Bochum. Nach dem 1:3 gegen den HSV steigt für den VfL Bochum in Wiesbaden ein erstes Endspiel. Vielleicht auch für Trainer und Manager. Eine Analyse.
Als sich der schwer angeschlagene Sport-Geschäftsführer des VfL Bochum ein wenig berappelt hatte an diesem bitteren Montagabend, traf Sebastian Schindzielorz verbal den Punkt. Nach dem 1:3 (0:0) gegen den Tabellenzweiten Hamburger SV steigt für den Traditionsverein beim SV Wehen Wiesbaden ein Schlüsselspiel im Abstiegskampf. „Diese Partie“, sagte Schindzielorz, „ist entscheidend für uns.“
In diesem Kellerduell muss die in dieser Saison so wankelmütige Mannschaft des VfL Bochum zeigen, dass sie sich nicht nur vor großer Kulisse gegen große Gegner wehren kann, sondern auch in der Provinz des Profifußballs. Ein erstes Endspiel. Und ein Charaktertest.
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Anthony Losilla: „Das ist schon ein Finale für uns“
Aufsteiger Wiesbaden, der krasse Außenseiter der 2. Liga, ist am VfL vorbeigezogen. Der SV Wehen empfängt den VfL als Tabellenfünfzehnter, Bochum ist mit einem Punkt Rückstand nur noch Sechzehnter und damit dem Absturz in die Drittklassigkeit so nahe wie seit zwei Jahren nicht mehr. Zumal dahinter der punktgleiche Karlsruher SC und das nur noch drei Zähler dahinter liegende Schlusslicht Dynamo Dresden bedrohlich lauern.
„Das ist schon ein Finale für uns“, sagte Kapitän Anthony Losilla. Trainer Thomas Reis übte sich in Optimismus: „Der Auftritt stimmt mich positiv. Ich bin mir sicher, dass die Jungs verstanden haben, worum es geht. Wir müssen gegen Wehen wieder jeden Meter umpflügen, mit der gleichen Intensität in die Partie gehen.“
Am Ende hätte der HSV auch deutlich höher gewinnen können
Mut schöpfen will der VfL aus dem Spiel gegen den stark besetzten, aber nicht unschlagbaren Tabellenzweiten HSV. Bis zum verdienten 1:0 in Minute 64 durch einen Treffer von Simon Zoller zeigte der VfL die nicht nur von den Fans stets erwartete Leidenschaft in den Zweikämpfen, setzte spielerische Akzente. Doch nach dem 1:1 durch einen Volleykracher von Tim Leibold kurz darauf konnte Bochum froh sein, dass die Hamburger nur noch zweimal zulangten in Person des eingewechselten Edeljokers Joel Pohjanaplo und Sonny Kittel.
Trainer Thomas Reis setzt nach dem 1:2 alles auf eine Karte
Auch, weil Thomas Reis bereis eine Viertelstunde vor Schluss den Defensivverbund entblößte, um „noch mal alles nach vorne zu werfen“, wie er sagte. Zwei Offensivkräfte für zwei defensive Mittelfeldspieler wechselte er ein und am Ende noch einen Stürmer für einen Verteidiger. Die Ordnung, bis zum Gegentor ein Prunkstück des VfL, ging verloren. Die individuelle Qualität des HSV setzte sich letztlich verdient durch.
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Die individuelle Qualität des VfL Bochum aber ist ausreichend, um die Liga zu erhalten, auch dies bestätigte die ordentliche Zweitliga-Partie vor 24.400 Zuschauern im Ruhrstadion. Und sie ist deutlich höher als die des SV Wehen Wiesbaden. Drei Mal in Folge hat der VfL nun verloren, er hat dabei gegen Regensburg (2:3) und in Bielefeld (0:2) maßlos enttäuscht. Leistungsträger wie Danilo Soares, gegen Hamburg ein Aktivposten, schwanken in ihren Leistungen wie das Wetter in diesem frühlingshaften Winter. „Wenn wir jedes Mal das von heute abrufen würden, würden wir nicht da unten stehen“, erklärte Torschütze Zoller.
Trainer Thomas Reis nimmt keine Rücksicht auf Namen
Reis müht sich um Härte, greift bei schwachen Trainingsleistungen durch, will den internen Konkurrenzkampf stets am Limit halten, nimmt keine Rücksicht auf Namen und Vorjahres-Leistungen. Danny Blum ist Bochums zweitbester Torschütze und Topscorer, gegen den HSV verbannte ihn Reis auf die Bank. Patrick Fabian, der von Reis als „Mentalitäts-Spieler“ in der Wintervorbereitung zum Abwehrchef wieder aufgebaute Innenverteidiger, durfte nach seiner keineswegs enttäuschenden Bielefeld-Saisonpremiere beim HSV-Spiel nur zusehen. In Bielefeld hatte es Simon Zoller erwischt, ein Kämpfertyp und in der Teamhierarchie ebenfalls weit oben angesiedelt.
Sportlich mag man die Entscheidungen, die auch taktischer Natur sind, nachvollziehen. Ob sie zu einer konstanten Geschlossenheit führen, die im Abstiegskampf zwingend nötig ist, ist zumindest fraglich. Und Geschlossenheit zählt seit Saisonbeginn nicht zu den Stärken des VfL Bochum.
Der Druck auch auf den Trainer und den Manager nimmt zu
Eine Trainerdiskussion meidet man in Bochum, Thomas Reis hatte den Kader ja erst nach dem fünften Spieltag von Robin Dutt übernommen. Bei einer Niederlage in Wiesbaden aber ist sie unvermeidbar.
Der Druck nimmt zu, auch auf Sebastian Schindzielorz. Es war früh absehbar im Sommer, dass der Kader des geplanten Neuanfangs, den er im Verbund mit Ex-Coach Robin Dutt zu verantworten hat, nicht schlüssig ist. Im Winter sollte der Manager zwei, besser drei gestandene Profis holen, die vor allem der Abwehr sofort helfen. Angesichts der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten keine leichte Aufgabe.
Neuzugänge helfen dem VfL Bochum nicht sofort
Zwei kamen - und halfen nicht sofort. Der offensive Mittelfeldspieler Robert Zulj, geholt von der TSG Hoffenheim, landete mit Trainingsrückstand beim VfL, wurde gegen den HSV erstmals eingewechselt. Der auf den letzten Drücker verpflichtete griechische Innenverteidiger Vasileios Lampropoulos (29), ausgeliehen vom spanischen Zweitligisten Deportivo La Coruna, zählte gegen den HSV noch nicht zum Kader.
Alarmstufe Rot in Bochum also vor der Partie beim SV Wehen. „Die Wiesbadener werden alles raushauen“, ahnt Simon Zoller und schwört seine Kollegen ein: „Wir müssen in Wiesbaden in punkto Mentalität und Einsatzbereitschaft noch eine Schüppe drauflegen. Nur so können wir bestehen.“