Bochum. Den Triumph gegen Bayern hat Bochum in Stuttgart veredelt, sagt Kolumnist Michael Eckardt – und erklärt, warum der nächste Kater kommen darf.
Er ist weithin gefürchtet, der üble Kater nach dem Rausch. Wenn der Brummschädel abrupt die schönsten Träume beendet und der eigene erbarmungswürdige Zustand in die bittere Realität zwingt, dann wünscht man sich nur noch zurück in die frohen Stunden mit Gesang, Tanz und Gesöff. Der Mannschaft von Thomas Reis ist diese harte Landung gottlob erspart geblieben.
Was dem landauf, landab frenetisch gefeierten und sogar international beachteten 4:2-Erfolg gegen die an diesem Tag auf Normalmaß zurechtgestutzten Außerirdischen aus dem Süden der Republik folgte, war schlicht Alltag. Für Fußball-Profis bedeutet das vor allem eins: Arbeit - Arbeit gegen den Ball, kompromisslose Zweikampfführung, Konsequenz. Der Punkt in Stuttgart, ob „glücklich verdient“ oder nicht, wie Reis sagte, veredelte trotz des fehlenden spielerischen Glanzes den historischen Auftritt gegen die Bayern.
In Stuttgart wurde Fußball gearbeitet
Es waren diesmal keine Kunststücke mit offenem Mund und irgendwie, so viel Mut zur Wahrheit muss sein, ungläubig zu bewundern, keine Hackentricks und keine Beinschüsse, auch segelte der Ball nicht wie an der Schnur gezogen in den Winkel, einmal, zweimal, in sämtlichen TV-Programmen gefühlt tausendfach.
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In Stuttgart wurde erkennbar Fußball gearbeitet, und dass die Bochumer Mannschaft in der schwäbischen Metropole im Großen und Ganzen zurückfand zu der im Abstiegskampf notwendigen pragmatischen Haltung freute den Trainer, der weiß, wie schnell man den Faden verlieren kann, wenn man sich zu lange mit den Meriten von gestern beschäftigt, sicherlich am meisten. Denn ein grandioser Feiertag beschert nicht den erhofften Klassenerhalt. Und um den geht es ja immer noch und immer wieder.
Fast keine Verletzten: Sonderlob für Mediziner und Trainerteam
Die Aussichten, dass der Plan aufgeht, sind indes nach Stuttgart bestens, vor allem wegen der Fokussierung der Mannschaft auf die Kerntugenden und wegen der herausragenden Personallage. Dazu gehört sicher auch eine Portion Glück, aber bislang, da muss man sowohl den Medizinern als auch dem Trainerteam ein Sonderlob aussprechen, ist der VfL Bochum – mit Ausnahme von Simon Zoller – ohne gravierende Verletzungsprobleme durch die Saison gekommen. Bleibt das so, dann werden sich auch dem Trainer stets nahezu gleichwertige Alternativen bieten. Und das ist die Basis des Erfolges.
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Sicher gibt es ein paar Spieler, die man getrost als tragende Elemente dieses Teams bezeichnen darf. Aber es gab auch dann keinen Leistungseinbruch, als die formidablen Manuel Riemann und Anthony Losilla, Danilo Soares oder Elvis Rexhbecaj, was allerdings selten vorkommt, mal nicht spielen konnten. Erhan Masovic hat seine Sache in der Hinrunde so gut gemacht wie Armel Bella-Kotchap jetzt, und Sebastian Polter ist nicht im Schmollwinkel verschwunden, als ihm Winterzugang Jürgen Locadia den Stammplatz in der Startelf streitig machte. Im Gegenteil, Polter hat bewiesen, dass mit ihm auch nach Rückstand gepunktet werden kann. Das war in Berlin so und nun in Stuttgart. Er wird gebraucht, wie die meisten anderen Spieler auch. Und sie wissen das.
Warum Polter und Rexhbecaj vor Einsätzen von Beginn an stehen
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Polter demnächst wieder beginnen wird, zumal Locadia, der ohne Wettkampfpraxis aus England gekommen ist, möglicherweise der momentan für ihn noch ungewohnt hohen Belastung Tribut zollen muss. Rexhbecaj dürfte nach abgesessener Gelb-Sperre gegen Leipzig mit großer Wahrscheinlichkeit in die Startelf zurückkehren, denn der junge Patrick Osterhage wirkte in Stuttgart nach dem Bayern-Highlight verständlicherweise ein wenig überfordert. Und Eduard Löwen, dessen Elfmeter am Neckar den wichtigen Punkt bescherte, steht sozusagen Gewehr bei Fuß.
Kurz gesagt: Die Personallage ist hervorragend, niemand muss ins Feuer geworfen werden, der nicht ganz auf der Höhe seiner physischen Leistungsfähigkeit ist. Die Belastungssteuerung klappt ausgezeichnet. Das ist besonders in der kommenden Woche wichtig, denn dann wird dreimal gespielt – das nächste Pokal-Highlight steht an.
Trainer Reis hat bereits 25 Spieler eingesetzt
25 Spieler hat Thomas Reis bislang in dieser Bundesliga-Saison eingesetzt, 21 davon haben es auf mindestens sechs Einsätze gebracht, können also jederzeit mit weiteren Einsätzen rechnen. Dieser große Kreis ermöglicht es dem VfL-Trainer, umgehend auf schwankende Trainings- oder Spielleistungen zu reagieren, macht andererseits aber auch den anhaltenden Tanz auf zwei Hochzeiten möglich.
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Denn die größte Gefahr für Aufsteiger besteht ja darin, dass sich die ohnehin ungewohnte Belastung auf höchstem Niveau mit jedem weiteren Wettbewerb potenziert. Erfolge im Pokalwettbewerb sind dann nicht selten Ergebnis-Killer in der Meisterschaft. Aber davon war beim VfL bisher rein gar nichts zu sehen und zu spüren. Drücken wir die Daumen, dass es dabei bleibt. In dem Fall wäre der nächste Rausch nicht weit. Dann darf er getrost kommen, der blöde Kater.