Er drängt immer darauf zu spielen
Der Trainer streicht aber das Sportliche heraus: „Bei ihm habe ich jederzeit das Gefühl, dass er auf dem Platz stehen kann. Das ist für mich das Wichtigste. Es ist nicht so, dass er mit seiner Rolle zufrieden ist, er brennt darauf zu spielen. Das ist das Entscheidende: Er akzeptiert einerseits seine Rolle, wenn er nicht spielt, er drängt aber immer darauf, zu spielen.“ So, wie es zuletzt auch bei Danilo Soares und Cristian Gamboa der Fall war. Auch zwei Führungsspieler auf jeweils andere Art, die in den letzten beiden Partien nur auf der Bank saßen und ihre Rolle ebenso annahmen fürs Team.
Aber zurück zu Michael Esser, den Familienvater aus Castrop-Rauxel, der bereits kurz in der Jugend beim VfL spielte und dann von 2008 bis 2015 für den VfL II und die Profis. Im Sommer 2021 kehrte er nach Stationen in Graz, Darmstadt, Hannover und Hoffenheim zum VfL zurück. Er hat im vergangenen Dezember seinen Vertrag verlängert bis zum Ende der kommenden Saison.
Nach seiner Karriere – vielleicht im Sommer 2024, vielleicht später – wird er zunächst im Talentwerk des VfL als Torwarttrainer arbeiten. Ein „echter VfLer“, der VfLer bleibt wie Kapitän Anthony Losilla, der ebenfalls frühestens ab Sommer 2024 im Talentwerk als (Co-)Trainer arbeiten wird. Beide schnuppern bereits in die Nachwuchsarbeit rein. Der Fokus aber liegt ganz auf dieser Saison. Und jetzt: auf dem großen Finale.
Notfalls Klassenerhalt über Relegation fix machen
„Die Stimmung im Team ist gut“, sagt Esser. „Wir sind voller Vorfreude auf das Heimspiel gegen Leverkusen, zugleich steigt die Spannung. Wir wollen sehr gerne hier den Klassenerhalt fix machen.“ Keine Nervosität, gar Angst vor dem Absturz? „Angst wäre jetzt der schlechteste Ratgeber. Heimspiele waren immer ein Erlebnis in den letzten zwei Bundesliga-Jahren. Da können wir einiges rausholen“, betont der Torwart. „Mir war schnell klar, dass der Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag gehen wird. Wir haben uns in Berlin über den Punkt gefreut. Wir können es schaffen, müssen zur Not über die Relegation gehen. Das wollen wir nicht hoffen, aber dann würden wir den Klassenerhalt halt über die Relegation fix machen.“
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Auch Esser will erneut alles geben, vermutlich also „nur“ in der Kabine und vom Spielfeldrand aus. „Man ist mit dabei, feuert die Jungs an“, beschreibt er diesen Part seiner Rolle. „Mal gehe ich zu einem Spieler hin, wenn ich das Gefühl habe, dass ich ihm helfen kann. Das mache ich aber eigentlich nur bei ein, zwei Spielern, die anderen lasse ich eher in Ruhe.“
Bochumer Esser: „Wir sind an der Reihe, den Fans etwas zurückzugeben“
Nur zuzugucken statt aktiv dabei zu sein – auch das fällt Esser naturgemäß nicht immer leicht. „Auf dem Spielfeld ist die Anspannung meist nicht so schlimm wie auf der Bank“, erklärt er. „Denn von außen kann man nichts machen außer ein bisschen reinzurufen und die Jungs anzufeuern. Ich spiele natürlich lieber als auf der Bank zu sein, aber es ist jetzt auch kein Problem für mich.“
Optimistisch stimmt ihn vor dem Spiel gegen Bayers Starensemble, in dem nur ein Sieg zumindest die Relegation sicher bedeutet, dass der VfL daheim spielt. Esser: „Die Fans haben in dieser Saison richtig viel Fingerspitzengefühl gezeigt, sie haben uns auch nach Niederlagen gepusht“, so der auch bei den Anhängern beliebte Torwart. „Sie haben uns immer erstklassig unterstützt. Wir sind an der Reihe, ihnen etwas zurückzugeben. Wenn wir es schaffen, wäre es der Klassenerhalt der Fans.“