Bochum. Vor seiner Heimpremiere als VfL-Trainer spricht der Niederländer im Gespräch mit Radio Bochum über Ziele, Spielphilosophien und Motivation.
Sind Sie ein bisschen nervös vor Ihrer Heimpremiere in Bochum?
Verbeek: Noch nicht. (lacht)
Aber das kommt noch?
Verbeek: Ja, so eine Stunde vor dem Spiel, wenn die Jungs in der Kabine sind und sich umziehen, dann kann man nichts mehr machen. Da will man nur noch, dass dass Spiel anfängt.
Viele Fans haben gehofft, mit einem Sieg in Berlin vielleicht noch mal ein bisschen nach oben schauen zu können in der Tabelle. Wohin geht Ihr Blick nach der Niederlage?
Verbeek: Ich finde, man muss nie nach unten gucken, man muss nach oben sehen. Dieses Jahr ist es bisher schwierig mit verletzten Spielern. Das ist sehr schwierig für einen Klub wie den VfL Bochum. Der ist nicht in der Lage, mit viel Geld Spieler zu holen. Für müssen diese Saison mit dieser Mannschaft spielen. Aber ich habe Vertrauen, dass wir genug Punkte holen, um ein bisschen weiter oben zu stehen als jetzt.
Ihre Premiere als VfL-Trainer ging in Berlin daneben. Wie aggressiv machen Sie eigentlich solche Niederlagen? Sind Sie danach ungenießbar?
Gertjan Verbeek: Man muss solche Spiele heutzutage sehr schnell abhaken, weil man kurz darauf schon wieder die Pressekonferenz hat. Da muss man rational auf das Spiel zurückblicken, nicht mit zu viel Emotionen reagieren. Aber es dauert eine Weile, bis man so ein Spiel vergessen hat und zum nächsten Spiel übergehen kann. Wir haben unsere Fehler aber jetzt besprochen und jetzt ist es nur noch Eintracht Braunschweig, was zählt.
Ihre Verletztenliste ist derzeit ziemlich lang. Piotr Cwielong ist jetzt auch noch dazu gekommen. Wie sieht's mit Blick auf Freitag aus?
Verbeek: Erst hatten wir in der Abwehr große Probleme. Jan Gyamerah und Jan Simunek waren schon verletzt, Onur Bulut und Heiko Butscher sind dazu gekommen. Jetzt ist es vorne eng, Cwielong, Gregoritsch, Tasaka sind nicht dabei. Wir wollen hoffen, dass es besser wird. Bei Bulut und Butscher sieht's schon besser aus, da haben wir in der Defensive weniger Probleme, aber offensiv bleibt es so.
Für viele Ihrer Trainer-Kollegen ist die Effektivität ganz wichtig. Die sagen, auch ein dreckiges 1:0 ist ein Sieg, und sind zufrieden. Können Sie mit dieser Philosophie was anfangen?
Verbeek: Natürlich, das stimmt.
Also ein 1:0 gegen Braunschweig, und alles ist gut.
Verbeek: Vielleicht nicht alles. Ich habe schon die Philosophie, guten Fußball zu spielen. Wenn man das nicht tut, hat aber Glück und gewinnt, ist das kein Ausdruck von Stabilität. Das ist nichts, wo man sagen kann, wir sind auf einem guten Weg, das schaffen wir jedes Mal. Man muss gut Fußball spielen, um Punkte zu holen.
Sie sind ein Freund des Offensivfußballs. Wenn Ihrer Mannschaft das gelingt, also ein richtig schönes Spiel macht, können Sie sich als Trainer zurücklehnen und genießen? Haben Sie Spaß daran in den 90 Minuten?
Verbeek: Nicht in den 90 Minuten. Da ist man immer beschäftigt damit zu analysieren. Was läuft gut? Was weniger gut? Wie reagiert der Gegner? Da muss man immer reagieren, je nachdem, wie das Spiel läuft. Hinterher kann man sagen, okay, es war ein gutes Spiel. Das kann man hinterher genießen, aber während des Spiels - das geht geht nicht.
Wie wichtig sind die Fans für den Erfolg?
Verbeek: Ich war schon in Berlin verwundert, dass eine Mannschaft wie Union zu Hause und sehr defensiv spielt, und dann sind trotzdem 20.000 Leute da, die haben für eine tolle Atmosphäre gesorgt. Und bei uns das Spiel gegen Bayern München, da war es ausverkauft. Da sieht man, was man mit einer tollen Stimmung machen kann. Die Jungs haben sehr stark angefangen, wir haben geführt nach einer halben Stunde. Das gibt den Jungs Flügel, das ist wie ein zwölfter Mann, wenn die Stimmung gut ist.
Warum Verbeek auf Kabinenansprachen verzichtet
Wie vermitteln Sie Ihren Spielern, dass Sie selbsbewusst ins Spiel gehen, dass sie mental stark sind?
Verbeek: Durch Training. Man bekommt Selbstvertrauen, wenn man Erfolgserlebnisse hat. Und die kann man sich im Training holen. Man trainiert auf eine bestimmte Weise, mit einer eigenen Philosophie. Wenn man das gut macht, dann kommt Vertrauen in das eigene Spiel.
Wissen Sie jetzt schon, also ein paar Tage vor dem Spiel gegen Braunschweig, wie Sie kurz vor dem Anstoß mit der Mannschaft reden werden? Macht man sich da vorher Gedanken? Oder macht man das aus dem Bauch raus?
Verbeek: Ich rede vor dem Spiel gar nicht mehr mit der Mannschaft.
Also Mannschaftsbesprechung, und dann ist der Kontakt fast bei null?
Verbeek: Ja, das stimmt.
Das ist aber unüblich, oder?
Verbeek: Das weiß ich nicht. Die ganze Woche arbeite ich mit den Jungs für dieses Spiel. Ich bin jetzt schon fünf, sechs Wochen hier. Wenn ich dann fünf Minuten vor dem Spiel noch was sagen muss, habe ich meine Arbeit in den Wochen vorher nicht richtig gemacht.
Das heißt, die Jungs müssen wissen, was zu tun ist, da muss man nicht mehr drüber reden.
Verbeek: Wenn Sie morgens zur Arbeit gehen, wissen Sie doch auch, was Sie machen müssen.
In der Regel schon, ja.
Verbeek: Da muss Ihre Frau ja auch nicht sagen: "Komm, Junge, geh' mal. Gib Gas."
Lieber die Ruhe in der Blockhütte oder eine große Party?
Sie haben sich eine Blockhütte im Wald gebaut. Da haben wirklich alle drüber berichtet, es gab Fotos, es gab Videos. Können Sie sich erklären, warum das hier als so ungewöhnlich aufgenommen wurde?
Verbeek: Das müssen Sie nicht mich fragen, das müssen Sie sich selbst fragen.
Für Sie ist es das Normalste der Welt.
Verbeek: Ich hatte verschiedene Ambitionen früher, eine davon war, ein neues Haus zu bauen. Und ich liebe Holz, ich arbeite gerne mit Holz. Früher von den Western mit John Wayne kannte ich sowas. Ich bin auch oft zum Wintersport gewesen in Österreich und der Schweiz, da sind viele sehr schöne Häuser dieser Art. Und da habe ich mir gesagt, wenn du mal in der Lage bist, so ein Haus zu bauen, dann mache ich das.
Ist alles fertig in der Hütte?
Verbeek: Nicht alles. Aber fast.
Was wollen Sie dann da machen, auch komplett da wohnen?
Verbeek: Nein. Meine Wohnung im Norden von Holland habe ich noch. Ein Ferienhaus, das habe ich auch komplett renoviert, das ist meine eigentliche Wohnung. Die Hütte ist mehr zum Entspannen.
Das spricht dafür, dass Sie jemand sind, der gerne auch mal allein ist. Würden Sie eine einsame Insel immer lieber nehmen als eine große Party mit vielen Leuten.
Verbeek: Ja, das stimmt.
Auch nicht im Stadion?
Verbeek: Doch, im Stadion gefällt es mir auch. Aber privat gefällt es mir, allein zu sein, die Ruhe.
Sie selbst sind auch ein sehr vielseitiger Sportler, mögen zum Beispiel Boxen und Judo und haben da sogar einen schwarzen Gürtel. Woher kommt diese Leidenschaft?
Verbeek: Ich bin früher auf eine Sportschule gegangen und war da in der Lage, viele Sportarten zu machen, das hat mir gefallen. Ich bin eher ein Einzelsportler, ich kann sehr gut alleine trainieren, das macht mir Spaß.
Sie sind ein Typ, der durchaus auch mal aneckt, der seine Meinung sagt. Darf man Ihnen widersprechen, darf man anderer Meinung sein als Sie?
Verbeek: Ja, das darf man.
Und dann kommt man in eine richtig schöne Diskussion.
Verbeek: Nicht oft.
Weil Sie dann keine Lust mehr haben?
Verbeek: Jeder darf anderer Meinung sein. Wenn jemand gute Argumente hat, kann ich meine Meinung ändern. Aber wenn ich bei meiner Meinung bleibe, dann bleibe ich dabei, dann entsteht keine Diskussion.
Die Rivalität zwischen Deutschen und Holländern im Fußball - nehmen Sie das ernst?
Verbeek: In meiner Zeit war das richtig groß, 1974, 1978, diese Zeit. Heutzutage ist das viel weniger der Fall. In Holland hat man viel Respekt vor der Bundesliga, wie sich die Klubs, der deutsche Fußball gezeigt haben international. Das ist viel Respekt, das ist nicht mehr so feindlich wie in den 1970er Jahren. Wir können als Holländer auch noch lernen von den Deutschen.
Wie Reekers und van Dujnhoven den VfL schmackhaft machten
Was haben Ihnen eigentlich Ihre Landsleute, Rein van Duijnhoven, Rob Reekers, die ja eine Bochumer Vergangenheit haben, über Bochum, über den VfL und über das Rewirpower-Stadion erzählt?
Verbeek: Rein van Duijnhoven hat mir eine SMS geschickt. Wir haben kurz telefoniert. Er mir nur Gutes erzählt über Bochum, er war davon sehr angetan. Rob Reekers hat mir früher auch von seiner Zeit in Bochum erzählt und gesagt, wenn man die Chance hat, da zu werden, muss man das machen. Und jetzt war es so weit.
Also Bochum, cooler Klub, tolle Stadt, kannste machen?
Verbeek: Ein Superverein, ein Traditionsverein, gute Leute, tolle Infrastruktur. Schade, dass Bochum nicht in der ersten Liga spielt.
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Bei Ihrem Antritt in Bochum haben Sie gesagt, das mittelfristige Ziel ist der Aufstieg, es soll zurück in die Bundesliga gehen. Jetzt sagen viele Fans, dieser Verein ist fast pleite, kann sich keine großen Spieler leisten, muss vielleicht sogar welche abgeben. Ist der Aufstieg da mittelfristig überhaupt realistisch?
Verbeek: Man muss immer die Ambitionen haben, wenn man in der zweiten Liga spielt, dass man um den höchsten Platz mitspielen will. Da muss man nach streben. Wir müssen kreativ sein, um das zu bewerkstelligen. Wenn man dasselbe macht wie Leute mit viel Geld, verliert man. Wenn man aber was anders macht, kann vielleicht auch Leute schlagen, die viel Geld haben. Das ist die Herausforderung des Klubs. Sehen Sie den SC Paderborn, Braunschweig oder Fürth. Die sind in den letzten Jahren auch aufgestiegen, und es sind auch keine großen Vereine mit viel Geld. Aber die haben einen guten Scouting-Apparat, haben gute Spieler geholt, sind kreativ gewesen. In Bochum wird auch viel Wert auf die Jugend gesetzt. Da kannst du jeden Spieler zwischen 18 und 20 in die erste Mannschaft aufstellen.