Bochum. Der VfL Bochum läuft schon früh seinem hohen Anspruch hinterher. Sportvorstand Christian Hochstätter übt im Exklusiv-Interview auch Selbstkritik.
- Der VfL Bochum läuft schon früh seinem hohen Anspruch hinterher
- Sportvorstand Christian Hochstätter will dennoch an hohen Zielen festhalten
- Im Exklusiv-Interview übt er aber auch Selbstkritik
Mit großen Ambitionen ist der VfL Bochum in die Zweitliga-Saison gegangen. Doch bereits nach dem dritten Spieltag läuft der Fußball-Zweitligist seinen Ansprüchen hinterher. Wir haben mit Sportvorstand Christian Hochstätter gesprochen.
Christian Hochstätter, wie bewerten Sie die 0:2-Niederlage in Bielefeld?
Christian Hochstätter: Man kann sagen, dass wir uns selbst geschlagen haben. Ich habe bei den Spielern allerdings die richtige Einstellung gesehen. Die Art und Weise war so, wie wir uns das vorstellen. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Das Ergebnis stimmte nur nicht.
Hat man gemerkt, dass Bielefeld deutlich mehr Selbstbewusstsein hat als der VfL?
Hochstätter: Das habe ich nicht gesehen.
Zuvor haben Sie die Mannschaft in auffälliger Regelmäßigkeit öffentlich kritisiert. Wie ist das zu erklären?
Hochstätter: Zunächst einmal kann ich nicht nachvollziehen, dass aus einer Kritik, nämlich nach dem Nöttingen-Spiel, abgeleitet wird, ich hätte die Mannschaft regelmäßig kritisiert. Die Aussage war, dass das Gefühl noch nicht da ist, dass sie in der 2. Liga angekommen sei. Weil die Mannschaft noch nicht da ist, wo ich sie gern sehen würde.
Waren die Spieler der gleichen Meinung wie Sie?
Hochstätter: Das glaube ich nicht. Es ist aber auch nicht schlimm. Ich war selbst 17 Jahre Profi-Fußballer. Glauben Sie, dass ich immer die gleiche Meinung hatte wie mein Trainer oder mein Manager? Nach besagtem Pokalspiel habe ich meine Meinung geäußert, und ich respektiere die Meinung anderer. Wichtig ist aber, dass alles bei der Wahrheit bleibt. Wenn zum Beispiel Peter Neururer behauptet, ich hätte gesagt, Ismail Atalan müsse aufsteigen, dann ist das schlicht und ergreifend falsch. Ich habe nie gesagt, dass wir aufsteigen müssen – wir wollen es, das ist ein gravierender Unterschied. Und ich traue es unserer Mannschaft zu. Auch wenn die Konkurrenz in der Liga groß ist.
Ismail Atalan ist seit mehr als einem Monat Trainer beim VfL. Wie bewerten Sie seine Arbeit?
Hochstätter: Mir gefällt die Art und Weise, wie er trainiert, mir gefallen die Übungen – da sind viele neue Dinge dabei. Er verlangt von den Spielern eine Menge, auch vom Kopf her. Ich habe in den vergangenen Wochen gesehen, mit welcher Akribie er die Spieler vorbereitet. In jeder Trainingseinheit ist das zu beobachten. Bisher macht Ismail Atalan meiner Meinung nach einen guten Job, auch wenn es noch etwas zu früh ist, um es im Detail zu beurteilen. Natürlich hätte er gern die komplette Vorbereitung mit der Mannschaft absolviert. Aber im Fußball ist es nicht immer so, wie man es gern hätte.
Kann man in der Rückblende also sagen, dass es ein Fehler war, den Trainerwechsel erst zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen?
Hochstätter: Für mich gab es nach dem Trainingslager, in dessen Anschluss Gertjan Verbeek beurlaubt wurde, keine Alternative, als so zu handeln – auch dafür werde ich schließlich bezahlt. Und wenn die Öffentlichkeit mich dafür kritisiert, dann muss ich dafür geradestehen. Das tue ich auch.
Die fachlichen Qualitäten, sagten Sie, waren unbestritten. Sie haben schließlich zweieinhalb Jahre mit ihm zusammengearbeitet...
Hochstätter: Die Idee war, dass wir dreieinhalb Jahre zusammenarbeiten.
Dennoch waren offenbar drei weitere Wochen der Zusammenarbeit notwendig, um festzustellen, dass charakterlich irgendetwas im Argen liegt.
Hochstätter: Ich fand Gertjan Verbeek charakterlich einwandfrei. Im Trainingslager hat es mehrere Vorfälle gegeben, die uns zum Handeln gezwungen haben, das ist bekannt. Aber auch schon in den zwei Wochen vor dem Trainingslager habe ich einige Dinge feststellen können, bei denen ich gesagt habe: Das ist anders als sonst.
Etwas war anders?
Hochstätter: Ja.
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Wie kann man das erklären?
Hochstätter: Ich hatte schon in der ersten Trainingswoche den Eindruck, dass irgendetwas ist. Das fing mit der ersten Trainingseinheit an, bei der es ja Ärger wegen des früheren Beginns gegeben hat. Dazu muss ich aber noch einmal sagen: Dafür konnte er nichts. Es hat einen Fehler in der internen Kommunikation gegeben. Dafür darf man einen Trainer meiner Meinung nach nicht pauschal abstrafen. Aber ab diesem Tag war irgendetwas anders.
Es wurde vermutet, er habe seine Entlassung sogar provoziert.
Hochstätter: Das kann ich nicht beurteilen. Unser Bestreben war es jedenfalls, diesen Vertrag zu erfüllen. Aber die Summe der Dinge hat dann dazu geführt, dass es nicht mehr gepasst hat.
Auch einige Transfers aus dem letzten Sommer haben offenbar nicht gepasst. Was sagen Sie dazu, dass diese Periode aktuell rückabgewickelt wird?
Hochstätter: Es ist mein Bestreben, immer das Beste für den Verein zu tun. Man versucht, Spieler zu holen, die die Mannschaft qualitativ besser machen. Dass Medien hinterfragen, das wir im letzten Jahr zwölf Spieler geholt haben und jetzt sechs wieder abgegeben haben, ist verständlich. Ich war von jedem Spieler, den wir geholt haben, grundsätzlich überzeugt. Sonst hätten wir ihn nicht verpflichtet. Im Nachhinein muss man jedoch sagen, dass wir schon deutlich bessere Transferperioden hatten als die im vergangenen Jahr. Aber man muss die Fälle einzeln betrachten. Russell Canouse zum Beispiel wollten wir nicht abgeben, an Marco Stiepermann hingegen hatten wir ganz andere Erwartungen. Er hat 32 Spiele gemacht, aber nicht so gespielt, wie wir uns das alle gewünscht haben. Jetzt kam ein Verein, der deutlich mehr bezahlt hat, als wir für ihn ausgegeben haben. Dann stellt man sich die Frage: War das gut oder war das schlecht? Wirtschaftlich war das sicher gut.
Nach diesem Transfer zu Norwich City stand dennoch die Aussage, dass die finanzielle Situation sich nicht sonderlich gebessert habe.
Hochstätter: Urteilen Sie selbst: Wir haben für Marco Stiepermann, der nur ein Jahr bei uns war, eine gute siebenstellige Summe bekommen. Allerdings haben einige Dinge bei diesem Transfer eine Rolle gespielt, die dazu geführt haben, dass die gezahlte Summe nicht in voller Höhe bei uns geblieben ist. Wir sind dennoch der Meinung, dass es ein guter Transfer war. So könnte man nun jeden einzelnen Spieler durchgehen und seine Geschichte bewerten.
Inwiefern ist Ihnen bewusst, dass das bei manchen VfL-Fans dafür sorgt, dass sich die Stimmung gegen den Sportvorstand richtet?
Hochstätter: Das gehört zu meinem Beruf. Auf der einen Seite gibt es Transferperioden, in denen man einen Simon Terodde holt, bei dem es im Vorfeld auch viele kritische Stimmen gab. Dennoch waren wir von ihm überzeugt. Es gehört leider auch dazu, dass man Spieler verpflichtet, die nicht so eine Entwicklung nehmen. Aber klar: Als Außenstehender sieht man nur die nackten Zahlen. Und die lauten: sechs von zwölf Spielern sind wieder weg. Da kann man schon den Eindruck haben, dass es besser geht.
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Wäre es ein Zeichen gewesen, noch einmal einen „Kracher“ zu verpflichten, um die Aufstiegsambitionen zu unterstreichen?
Hochstätter: Ich glaube, dass wir den Aufstieg nur dann schaffen können, wenn das Kollektiv funktioniert. Ein einzelner Spieler wird meiner Meinung nach nicht derjenige sein, der den Verein nach vorne bringen könnte. Ich denke, dass wir eine gute Mischung haben. Aber sie muss auch funktionieren.
Sie sagen, dass das Kollektiv funktionieren muss. Aber viele Spieler sind gegangen. Wie wirkt sich das darauf aus?
Hochstätter: Es ginge mit Erfolgserlebnissen natürlich schneller. Wir haben vier neue Spieler geholt. Alle anderen kennen noch die Abläufe, die unter Gertjan Verbeek galten. Es ist also ganz normal, dass die Spieler noch einige Automatismen lernen müssen.
Wie optimistisch sind Sie, dass die Mannschaft den Wunsch nach dem Aufstieg erfüllen kann?
Hochstätter: Ich zweifle nicht daran, weiß aber auch, dass das nicht einfach wird. Und natürlich weiß ich auch, dass man das Quäntchen Glück braucht – das muss man sich erarbeiten. Allerdings galt für mich immer, ob als Spieler oder Sportvorstand: Ich will gewinnen. Und ich möchte nicht die Zielvorgabe hören, Fünfter zu werden. Wenn das irgendwann der allgemeine Konsens sein sollte, dann bin ich nicht dabei.
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Demnächst findet die Jahreshauptversammlung statt. Da geht es vor allem um die Mitglieder-Entscheidung darüber, ob der VfL seine Profi-Abteilung ausgliedern darf. Wie groß ist der Druck, schon vorher erfolgreich zu sein?
Hochstätter: Verändert der Erfolg denn die grundsätzliche Überlegung, die dahinter steckt? Wir finden, dass die Ausgliederung notwendig ist, um den Verein auf die nächste Stufe zu bringen. Dass so etwas abhängig gemacht wird vom aktuellen sportlichen Erfolg oder Misserfolg, ist meiner Meinung nach falsch. Und wenn aus dem Mitgliederkreis die Aussage kommt: „Wir sind nicht erfolgreich, also gliedern wir nicht aus!“, dann muss jedem klar sein, dass die Aussicht auf weiteren Erfolg noch mehr schwindet. Eigentlich müsste dann eher gesagt werden, dass auf jeden Fall ausgegliedert werden soll. Nur, um das klarzustellen: Völlig unabhängig von der Versammlung am 7. Oktober wollen wir natürlich unsere Performance bringen und sportlich erfolgreich sein.