Essen. Auf Schalke nichts Neues: Solange der im Winter schon als Nachfolger von Jens Keller auserkorene Thomas Tuchel zu haben ist, löst jeder Rückschlag der Königsblauen eine Trainerdiskussion aus – ob der Vorstand das wahrhaben will oder nicht. Ein Kommentar.

Schalke 04 gleich nach dem ersten Spieltag vor Borussia Dortmund – damit dürften die wenigsten gerechnet haben. Aber im Ernst: Es ist müßig, darüber nachzudenken, welcher der beiden Revier-Riesen nach dem Saisonstart mehr enttäuscht ist. Mit Schockstarre wären die Folgen der Niederlagen übertrieben beschrieben, Verunsicherung dürfte es eher treffen. Wobei es einen entscheidenden Unterschied gibt: In Dortmund ist der Trainer kein Thema.

In 20 Monaten als Schalke-Trainer wurde Keller beinahe durchgehend in Frage gestellt

S04-Manager Horst Heldt mag auf Fragen nach Jens Keller noch so unwirsch reagieren und noch so beharrlich versichern, dass es auf Schalke keine Trainer-Diskussion gibt – die Wahrnehmung der Fußball-Öffentlichkeit ist eine andere. Was auch, aber eben nicht nur mit den oft zu Recht gescholtenen Medien zu tun hat. Wer sich nach dem Happy End der vergangenen Spielzeit mit dem letztlich noch souverän erreichten dritten Platz im königsblauen Umfeld umhörte, konnte jedenfalls ahnen: Den Bonus, den sich Keller erarbeitet zu haben glaubte, wird er wohl erst bekommen, wenn er – höchst unrealistisch – einen Titel geholt hat.

Das klingt nicht nur brutal, es ist brutal. Und nicht nur aus Sicht des Trainers ungerecht, der auf Schalke unter schwierigen Bedingungen – viele Verletzte, ständiger Gegenwind – ein bewundernswertes Stehvermögen bewiesen hat. Ob es an seiner geringen Bandbreite an Emotionen oder an vermuteten Defiziten im Umgang mit exzentrischen Stars wie Kevin-Prince Boateng liegt – die Schalker Fans sind in der Frage, ob ihr Coach das entscheidende, für einen großen Wurf reichende Quäntchen aus der Mannschaft herausholen kann, mindestens gespalten. Mit der Folge, dass Keller während seiner bisher 20 Monate als Cheftrainer beinahe durchgehend in Frage gestellt wurde, egal was die Vereinsführung sagte.

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Eine Reaktion, die freilich auch dem Umstand geschuldet ist, dass sich der Klub in der Winterpause, als die starke Rückrunde nicht absehbar war, schon auf den Keller-Nachfolger festgelegt hatte. Sicher, die Sondierung des Trainermarktes zu diesem Zeitpunkt war eine Pflichtaufgabe des Vorstandes. Weil ihr Ergebnis jedoch nicht geheim gehalten werden konnte, war klar, dass fortan hinter Kellers Rücken bei jedem noch so kleinen Rückschlag getu(s)chelt werden würde.

Den Ausweg verspricht allein dauerhafter Erfolg

Eine auf Dauer untragbare, weil die sportliche Leistung beeinflussende Situation. Schlimmer noch: Den Ausweg daraus verspricht allein dauerhafter Erfolg; ein andernfalls wohl unvermeidlicher Trainerwechsel verheißt aber nicht zwangsläufig Besserung. Thomas Tuchel wird inzwischen in manchen Fan- und Medienkreisen schon wieder derart überhöht, dass ihn die Ansprüche erdrücken könnten. Auf Schalke nichts Neues – für jeden Trainer.