Gelsenkirchen. Seit seinem ersten Arbeitstag als Schalker Cheftrainer wird Keller immer wieder öffentlich infrage gestellt. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Häufig verwies der Schwabe trotzig auf seine erfolgreiche Arbeit - inzwischen ist er nur noch genervt.

Jens Keller mag nicht mehr. Nein, Trainer des FC Schalke 04 bleiben will er schon. Aber er mag nicht mehr über sich sprechen. Auf Fragen, wie er mit den Extremen und den immer wiederkehrenden Diskussionen umgehe, ob er der Richtige für Schalke sei, reagiert der 43-Jährige zunehmend genervt. "Ich habe keine Lust mehr, über meine Person zu reden. Man hat jetzt 22 Monate über mich geredet. Es geht um die Mannschaft und den Verein und nicht um meine Person", betonte Keller vor dem Champions-League-Spiel gegen Maribor.

Seit dem jüngsten 2:1-Derbysieg gegen Dortmund am Samstag ist "Stehaufmännchen" Keller wieder ein Held. Nur eine Woche zuvor, als man beim mageren 2:2 gegen Frankfurt erneut den ersten Saisonsieg verpasst hatte, wünschten den Trainer nicht wenige Fans zum Teufel. Kein Wunder, dass Keller das ständige Auf und Ab zuwider ist. "Vor zwei Wochen war ich noch entlassen. Heute soll ich unkündbar sein. Das geht mir beides in zu extreme Richtungen."

Kritik an Arbeit und Ausstrahlung

Sogar das Zeitungsstudium hat Keller reduziert, sofern es um ihn geht: "Ich lese nicht mehr allzu viel. Da müsste ich ja den ganzen Tag lesen und könnte mich gar nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren." Und das ist für Keller die tägliche Arbeit mit der Mannschaft, das Training, die Spielvorbereitung.

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Seit der ehemalige U17-Coach von Manager Horst Heldt im Dezember 2012 zum Nachfolger des beliebten Schalker "Jahrhunderttrainers" Huub Stevens befördert wurde, hat er mit Vorbehalten zu kämpfen. Zuerst riefen fehlende Ergebnisse sowie mangelnde Ausstrahlung und Charisma die Kritiker auf den Plan. Dann wurde ihm zuweilen vorgeworfen, dass bei den Auftritten des luxuriös ausgestatteten Kaders keine "richtige Handschrift" des Trainers zu erkennen sei.

Schalke funktioniert am besten unter Druck

"Für welchen Fußball steht Schalke unter Keller?" - das fragten sich Medien, Fans und Fußball-Experten. Pressing und Gegenpressing à la Klopp? Ballbesitz und Spielkontrolle à la Guardiola? Die Antworten gaben die Königsblauen auf dem Platz immer dann, wenn der Druck am größten, die Lage am brenzligsten und Kellers Ablösung vermeintlich beschlossen war. Dann trumpfte das Team auf, bot Topleistungen, holte Überraschungserfolge, landete Befreiungsschläge - wie im März 2013 und auch jetzt im Revierderby. Und zum Saisonende erfüllten Team und Trainer stets die Club-Vorgaben, erreichten die angestrebten Ziele (Champions-League-Platz). Dies spricht nicht für ein zerrüttetes Verhältnis von Spielern und Trainer, dessen Vertrag bis 2015 läuft.

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Gute Leistungen wurden aber überwiegend der individuellen Klasse der Profis und nicht der akribischen Arbeit des Trainers zugeschrieben. Wenn es danebenging, war meist Keller der Schuldige - trotz der ihm zugebilligten mildernden Umstände wegen der Verletztenmisere. Dass Keller bejubelt und kurz darauf wieder infrage gestellt wird, hat der Club zumindest mitzuverantworten. Auch wenn die Situation nicht besser war, bevor Heldts vorsorgliche Kontaktaufnahme zum damaligen Mainzer Coach Thomas Tuchel durchsickerte.

Jens Keller hat andere Qualitäten

Im chronisch nervösen und emotionalen Umfeld auf Schalke ist alles ein wenig extremer. Und Keller verfügt sicher nicht über das Charisma von Bayerns Pep Guardiola oder die rhetorischen Fähigkeiten und das Showtalent von BVB-Coach Jürgen Klopp. Dafür sind Durchhaltevermögen und sein cooler Umgang mit der Dauerkritik mehr als bewundernswert. Nicht nur Clemens Tönnies nötigt das größten Respekt ab: "Je größer der Druck ist, desto ruhiger geht er damit um. Und das ist eine Riesenstärke von ihm." Daher sprach der Clubchef kürzlich im Sport1-"Doppelpass" ein Machtwort: "Wir diskutieren nicht über Jens Keller. Er ist unser Trainer und bleibt es auch. Fertig!" Ende offen. (dpa)