Gelsenkirchen. Das torreiche 3:3 zum Auftakt gegen den Hamburger SV war nur nach dem Geschmack des neutralen Besuchers. Manager Horst Heldt bemängelt das pomadige Auftreten der Mannschaft in der ersten Halbzeit. Aber Pechvogel Joel Matip nimmt er ausdrücklich in Schutz.

Nach dem mühsamen Pokalsieg beim Oberligisten Nöttingen sprach Schalke-Trainer Jens Keller von „einem Schuss vor den Bug, mit dem richtigen Ergebnis“. Nun, zum Saisonauftakt gegen den Hamburger SV, hat der königsblaue Rumpf ein paar Haarrisse gezeigt, und es ist auch ein bisschen Wasser in den Maschinenraum eingetreten. Nichts, was man nicht auf der langen Fahrt über den Bundesliga-Atlantik noch beheben könnte, aber ein paar Alarmsignale wurden beim 3:3 gegen überraschend starke Hanseaten schon ausgelöst.

Es war, wie es immer ist: Wenn es um Punkte geht, wird die vermeintlich leichte Beute aus den Testspielen plötzlich zu einem ernsthaften Widersacher. Horst Heldt lässt sich jedenfalls nicht mehr blenden. „Damit ist einmal mehr bewiesen, dass die Vorbereitungs-Ergebnisse alles Mumpitz sind“, meinte der Schalke-Manager desillusioniert. Denn die Voraussetzungen für einen HSV-Zusammenbruch waren eigentlich schon nach 80 Sekunden gegeben, als Klaas-Jan Huntelaar mit einem Draxler-Pass auf und davon marschierte und in die Ecke vollendete, die ihm der völlig indisponierte HSV-Keeper René Adler angeboten hatte. Das 1:0 hätte der Dosenöffner für die Partie sein können, wurde es aber nicht, „weil wir viel zu langsam und pomadig von hinten herausgespielt haben“, lautete Heldts Zwischenfazit nach der ersten Halbzeit.

Draxler sagt Länderspielreise ab

Dass kurz nach der Führung Julian Draxler übel von Tolgay Arslan mit einem Tritt gegen die Achillessehne außer Gefecht gesetzt wurde und nach ein paar Humpel-Minuten letztlich aufgab, wollte der Manager nicht als Begründung für den weiteren Verlauf heranziehen: „Das wäre mir zu einfach.“ Der Nationalspieler musste seine Länderspielreise absagen, und Horst Heldt ist sich nicht sicher, ob es schon für das kommende Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg reicht: „Meist verdickt sich so eine Prellung hinterher, das könnte länger dauern.“

Nein, es waren vielmehr die vielen Fehler im königsblauen Maschinenraum, die Schalke vom Kurs brachten. Besonders Joel Matip spielte der Abend böse mit. In den Vorbereitungswochen hatte er mit Benedikt Höwedes die Seiten in der Innenverteidigung gewechselt. „Weil Joel dann mit seinen Tempogegenstößen nach vorne den Ball gleich auf dem rechten Fuß hat“, so Heldt zu der Idee. Nach den ersten 90 Ligaminuten muss konstatiert werden: Wäre er mal besser auf links geblieben, dann hätte er sich nicht an zwei entscheidenden Aktionen beteiligen können. Bei der Flanke von Marcell Jansen ruderte Matip mit den Armen und verschuldete den Hand-Elfmeter, den Rafael van der Vaart sicher zum 1:1 verwandelte. Und beim Kopfball von Lasse Sobiech zum zwischenzeitlichen 3:2 der Hanseaten stieg der Deutsch-Kameruner nicht richtig hoch im Zweikampf. „Das darf ihn nicht umwerfen, da muss er durch, das gehört zu seiner Weiterentwicklung dazu“, resümierte der Manager. Dass auch Timo Hildebrand beim dritten Hamburger Treffer im kurzen Eck wie ein Leichtmatrose agierte, ließ Horst Heldt unerwähnt.

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Da bewegte sich Timo Hildebrand aber auch auf Augenhöhe mit Kollege René Adler, der beim 3:3 durch Ádám Szalai die Kugel nach einem Clemens-Schuss von der Brust ins Feld prallen ließ. Während Neuzugang Szalai nach seiner Einwechselung noch wenigstens den einen Punkt rettete, trägt das Bundesliga-Debüt des für Draxler ins Spiel gekommenen Leon Goretzka eher das Prädikat unauffällig. Doch auch hier ist der Manager milde gestimmt: „Leon muss plötzlich rein, in seinem ersten Bundesligaspiel, das war nicht einfach. Aber mit ihm und Christian Clemens bin ich sehr zufrieden, beide haben ihre Klasse und werden sich weiter steigern.“

Steigerungsfähig ist auch der ganze Abwehrverband, drei Gegentore zu Hause waren nicht nach dem Geschmack von Trainer Jens Keller. Befragt, ob der eingeführte Strafenkatalog für Gegentore nach Standards etwas bewirkt habe, meinte er ernüchtert: „Wenn man nach heute geht, können wir uns diese Regelung eigentlich sparen.“