Bochum. Geisterspiele spalten auch Fanszenen. In Bochum will die große Mehrheit die Pille schlucken, um dem VfL zu helfen, sagt der Fanbeauftragte.

„Das ist schon Wahnsinn“, sagt Dirk Michalowski. Und damit meint der langjährige Fanbeauftragte des VfL Bochum, den so viele Anhänger schlicht „den Moppel“ nennen, nicht das Coronavirus und seine Folgen. Sondern die Bereitschaft vieler Fans des Zweitligisten, ihrem Klub in dieser Krise zu helfen.

„Wahnsinnig“ stark also sei es gewesen, dass Anhänger binnen weniger Tage gut 8.000 Sondertrikots „Back in Black“ gekauft hätten. „An Unterstützung der Anhänger kann sich der VfL nicht beklagen“, erzählt Michalowski aus eigenen Erfahrungen seines neuen Alltags im Home-Office statt an der Fan-Front.

Ultras Bochum 99 helfen mit Aktionen - VfL-Fans kaufen Sondertrikots

Es gab ja weitere Aktionen, von Beginn an: Die Ultras Bochum 99 etwa hingen Transparente auf vor Kliniken, um ihre Solidarität mit Pflegekräften oder Krankenschwestern zu demonstrieren, sie nähen jetzt mit dem Fanprojekt Bochum VfL-Schutzmasken für Einrichtungen, die Bedarf haben. Und auch der Anstoß, Geisterspieltickets zu verkaufen, schon für das Heidenheim-Heimspiel Mitte März, kam aus der Fanszene – und fand bundesweit zahlreiche Nachahmer.

Seit sechs Wochen ruht nun der Liga-Betrieb, noch weiß keiner, ob und wann es weitergeht, die Hoffnung liegt auf Mitte Mai. Klar ist: Es ginge nur mit Geisterspielen. Partien ohne Zuschauer aber sind bundesweit auch unter den Fans umstritten.

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Geisterspiele: Mehrheit der VfL-Fans würde sie bis Saisonende akzeptieren

Die „Fanszenen Deutschland“ etwa lehnen sie ab, die Organisation „ProFans“ befürwortet sie in dem Sinne, in dem auch Dirk Michalowski spricht, wenn er gefragt wird nach einem Stimmungsbild unter den Bochumer Anhängern: „Geisterspiele werden nach meiner Einschätzung von einer klaren Mehrheit toleriert und akzeptiert, weil sie dem Verein in einer sehr schwierigen Situation helfen. Ein Ersatz für ein richtiges Fußballspiel mit Fans im Stadion sind sie aber nicht“, sagt Michalowski.

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Von Sebastian Weßling, Andreas Ernst und Manfred Hendriock

Diese Akzeptanz gelte zunächst bis zum Saisonende, auch wenn jedem klar sei, dass aktuell niemand die Zukunft vorhersehen könne. Unter den Fans sei dieser Tenor aber auch deutlich hörbar: Wenn diese Spielzeit zu Ende gebracht sein sollte, „muss sich im Fußball etwas ändern, muss offen diskutiert werden, wie es mit dem Fußball weitergeht“, so Michalowski. Die ausufernden Transfer- und Gehaltssummen, Kommerz, die große Abhängigkeit vom TV-Geld – Themen, die viele Fans derzeit verstärkt ansprechen.

Neue Aufgaben für den langjährigen Fanbeauftragten Michalowski

Seit Wochen telefonieren Dirk Michalowski und sein Kollege der Fanabteilung, Marian Müller, mit den Anhängern, „wir haben in der für uns auch völlig neuen Situation den Spieß mal umgedreht“, erklärt „Moppel“. Normalerweise klingelt bei ihm ständig das Handy, wollen Anhänger Informationen rund um die Heim- und Auswärtsspiele haben. „Jetzt rufen verstärkt wir sie an und fragen, was sie auf dem Herzen haben, wie die Stimmung ist, bleiben so im Dialog“, erzählt Michalowski.

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Der 49-Jährige spricht mit Vertretern der Fanclubs, mit langjährigen VfL-Begleitern wie er selbst ja einer ist: Seit 1997 ist Michalowski Fanbeauftragter, seit 2003 hauptamtlich. Er spricht mit Mitgliedern der Ultras, des Fangremiums, des Fanprojektes, mit Kollegen der Klubs aus ganz Deutschland. Denn seit September ist Michalowski einer von drei Bundessprechern der Fanbeauftragten, er ist seitdem und jetzt besonders im ständigen Austausch mit Kollegen. Wie die Fans von St. Pauli ticken oder von Dresden, mag er aber nicht allgemein einzuschätzen. Letztlich „muss jeder Verein auch seine Hausaufgaben vor Ort machen.“

Fans dürfen sich auch nicht vor dem Stadion oder woanders in Gruppen treffen

Denn sollte es zu Geisterspielen kommen, müssen die Fans ja nicht nur draußen bleiben, sie dürfen sich draußen auch nicht in Gruppen treffen vor dem Stadion oder in der Bahn oder sonstwo. Bei den VfL-Anhängern ist Michalowski da zuversichtlich. Denn dass sonst Spielabbrüche drohen, die dem Verein schaden, sei jedem bewusst, mit dem er spreche.

Fans haben Ideen für Aktionen bei Geisterspielen - Kein Applaus vom Band

Mit Aktionen dabei sein wollen viele Anhänger aber trotzdem, wollen zum Beispiel Banner aufhängen. Noch gebe es keinen Termin für ein nächstes Zweitliga-Spiel, erst dann könne man in Absprache mit den Behörden klären, was machbar sei und was nicht. Zunächst hat Michalowski „nur“ ein offenes Ohr für alle Anliegen.

Eine durch Deutschland geisternde Idee steht beim VfL aber bereits im Abseits. Dass bei Geisterspielen Applaus oder Fangesänge von Band eingespielt werden, will wohl kaum einer in Bochum. Michalowski sagt: „Die echte Fankultur ist nicht ersetzbar.“

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