Hamburg. . Zweieinhalb Jahre hat der Torwart von St. Pauli nicht gespielt. Nun ist er beim Zweitligisten wieder gefragt – am Samstag gegen seinen Ex-Klub.

Scherzfrage: Welcher Torwart ist in Profimannschaften seit 31 Monaten ohne Gegentor? Es ist der Schlussmann des FC St. Pauli, Philipp Heerwagen, der am Samstag auf seinen Ex-Klub VfL Bochum trifft.

Heerwagen, beim Zweitligisten normalerweise nur die Zweitbesetzung für Robin Himmelmann, kam nach dessen Verletzung am vorletzten Freitag beim 0:0 gegen Kaiserslautern zu seinem ersten Profispiel seit zweieinhalb Jahren, wurde von den Fans mit Sprechchören gefeiert. Es folgte mit dem Tabellenletzten ein 2:0-Sieg in Fürth.

Und dennoch ist Heerwagen vor dem Duell mit den früheren Kollegen zurückhaltend: „Selbst das Schlusslicht kann an einem guten Tag gegen Bochum punkten.“ Er freut sich auf das Treffen mit alten Freunden: Andreas Pahl, dem Zeugwart beim VfL, Mannschaftsarzt Karlheinz Bauer, Physiotherapeut Frank Zöllner und aus dem Team Kapitän Patrick Fabian. Sie haben jüngst mal telefoniert wegen einer karitativen Aktion, die beide unterstützen.

Kein klassischer Profi

Der Torwart ist sozial sehr engagiert, arbeitet im Verein Viva con Agua mit, der sich für bessere Lebensbedingungen auf der Welt einsetzt, und war für ein Wasser- und Hygieneprojekt mehrmals in Äthiopien. Der Fußballspieler ist an vielen Themen interessiert, für seinen Trainer Ewald Lienen ist er „ein hochintelligenter Junge“. Thomas Ernst, ehemaliger Sportvorstand in Bochum, sieht in dem Torwart „nicht so den klassischen Profi. Er ist einer, mit dem man sich auch mal vernünftig unterhalten kann.“

Seine Vernunft hilft ihm, mit seiner schwierigen Rolle klarzukommen. Philipp Heerwagen, 33 Bundesligaspiele und 138 in der zweiten Liga, hat seit Mai 2010 für Bochum und St. Pauli gerade 15 Mal im Profiteam gespielt, nur viermal in den letzten vier Jahren. „Wahnsinnig bewundernswert“ findet das seine Schwester Bernadette Heerwagen, die Schauspielerin. Für die Grimme-Preisträgerin ist es eine Schreckensvision: „Ich stelle mir vor, ich käme täglich an den Set und wäre nur die zweite Besetzung.“ Ihrem Bruder attestiert sie daher „einiges an Charakter“. Eine Einschätzung, die viele teilen, auch Ewald Lienen: „Das schafft man nur, wenn man eine Persönlichkeit ist.“

Obwohl meist nur Ersatzmann, gehört Heerwagen dem Mannschaftsrat an, ist für Lienen „eine unserer Führungsfiguren“. Er habe „sich immer in die Mannschaft eingebracht“, sagt über ihn auch Philipp Lahm, mit dem Torwart 2001 A-Jugend-Meister mit Bayern München. Dann ging Heerwagen nach Unterhaching, 2007 nach Bochum in die Bundesliga und 2013 nach Hamburg. Auch mit bald 34 Jahren hat Philipp Heerwagen nie die Begeisterung für seinen Job verloren, genießt „diesen Trashtalk in der Kabine, dieses gemeinsame Verlieren, dieses gemeinsame Gewinnen, junge Spieler heranzuführen, sich mit allen Arten von Spielern auseinanderzusetzen“. Er wird als Bankdrücker zum Leitwolf. „Es geht nicht darum, wie oft man spielt“, sagt Trainer Lienen. „Spiel ist nur einmal am Wochenende, doch wir trainieren jeden Tag, manchmal zweimal. Da kommt es darauf an, welche Arbeitsatmosphäre man hat“.

Letztes Gegentor: 27. April 2014

Und für die tut Heerwagen einiges, freut sich, mindestens bis Samstag „selbst auf dem Platz Einfluss nehmen zu können“. Bis Himmelmann wieder fit ist, will Philipp Heerwagen seine Serie ausbauen. Das letzte Gegentor in der Liga kassierte er von Manuel Junglas für den VfR Aalen am 27. April 2014. Und vor dem nächsten Gegentreffer gibt’s für Trainer Lienen kaum ein Argument, den Routinier wieder aus dem Tor zu nehmen.