Gelsenkirchen. . Wilhelm Plenkers sorgt auf Schalke seit 1981 für „Attacke“ und hat sogar eigene Autogrammkarten. Sein Motto, wenn sowohl den 60.000 auf den Rängen der Veltins-Arena, als auch den S04-Profis auf dem Rasen eingeheizt werden soll: „Hauptsache laut!“

Marco van Hoogdalem staunt beim Heimspiel nicht schlecht, als er Wilhelm Plenkers alias Trompeten-Willy vor der Arena wiedertrifft. Ein Schalke-Fan bittet um eine Autogrammkarte. Nichts Ungewöhnliches für einen verdienten ehemaligen Spieler wie van Hoogdalem. Doch der Fan verneint, wird jetzt konkret: vom Trompeten-Willy will er eine haben.

Willy lacht, greift in die Innentasche seiner Kutte und erfüllt den Wunsch mit Widmung und dem größten Vergnügen. „Dem Marco habe ich zum Andenken auch noch eine Karte mit nach Holland gegeben“, sagt der 53-Jährige und lacht.

Trompeten-Willy – das ist 45 Jahre lautstarke Liebe zum FC Schalke 04. Wenn Willy auf Schalke zur Attacke bläst, dann ist Attacke auf Schalke. Das Prinzip ist simpel: Willy bläst zwei Töne in sein Instrument und über 60.000 Menschen wissen, was jetzt zu tun ist. Eine Hand in die Luft und dann wird aus voller Kehle und Überzeugung gebrüllt: „Attaaaacke!“ Nein, musikalischer Hochgenuss ist das wahrlich nicht. Soll es auch gar nicht sein. Willys Motto: „Hauptsache laut!“

Im Zeltlager wird Willy ein Schalker

Mit der hiesigen Jugendfeuerwehr Meerbusch Lank-Latum geht es 1969 ins Zeltlager an die See, als Achtjähriger teilt sich Willy mit vier älteren Jungs ein Zelt: ein Düsseldorfer, ein Gladbacher, ein Uerdinger, ein Schalker. „Ich dachte damals noch, dass ein Eckball eckig ist“, verrät er. Die drei Rheinländer machen gemeinsame Sache und nähen den Schalker samt Meeres-Tieren und rot-weißer Zahnpasta in seinen Schlafsack ein – der Moment, als Willy ein Schalker wird.

„Ich mochte schon damals keine Ungerechtigkeiten“, sagt er. „Nachdem ich den Schalker befreit habe, haben wir die Klamotten der Fieslinge zusammengeknotet und auf den Bäumen verteilt.“ Die Konsequenz: Zwei Wochen Ordnungsdienst. Es ist Willys erste und letzte Fahrt mit der Jugendfeuerwehr.

Was bleibt, ist der Schalke-Virus. Willys Mutter ist davon nur mäßig begeistert, sie erteilt ihrem Sohn Schalke-Verbot. Ihr Vorurteil: Alles Verbrecher und Schläger. Doch Willy will es trotzdem wissen.

Unvergessen: seine erste Auswärtsfahrt 1976. Willy ist 15 Jahre alt und liest in der Zeitung, dass Schalke am Nachmittag in Bochum spielt. Ab aufs Mofa und los. Am Ortseingangsschild wird er stutzig. Keine Menschenseele weit und breit. Kein blau-weißer Schal ist zu sehen. Ein Missverständnis: Willy ist nach Bockum gefahren, ein Stadtteil von Krefeld. In der Kneipe lässt sich der Arme von drei Einheimischen den kleinen aber feinen Unterschied zwischen Bockum und Bochum erklären. „Dumm gelaufen“, meint Willy 45 Jahre später.

Am Tag nach seinem 18. Geburtstag, die Mutter hat jetzt nichts mehr zu sagen, schlägt Willy dann den richtigen Weg ein und landet tatsächlich in Gelsenkirchen. Dem bitteren 1:3 gegen den Hamburger SV folgt die satte Fan-Party. „Das erste Mal habe ich gespürt, wie geil es wirklich ist, ein Schalker zu sein“, erklärt Willy. Fortan geht es zu jedem Heimspiel und zu den meisten Auswärtsspielen.

Seit 1981 in ständiger Begleitung

Und das seit 1981 nur noch in Begleitung seiner Trompete. Die Attacke wird in Osnabrück geboren. In der Fan-Kneipe des VfL Osnabrück an der Bremer Brücke bläst Willy nach einigen frisch Gezapften zum ersten Mal das frei komponierte Angriffssignal. „Wir hatten vorher ein anderes, aber im besoffenen Kopp kannst du das nicht mehr spielen. Also musste was kurzes Knackiges her“, erinnert sich Willy. Der Plan geht auf: Erst brüllen Willys Freunde die Attacke, später schließt sich bekanntlich ganz Schalke an.

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Fünf Meter neben „Catweazle“, dem Trommler, hat Willy im Parkstadion seinen Stammplatz. Hinter dem Tor mittendrin in Block 5. Wenn das die Mama wüsste. Willys Attacke wird oft kopiert, doch der richtige Schalker hört das Original sofort raus. Bei Wind und Wetter ist Willy da. Wenn die Mannschaft ihn braucht, greift er zur Trompete: gegen Bremen, gegen Blau Weiß 90 Berlin, gegen Brügge sowieso.

Nur während der Zeit der Dachdecker-Meisterschule muss er passen. Bis Manager Rudi Assauer Anfang der Neunziger zum Hörer greift und Willy erst an einen bösen Scherz glaubt. Rudi kontert: „Hier ist Assauer. Wenn du noch einmal auflegst, kommst du nicht mehr ins Stadion! Kommst du mit deiner Trompete, Willy?“ Willy kommt.

Ein Freitagabendspiel, Schalke steht auf einem Abstiegsplatz. „Seit diesem Tag bin ich der offizielle Trompeter von Schalke 04. Der einzige“, stellt Willy klar. Assauer ist es auch, der 300 Mark für die neue Trompete auf den Tisch legt, als die alte es nicht mehr tut und Willy mit Eintrittskarten versorgt. „Heute zahle ich meine Karten selbst“, erzählt der Gelsenkirchener.

Schalke ist nicht mehr gleich Schalke

Im Block N3, direkt über dem Eingang hat Willy in der Arena seinen Platz. Ja, dazu steht er: „Das Parkstadion hat mir besser gefallen.“ Aktuell bläst er nur noch zwei bis drei Mal pro Halbzeit zur Attacke. Und längst nicht mehr macht jeder mit. „In den Zeiten von Event-Arenen ist das nicht mehr so erwünscht. Schalke heute ist nicht mehr das Schalke von früher“, sagt der Trompeter.

Willy wird für Fanpartys gebucht, er spielt auf Hochzeiten, sogar auf Beerdigungen. Seine Autogrammkarten sind bei den Fans nach wie vor begehrt. Über 12 000 hat Willy verteilt. Auch Raúl hat zu seinem Abschied eine bekommen. Mit Widmung: Attacke, Gruß Willy!