London. In der Not hat Schalke die Kritiker überrascht, die vor dem Spiel nur über die Höhe der Niederlage sprachen. Das 1:1 beim FC Chelsea zum Start der Königsklasse hatte der verletzungsgeplagten Elf kaum jemand zugetraut. Trainer Keller war stolz auf sein Team, das nun auch in der Liga liefern muss.

War das die Trendwende? Julian Draxler richtete nach dem tollen Fight an der Stamford Bridge den Blick schnell wieder auf das Alltagsgeschäft. "Die Champions League ist ein eigener Wettbewerb. Wir müssen jetzt auch in der Bundesliga zeigen, dass wir uns verändern wollen", betonte der Fußball-Weltmeister nach dem bravourösen Schalker 1:1 beim englischen Tabellenführer FC Chelsea. "Das war ein guter Anfang. Jetzt müssen wir auch in der Liga solche Leistungen abrufen", ergänzte Draxler mit Blick auf das Heimspiel am Samstag gegen Eintracht Frankfurt.

Nach dem Stolperstart mit dem blamablen Pokal-Aus in Dresden und nur einem Punkt aus den ersten drei Bundesligaspielen hatten selbst größte Optimisten der Revierelf einen solchen Auftritt nicht zugetraut. Zumal auch die angespannte Personallage kaum Zuversicht zuließ.

Schalke rappelt sich nach frühem Rückstand wieder auf

Und das erwartete Unheil schien seinen Lauf zu nehmen, als Cesc Fàbregas den mit vier Siegen grandios in die Premier-League-Saison gestarteten Topfavoriten bereits in der 11. Minute in Front schoss. Doch nach dem Ausgleich von Klaas-Jan Huntelaar (62.) ballte der in der Kritik stehende Jens Keller an der Seitenlinie erleichtert die Faust. Und auch die mitgereisten Fans konnten ihr Glück kaum fassen. "Ich glaube, man hat den Teamspirit auf der Tribüne gespürt. Die Anfangsphase war schwierig. Aber dann haben wir gemerkt, dass etwas geht", befand Torhüter Ralf Fährmann.

"Wahnsinnig stolz" war auch der Trainer. "Das war schon sehr beeindruckend, wie die Mannschaft, bei all den Problemen, die wir hatten, unseren Plan 90 Minuten lang umgesetzt, gefightet und gespielt hat", lobte Keller. Gleich neun gestandene Profis hatte er gegen das Londoner Starensemble nicht zur Verfügung. Einen Tag vor der Partie auch noch Kapitän Benedikt Höwedes (Sehnenanriss am Hüftbeugemuskel) "weggebrochen", wie es Draxler formulierte.

Keller flehte Boateng an durchzuhalten 

Mangels Alternatiiven musste Roman Neustädter als Innenverteidiger ran. Eine Position, die der "Sechser" zuletzt vor Jahren unter Trainer Jürgen Klopp in Mainz geübt hatte, wie er später einräumte. "Ich habe damals zwar nicht gespielt, aber ein Jahr lang als Innenverteidiger trainiert." Keller habe ihm "nur kurz gesagt, dass ich hinten spiele, das war's", berichtete Neustädter, der wie alle über sich hinauswuchs: "Ich hab die Position angenommen, und wir haben einen guten Mannschaftsgeist gezeigt. Das zählt."

Als Symbolfigur für den tollen Fight taugt auch Kevin-Prince Boateng. Der von einer Sprunggelenksblessur geplagte Ghanaer verzog schon nach wenige Minuten vor Schmerzen das Gesicht, schmiss sich aber bis zum Ende in jeden Ball und erfüllte endlich jene Leader-Rolle, die er gern für sich in Anspruch nimmt. "In der Halbzeit sah es so aus, als müsste er ausgewechselt werden. Er hatte unglaubliche Schmerzen", berichtete Keller. "Aber ich habe ihn angefleht, dass er durchhält."

Für Chelsea-Trainer Mourinho ein "frustrierendes" Ergebnis

Selbst Startrainer José Mourinho, der mit Chelsea zu den Favoriten des Wettbewerbs gehört und Topspieler wie André Schürrle (nicht im Kader), Oscar und den angeschlagenen Diego Costa zunächst schonte, war angetan vom Schalker Auftritt. "Das ist Fußball, das ist Champions League. Sie haben gefightet und hatten einen sehr guten Keeper. Für Schalke war es ein guter Punkt, für uns ein nicht so toller. Aber immerhin ein Punkt", analysierte Mourinho fair. Gleichwohl war das Ergebnis für ihn "frustrierend".

Schalke in der Einzelkritik gegen Chelsea

Ralf Fährmann

Er wackelte nur einmal, als er eine Flanke vor die Füße von Loic Remy abwehrte (76.). Kurze Zeit später ...

Note: 2,5

... rettete der Torwart das 1:1 mit einer grandiosen Parade nach einem Schuss von Cesc Fabregas.

Marco Höger

Der Immer-mal-wieder-Rechtsverteidiger hatte im Dribbling gegen Eden Hazard keine Chance und ...

Note: 4

... wusste in der Anfangsphase nicht, wo rechts und links ist. Erst in der zweiten Hälfte spielte er besser.

Kaan Ayhan

Der Innenverteidiger hielt sich im Dunstkreis von Didier Drogba und später Diego Costa auf – und wirkte fast schon schmächtig gegen die bulligen Stürmer des FC Chelsea. Kluges ...

Note: 2,5

... Stellungsspiel, präzise im Spielaufbau – eine ordentliche Leistung.

Roman Neustädter

Mit einer großartigen Kopfball-Abwehr auf der Torlinie nach einem Schuss von Loic Remy bewahrte der Aushilfs-Innenverteidiger sein Team vor einer Niederlage (76.). Er überzeugte ...

Note: 2,5

... auf der für ihn ungewohnten Position. Ihm unterlief nur ein (!) Fehlpass.

Christian Fuchs

Der Österreicher stand zum ersten Mal auf seiner Lieblingsposition in der Startelf seit Dezember 2013. Er leistete sich einige Ungenauigkeiten im Spiel nach vorn. Zudem stand er kurz nach der Pause ab ...

Note: 3,5

... und zu falsch, wenn Willian den Ball bekam.

Dennis Aogo

Er begann auf der Sechs – dort ließ Trainer Jens Keller ihn in der Vorbereitung ständig trainieren. Ihm unterliefen keine gravierenden Fehler wie noch Roman Neustädter und Marco Höger ...

Note: 3

... in Mönchengladbach. Er beschränkte sich auf die Defensivarbeit und rückte kaum einmal über die Mittellinie auf.

Kevin-Prince Boateng

Für ein taktisches Foul holte er sich diesmal eine Gelbe Karte ab (26.) – die Kritik nach dem Bundesliga-Spiel in Hannover hat wohl gefruchtet. Der Sechser zeigte sich stark verbessert, lief 11,3 Kilometer, obwohl ...

Note: 3

... er sich humpelnd durchs Spiel quälte, hatte die meisten Ballkontakte seines Teams. Und er prüfte Chelseas Torwart Thibaut Courtois mit einem kernigen 24-Meter-Schuss (39.).

Sidney Sam

Er war zu Beginn der munterste Offensivspieler, brachte den Mut auf, als erster Schalker ...

Note: 3,5

... aufs Tor zu schießen (7./20.).Er war präsent, bot sich oft an, baute aber in der zweiten Hälfte ab.

Max Meyer

Vor dem 0:1 (11.) verlor er im Spielaufbau den Ball, wurde aber von Torschütze Fabregas klar gefoult. Das sah Schiedsrichter Bebek anders. Am Tag vor dem Spiel sah sich der grippegeschwächte ...

Note: 4

... Spielmacher bei 80 Prozent – und das war auch zu sehen. Er kam nie richtig ins Spiel.

Julian Draxler (bis 86.)

44 Minuten unauffällig, dann zeigte er sein Champions-League-Gesicht. Er trat zu zwei unwiderstehlichen Solos an, und zeigte mehrfach, wie toll er mit dem Ball umgehen kann. Vor der Pause schoss ...

Note: 2

... er noch knapp vorbei (45.), nach dem Wechsel legte er Huntelaar das 1:1 auf (63.).

Klaas-Jan Huntelaar

Vor seinem sehenswerten Tor zum 1:1 (63.) holte er sich ...

Note: 2,5

... selbst den Ball im Mittelfeld.

Eric Maxim Choupo-Moting (ab 74.): ohne Note

Er kam für Max Meyer.

Tranquillo Barnetta (ab 78.): ohne Note

Er kam für Sidney Sam.

Chinedu Obasi (ab 86.): ohne Note

Er kam für Julian Draxler.

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Rundum zufrieden war Horst Heldt. Es sei darum gegangen, "nicht den Kopf zu verlieren und die schwierige Situation anzunehmen". Das hätten Trainer und Team "grandios" hinbekommen. Nun müsse das gewonnene Selbstvertrauen auch in der Liga sichtbar werden. "Jeder erwartet, dass wir gegen Frankfurt auf der Leistung aufbauen." (dpa)