Gelsenkirchen. . Schalkes doppelter Kopfball-Torschütze Kevin-Prince Boateng wollte sich nach dem 3:1-Sieg gegen Werder Bremen nicht als Mann des Tages feiern lassen. Lieber lobte er die gesamte Mannschaft für ihre Moral nach dem 0:1-Rückstand. Jetzt fliegt er zur ghanaischen Nationalmannschaft.
Am Dienstag wird Kevin-Prince Boateng nach Istanbul fliegen. Dort versammelt sich die Nationalmannschaft Ghanas, um sich auf das Play-off-Rückspiel in der WM-Qualifikation am 19. November in Ägypten vorzubereiten. Ghana hat im Hinspiel ein 6:1 vorgelegt, die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien ist dadurch auch für Boateng ein Ziel mit Konturen. „Wir fliegen am Tag vor dem Spiel nach Kairo, holen die drei Punkte und fliegen dann wieder ab“, sagt der 26-Jährige. „Wenn wir uns da nicht qualifizieren, brauchen wir gar nicht nach Ghana zurückzukehren.“
Wenn sich Selbstbewusstsein messen ließe, müsste die höchste Maßeinheit Boateng genannt werden. Der in Mailand zum Führungsspieler gereifte gebürtige Berliner hat am Samstag auf eindrucksvolle Weise den 3:1-Sieg für den FC Schalke 04 sichergestellt.
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Werder Bremen führte seit der 22. Minute mit 1:0, weil Felix Kroos einen grob fahrlässigen Ballverlust von Roman Neustädter verwertet hatte. Leichtfertig ließ Schalke zudem in der ersten Hälfte mehrere gute Chancen aus. Also war ein Mann gefragt, der auf seine ganz spezielle Weise andere Lösungen findet: Wuchtig und entschlossen warf sich Kevin-Prince Boateng in gefühlvoll geschlagene Flanken von Julian Draxler (64.) und Christian Fuchs (85.) und drehte das Spiel mit zwei unnachahmlichen Kopfbällen. Er stand dabei in der Luft, steuerte die Kugel genau und hielt sich auch noch geschickt seinen Gegenspieler, den ehemaligen Schalker Lukas Schmitz, vom athletischen Leib.
Das 3:1 in der Nachspielzeit durch den eingewechselten Rückkehrer Jefferson Farfan war eine willkommene Zugabe – dass die Schalker weiterhin auf den begehrten vierten Platz schielen dürfen, haben sie auch ihrer Moral, vorrangig aber der Willenskraft und der Effizienz von Boateng zu verdanken. „Das wird hier doch von mir erwartet, glaube ich“, sagte er später lächelnd. Als Mann des Tages wollte er sich dennoch nicht feiern lassen, Teamgeist ist ihm wirklich wichtig: „Bei so überragenden Flanken muss man ja nur noch den Kopf hinhalten. Dass wir dieses Spiel noch gedreht haben, ist überragend.“
Eine Alternative für Schalkes Sturmmitte
Die Aussichten waren zwischenzeitlich alles andere als rosig. Schalke tat sich schwer und ließ Kaltschnäuzigkeit gegen diesen zwar unbequemen, aber doch limitierten Gegner komplett vermissen. Auch Boateng war nur mäßig ins Spiel gekommen. Mit dem Hintergrundwissen, dass er wegen seines gereizten linken Knies seit Wochen mehr Zeit zur Behandlung in München als beim Training auf Schalke verbracht hatte, ließ sich bereits der Eindruck gewinnen, dass sich hier ein arg angeschlagener Spieler lediglich zusammenreißt und durchschleppt. Und eine geplante Reise zum Länderspiel nach Kairo musste zwangsläufig als unvernünftig beurteilt werden.
Es hätte sich wohl niemand gewundert, wenn Kevin-Prince Boateng ausgewechselt worden wäre, doch Jens Keller vertraute ihm weiterhin. „Weil ich wusste, dass er noch zwei Tore macht“, scherzte der Trainer und erklärte dann: „Kevin hat mir angezeigt, dass es noch geht, und bei Adam Szalai lief es nicht so richtig.“ Also beorderte er Boateng in der Schlussphase sogar in die Sturmspitze – eine durchaus attraktive Alternative für die kommenden Wochen, in denen Klaas-Jan Huntelaar noch fehlen und Jefferson Farfan wieder voll zur Verfügung stehen wird.
Ein Physiotherapeut fliegt mit
So weit denkt Boateng noch gar nicht voraus. „Ich bin einfach froh, dass ich von der Luft her 90 Minuten geschafft habe“, sagte er. In die Türkei und nach Ägypten lässt er sich von einem Physiotherapeuten seines Vertrauens begleiten, um den körperlichen Stress zu mindern. Um das mentale Befinden dieses Mannes muss sich ohnehin niemand Gedanken machen. „Ich fühle mich sehr, sehr gut“, sagte er, nachdem ihm erstmals in seiner Karriere zwei Kopfballtreffer in einem Spiel gelungen waren.
Wo stünde Schalke 04 wohl ohne seinen Power-Profi?