London. Vor dem Spiel zum Champions-League-Auftakt gegen Chelsea hätte kaum einer gedacht, dass die Schalker am Tag danach von einem tollen Tor und einer geschlossenen Mannschaftsleistung sprechen können. Auch Manager Horst Heldt war voll des Lobes nach dem Match in London für seine Königsblauen.
Wenn das Spiel an der Stamford Bridge abgepfiffen ist, dauert es nicht lange, bis die Männer mit dem Rasenmäher kommen. Zwei Klub-Angestellte fahren aufs Spielfeld hinaus und beginnen längs der Seitenlinie damit, akkurate Bahnen übers gepflegte englische Grün zu ziehen. Man kann das gut beobachten, weil die Gespräche mit den Spielern im Stadion des FC Chelsea direkt am Rand des Rasens stattfinden: Wenn zum Beispiel Klaas-Jan Huntelaar davon erzählt, wie er das Tor des FC Schalke 04 zum 1:1 im Spiel der Fußball-Champions-League bei dem Londoner Klub erzielt hat, fährt der Rasenmäher locker drei- bis viermal an ihm vorbei. In den meisten anderen Stadien finden diese Gespräche im Kabinengang statt, doch der ist an der Stamford Bridge tabu.
Dennoch erfuhr man an diesem Abend, was sich im Kabinentrakt ereignet hatte. Bereits zur Pause wollte Kevin-Prince Boateng ausgewechselt werden, weil er in der ersten Halbzeit einen heftigen Schlag auf den Knöchel bekommen hatte. Schalkes Mittelfeldspieler klagte über “unglaubliche Schmerzen”, doch sein Trainer Jens Keller mochte nicht auch noch auf den so wichtigen Anführer verzichten: “Da habe ich ihn angefleht, dass er weiter macht”, berichtete Keller später.
Trotz Schmerzen eine beachtliche Leistung
Boateng erfüllte ihm den Wunsch, biss sich mit den Schmerzen durch und legte bis zum Ende des Spiels eine Laufleistung von beachtlichen 11,3 Kilometern hin. Der in den vergangenen Wochen so viel gescholtene Deutsch-Ghanaer hatte “eine perfekte Sechs gespielt” (Keller) und “eine enorme Präsenz gezeigt” (Manager Horst Heldt). Und der Trainer leitete aus alledem die Wichtigkeit von Boateng für Schalkes Mannschaft ab: “Wenn er funktioniert, läuft es auch bei uns besser.”
Die Geschichte von Boateng beschreibt ein wenig, wie Schalke sich in London aus dem Sumpf zog, in dem man schon wieder unterzugehen drohte: Es ging nur über den Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Keller hatte der Mannschaft vor dem Spiel im Hotel ein Video gezeigt, wie die Triathleten sich bei ihrem härtesten Wettkampf, dem Iron Man auf Hawaii, gegen alle Widerstände behaupten. Es sei ganz gut gewesen zu sehen, was andere Sportler auf sich nehmen würden, um ihre Ziele zu erreichen, sagte Klaas-Jan Huntelaar später. Der Ersatz-Kapitän stellte aber auch klar, dass Keller damit nicht allein den Schlüssel zum Erfolg gefunden hatte: “Ich brauche kein Video, um motiviert zu sein.” Und Julian Draxler ergänzte: “Gegen Chelsea ist man ohnehin top motiviert.”
Schalke hat das Gladbach-Spiel aus dem Kopf bekommen
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Keller setzt vor besonders wichtigen Spielen gerne auf die Unterstützung von bewegten Bildern - die Mannschaft kennt das bereits: Bevor Schalke in diesem Mai in Freiburg die Weichen zum Einzug in die Champions League gestellt hatte, hatte er ihr sogar ein Video vorgeführt, das er ein Jahr zuvor schon einmal gezeigt hatte. Nun hatten sich vor dem Spiel bei Chelsea alle ihre Gedanken gemacht, wie man aus der misslichen Lage nach der vorangegangenen 1:4-Klatsche in Mönchengladbach herauskommen könnte.
Auch die Spieler setzten sich in ihrem Führungskreis zusammen, bestätigte Huntelaar. Wer letztlich die Fäden in der Hand hatte, wollte keiner preisgeben. Manager Horst Heldt lobte einfach alle: “Trainerteam und Mannschaft haben es geschafft, das Gladbach-Spiel in der Kürze der Zeit aus den Köpfen zu kriegen. Das war nicht einfach.” Und umso höher zu bewerten, da es auch in London durch das frühe 1:0 von Chelsea (Cesc Fabregas traf in der elften Minute nach vorangehendem Foulspiel) einen Rückschlag zu verarbeiten gab, ehe Huntelaar zum 1:1 ausglich (62.).
Schalke muss gegen Frankfurt nachlegen
Angesichts des geglückten Ausgangs befahl Heldt erst einmal Feierlaune: “Heute ist es wichtig, den Augenblick zu genießen.” Der Alltag kommt früh genug zurück, und zwar schon am Samstag mit dem Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt. “Entscheidend ist, dass wir dann nachlegen”, verlangt Keller: “Wir müssen jetzt auch mal eine gewisse Konstanz reinbringen.”
Ob Boateng dann auch helfen kann, muss man freilich abwarten: Nach dem Spiel in London humpelte er merklich angeschlagen in Richtung Bus. Vielleicht hätte er für das kurze Stück einfach den Rasenmäher nehmen sollen.
Schalke jubelt nach Huntelaar-Tor