Bochum. Der VfL Bochum feierte am Samstag einen historischen 4:2-Sieg gegen den FC Bayern München. Trainer Thomas Reis hatte daran großen Anteil.

Anthony Losilla hätte eigentlich keine Kraft mehr haben dürfen für Sprünge in die Luft. Er meisterte aber auch diese, vollgepumpt mit den Glückshormonen eines stolzen Bayern-Besiegers. VfL Bochums Kapitän Losilla und viele seiner Kollegen hüpften nach dem Schlusspfiff vor der pandemiebedingt nur mit 1.500 Fans gefüllten Ostkurve auf und ab, feierten mit den Fans, später auch den weiteren 7.000 auf den Sitzplätzen, die ja längst nicht mehr saßen. „Der VfL ist wieder da!“ dröhnte es von den Rängen, „Tief im Westen“ schallte es dann bei der weiteren Ehrenrunde aus den Boxen durch das Ruhrstadion.

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Der VfL Bochum hat am Samstag, 12. Februar 2022, ein Stück Geschichte geschrieben. Die Bochumer schenkten dem Rekordmeister FC Bayern München erstmals in der VfL-Vereinsgeschichte vier Tore in einer Halbzeit ein, gewannen nach einem 0:1 mit 4:2 (4:1), holten den ersten Sieg gegen die Bayern seit 18 Jahren. Nicht glücklich, sondern verdient. „Es ist schwierig zu realisieren, was wir heute gemacht haben. Es war ein fantastischer Nachmittag“, schwärmte Losilla.

VfL Bochum macht einen Riesenschritt Richtung Klassenerhalt

Den Blick fürs Wesentliche, die nackte Tabelle, verlor dabei auch im Rausche des Triumphes keiner aus den Augen. Der VfL machte zwar einen Riesenschritt zum Klassenerhalt. Er hat als Tabellenelfter mit 28 Punkten nun sechs Punkte Vorsprung auf den Sechzehnten FC Augsburg. Dennoch wirkte Trainer Reis nicht wie ein euphorisierter Bayern-Besieger, sondern wie ein – wenn auch stolzer - Realist, der den Blick gleich nach vorne richtet fürs große Ganze. „Genießen“ dürften seine Spieler nun den Sieg, sich etwas „ausruhen“ – exakt anderthalb Tage lang. Dann ist wieder Training, und nächste Woche geht es nach Stuttgart. Zu einem Abstiegskonkurrenten. „Ich werde die Jungs wieder auf den Boden holen. In Stuttgart können wir einen nächsten Schritt machen zu unserem Ziel.“

Die Spieler des VfL Bochum bejubeln das 1:1 von Christopher Antwi-Adjei.
Die Spieler des VfL Bochum bejubeln das 1:1 von Christopher Antwi-Adjei. © AFP

Etwa eine Viertelstunde nach dem Ende der VfL-Show war Stuttgart aber gefühlt so weit weg wie die Antarktis, da wollten viele Fans immer noch den Trainer sehen. Thomas Reis schritt zur Ostkurve, applaudierte kurz in die Ränge, verbeugte sich einmal, ging dann zurück Richtung Kabine.

Bochum-Profi Gerrit Holtmann: "Ein unbeschreibliches Gefühl"

„Es ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte Gerrit Holtmann kurz darauf, während beim FCB naturgemäß dicke Luft herrschte. Joshua Kimmich wütete vor laufender Sky-Kamera, sprach von einer Weltklasse-Mannschaft ohne Weltklasse-Mentalität, prangerte fehlende Einstellung an. „Das darf uns nicht passieren, ist es aber schon.“ Ähnlich wie beim 0:5 im Pokal in Mönchengladbach.

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Trainer Julian Nagelsmann, ein ruhiger Analytiker, nahm die erste Halbzeit indes auch auf seine Kappe. Er hatte auf eine Viererkette umgestellt, sein Matchplan ging schief, „ich habe das zu spät korrigiert“, sagte er. Gepaart mit fehlender Anspannung bei seinen Profis kam eine erste Halbzeit herum, „die beschissen war. Bochum“, lobte er mehrmals die Leistung des Aufsteigers, „hat auch in der Höhe verdient gewonnen.“

VfL Bochum: Der Plan von Trainer Thomas Reis ging voll auf

Denn Reis‘ Plan ging voll auf. Mit Osterhage neben Losilla und Rexhbecaj im Zentrum, also laufstarken Balleroberern, so Reis, mit den schnellen Außen Holtmann, der selten einzufangen war, und Antwi-Adjei sowie dem spielstarken Locadia im Angriff stresste der VfL den FCB von der ersten bis zur letzten Minute. Bochum raubte dem Bayern-Zentrum den Spaß, verteidigte aktiv, energisch, brach immer wieder über Holtmann durch. „Wir wollten Bayern nicht ins Spiel kommen lassen, das ist uns sehr gut gelungen in der ersten Halbzeit“, sagte Reis.

Dass das 0:1 durch ein feines Lewandowski-Tor sein Team, anders als noch beim ebenfalls historischen 0:7-Hinspiel in München, der höchsten Bundesliga-Pleite der VfL-Geschichte, nicht „umgeschmissen hat, zeigt auch unsere gute Entwicklung, die wir genommen haben“, lobte Reis. Hinzu kamen nach dem Bilderbuch-Gegenstoß-Tor über Locadia, Holtmann und dem Premieren-Torschützen Antwi-Adjei sowie dem 2:1 per verwandeltem Handelfmeter von Premieren-Torschütze Locadia zwei Sonntags-Tore, „die auch nicht immer fallen“, wie Nagelsmann anmerkte.

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Gamboa drosch den Ball in den linken Winkel, Holtmann zirkelte ihn mit dem rechten Fuß, den er „eigentlich nur zum Stehen hat“, wie Reis trocken anmerkte, in den rechten Winkel. Vier Bochum-Tore gegen Bayern in einer Halbzeit – das gab es noch nie. Ein Spektakel für Bochum. Ein Debakel für Bayern.

Bochum blieb auch nach der Pause konsequent

In der zweiten Halbzeit war der Rekordmeister, nun mit Dreierkette, zwar besser als in Durchgang eins. Aber Bochum blieb konsequent, attackierte weiterhin früh, hielt auch spielerisch – anders als noch beim 1:1 gegen den BVB im Dezember - dagegen und verteidigte aufopferungsvoll. Wie bei Bella Kotchaps Rettungsgrätsche vor der Linie. „Wir haben auch in brenzligen Situationen gut verteidigt“, meinte Reis. Kurzum: Bei Bochum passte fast alles zusammen an diesem Tag – bei Bayern äußerst wenig. Mehr als Robert Lewandowskis zweiten Treffer hatte sich München letztlich auch nicht verdient.

Der VfL Bochum kämpft den großen FC Bayern München nieder, eine großartige Mannschaftsleistung.
Der VfL Bochum kämpft den großen FC Bayern München nieder, eine großartige Mannschaftsleistung.

Und nicht nur Cristian Gamboa, der sein erstes Saisontor ausgiebig zelebriert hatte im Spiel, war nach dem Abpfiff mindestens entzückt, aber längst nicht der Bundesliga-Realität entrückt. „Es war ein Traumtor für mich, es war ein unglaubliches Spiel von uns gegen die beste Mannschaft der Welt“, sagte der Rechtsverteidiger. Ein bisschen Party sei nun erlaubt nach dieser erfolgreichen „Mission Bayern“, so Gamboa. Aber mehr auch nicht. „Dann gilt unser voller Fokus auf dem Spiel in Stuttgart.“