Rheda-Wiedenbrück. . Schalkes Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies spricht im Interview über den Weg zur erwünschten Stabilität, die Lehren aus schlechten Erfahrungen und das Derby gegen Borussia Dortmund. Und er lobt Manager Horst Heldt in höchsten Tönen.

In der Zentrale des Fleischunternehmens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück werden Gäste am Empfang mit Besucherkärtchen ausgestattet – erstaunlicherweise sind es gelbe mit schwarzem Aufdruck. „Ich habe deshalb schon eine Menge Beschwerden entgegengenommen“, sagt Firmenchef Clemens Tönnies lachend, „ich finde das witzig.“ Der Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04 ist vor dem Revierderby am Samstag gegen Borussia Dortmund (15.30 Uhr, live in unserem Ticker) auffallend gut gelaunt.

Sie sind seit zwei Wochen wieder aus einem längeren Urlaub zurück, seitdem hat Schalke zweimal gewonnen. Können Sie den Klub eigentlich gar nicht allein lassen?

Clemens Tönnies: Ich habe im Urlaub genug gelitten. Aber jetzt präsentiert sich die Mannschaft ja besser.

Hatten Sie während des Urlaubs in Australien und Neuseeland ständig Kontakt zu Manager Horst Heldt?

Tönnies: Nein, wir haben ein paar Mal telefoniert, das ist aber normal.

Gab es zwischendurch die Befürchtung, noch einmal den Trainer wechseln zu müssen?

Tönnies: Nein, das stand überhaupt nicht zur Debatte. Wir haben ganz klar gesagt, dass wir mit Jens Keller die Saison zu Ende bringen.

Hatten Sie, als es nicht lief, die Sorge, dass auch Manager Horst Heldt beschädigt werden könnte, der sich ja für die Beförderung von Jens Keller stark gemacht hatte?

Tönnies: Horst Heldt kann man bei mir nicht beschädigen. Er hat bewiesen, dass er die richtigen Vorschläge macht, die richtigen Entscheidungen trifft und einer Strategie folgt. Ich freue mich auch darüber, dass sich die Entscheidung für Jens Keller als richtig erweist. Diesem Trainer muss man es hoch anrechnen, wie er die Dinge in einer schwierigen Phase angepackt hat.

Im vergangenen Jahr haben Sie gesagt, Horst Heldt brauche keinen befristeten Vertrag auf Schalke.

Tönnies: Und dieses Vertrauen gilt immer noch, und zwar in vollem Umfang.

Haben Sie mittlerweile Erklärungen dafür, warum die Mannschaft nach dem ersten Saisondrittel so dramatisch eingebrochen ist?

Tönnies: Wir haben intern alles sauber analysiert und gegengesteuert. Michel Bastos zum Beispiel hat uns enorm verstärkt. Und in der Abwehr werden wir uns weiter stabilisieren, wenn Kyriakos Papadopoulos zurückkommt. Ich habe auch große Freude daran, wie sich der junge Sead Kolasinac entwickelt.

Ist die Mannschaft denn schon reif für das Derby gegen Dortmund?

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Tönnies: Wir haben seit einigen Wochen wieder ein Gefüge in der Mannschaft. Sie erkennen das daran, wie sie arbeitet und wie die Spieler miteinander umgehen. Natürlich können wir das Derby gewinnen, wir müssen diesen Gegner aber sehr ernst nehmen: Es ist der amtierende Meister. Zusätzliches Adrenalin braucht aber keiner unserer Jungs, wenn es gegen Dortmund geht.

Borussia Dortmund ist Schalke 04 in den vergangenen Jahren enteilt. Warum tut sich Schalke so schwer, solch eine Stabilität zu finden?

Tönnies: Wir sind durch die plötzliche Erkrankung von Ralf Rangnick zwangsläufig von unserem ursprünglich eingeschlagenen Weg abgekommen. Wir haben zunächst eine hervorragende Lösung mit Huub Stevens gefunden. Dann war seine Zeit zu Ende, jetzt müssen wir uns neu ausrichten. Wir sind aber wieder auf dem richtigen Weg. Grundsätzlich will ich mir aber gar keine Gedanken darüber machen, wie weit der Abstand zwischen den beiden Revierklubs ist. Es war immer mal der eine und mal der andere vorne. Als wir jahrelang einen Vorsprung hatten, habe ich das auch nicht herumposaunt. Welches Problem haben wir eigentlich? Meister können wir in den nächsten zwei, drei Jahren nicht werden, das können wir uns angesichts der Investitionen von Bayern München abschminken. Unser Fußball soll Spaß machen, und wir wollen uns konsolidieren.

Sie haben aber vor nicht langer Zeit gesagt, dass Sie eines Tages die Schale zum Grab Ihres Bruders Bernd bringen wollen, der Ihnen die Schalke-Führung als Vermächtnis anvertraut hatte.

Tönnies: Ich will doch hoffen, dass ich noch ein paar Jahre leben darf... Klar ist: Die Chance, irgendwann Meister zu werden, haben wir nur, wenn wir Folgendes aus den Köpfen heraus bekommen: Immer, wenn wir kurz davor standen, waren wir blockiert. Man muss aus seinen schlechten Erfahrungen lernen.

Ist es aus wirtschaftlichen Gründen zwingend nötig, die Champions League zu erreichen?

Tönnies: Nein. Wir wären auch ohne internationalen Platz in vollem Maße handlungsfähig.

Tönnies steht zu Schalke-Kapitän Höwedes - "So einen Spieler verkauft man nicht" 

Es müssten auch keine Top-Spieler verkauft werden?

Tönnies: Das Problem haben wir nicht. Es sollte aber natürlich nicht zum Dauerzustand werden, die internationalen Plätze zu verpassen.

Es wird spekuliert, dass Benedikt Höwedes ein Verkaufskandidat sein könnte.

Tönnies: Benni ist das Gesicht von Schalke, so einen Spieler verkauft man nicht. Und Julian Draxler ist sein jüngerer Bruder. Und dann kommt auch noch Max Meyer nach. Das ist unser klarer Ansatz: Wir werden noch mehr Mittel für die Jugendarbeit einsetzen. Und wenn doch mal einer von denen geht, die wir gerne halten würden, dann müssen wir sofort Nachrücker haben. Lauter Gesichter des FC Schalke 04.

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Und wie soll das Profil des künftigen Trainers aussehen?

Tönnies: Ich habe zu Horst Heldt gesagt: Wir brauchen einen Trainer, der attraktiven Fußball spielen lässt. Mich interessiert nicht, wie alt der ist und was er vorher erreicht hat.

Wer trainiert also in der nächsten Saison Schalke 04?

Tönnies: (lacht) Armin di Matteo-Büskens-Favre. Ernsthaft: Genaueres verkünden wir dann, wenn es in trockenen Tüchern ist.