Gelsenkirchen. In der Winterpause verlängerte Schalke-Torjäger Klaas-Jan Huntelaar seinen Vertrag. Vor dem Rückrunden-Auftakt gegen Hannover 96 am Freitag haben wir mit Huntelaar über das Ziel Champions League, seine Karriere und seine Zukunft gesprochen.

Im Rollkragenpullover betritt Klaas-Jan Huntelaar das Restaurant "ess null vier" oberhalb der Schalker Trainingsplätze. Das Training ist gerade beendet, fast alle Schalker Spieler steigen in ihre Autos und fahren nach Hause. Klaas-Jan Huntelaar nimmt sich noch ein paar Minuten Zeit, bestellt eine Tasse Kaffee und ein Glas Mineralwasser. Erst einmal beschwert er sich über den Winter, der nur seinen Kindern Spaß macht. Die freuen sich über Schnellballschlachten im Heimatdorf Hummelo in den Niederlanden. Papa Huntelaar hätte gern höhere Temperaturen - wie im Trainingslager der Schalker in Katar oder im Familienurlaub nach Weihnachten.

Herr Huntelaar, im Urlaub waren Sie auf Curacao, wo auch Wesley Sneijder seine Ferien verbracht hat. Hätten Sie ihn bei der Gelegenheit nicht zu einem Wechsel nach Schalke überreden können?

Klaas-Jan Huntelaar: (lächelt) Wir haben uns auf Curacao gar nicht gesehen. Er war mit seiner Familie da, ich mit meiner. Und wenn ich Urlaub habe, dann schalte ich vom Fußball einfach ab.

Nach Ihrer Karriere wollen Sie im Fußball-Geschäft bleiben. Als Manager oder lieber als Trainer?

Huntelaar: Das muss ich mir noch überlegen. Der Nachteil als Trainer ist: Da hast du nicht so viel Zeit, etwas aufzubauen. Wenn es schlecht läuft, bist du schnell weg. Manager zu sein, finde ich deswegen vielleicht besser, da hast du mehr Zeit.

Als Manager müssen Sie aber auch harte Entscheidungen treffen und manchmal Trainer rauswerfen …

Huntelaar: Man braucht einen Trainer nicht jedes Mal rauszuschmeißen. Wenn du den richtigen Weg gefunden hast, glaubst du daran – in guten und in schlechten Zeiten.

Schalke hat sich von Huub Stevens getrennt und geht jetzt mit Jens Keller in die Rückrunde…

Huntelaar: … ja, aber darauf habe ich das jetzt gar nicht bezogen. Ich meine das nur ganz allgemein im Profifußball . Aber zu Huub Stevens speziell kann ich sagen: Er ist ein guter Typ. Ich bin mit ihm gut ausgekommen.

Und Jens Keller?

Huntelaar: Wir haben mit ihm in der Vorbereitung intensiv und gut trainiert, besonders das Verteidigen. Das müssen wir jetzt umsetzen. Am Ende wirst du am Erfolg gemessen. Das Wichtigste ist, dass alle Spieler das gleiche Ziel im Kopf haben, dann hast du auch Erfolg.

Sie selbst haben Ihren Vertrag auf Schalke verlängert. Was hat den Ausschlag gegeben?

Huntelaar: Das waren mehrere Punkte, einer war die Atmosphäre: Auf Schalke ist immer etwas los. Ich liebe die Extreme. Wenn es schlecht läuft, ist die Stimmung richtig schlecht, und das spürst du dann auch. Aber du weißt genau: Wenn es dann wieder gut läuft, ist es umso besser – dann ist es einfach super. Und wenn du siehst, wie enthusiastisch die Leute auf Schalke sind, dann ist es toll, etwas dazu beizutragen.

Trotzdem haben Sie mit der Unterschrift gezögert. Warum?

Huntelaar: Ich hatte immer ein gutes Gefühl für Schalke, aber ich wollte abwarten, wie wir uns sportlich entwickeln. Und ich musste mir erst klar werden, was ich will: Wenn ich meinen Vertrag bis zum Sommer erfüllt hätte, wäre ich drei Jahre auf Schalke gewesen – das wäre ein Zeitpunkt gewesen, um noch einmal einen Schritt zu machen in eine frische Umgebung mit neuen Leuten und einer anderen Mannschaft. Bei Ajax Amsterdam zum Beispiel habe ich nach drei Jahren diesen Schritt gemacht und bin zu Real Madrid gewechselt. Ajax war bisher die längste Station für mich, bei Schalke werden es jetzt fünf Jahre. Das ist fast meine halbe Karriere. Im November war ich mir dann sicher, dass ich das will. Da habe ich zu meinem Berater gesagt: Mach es klar mit Schalke.

Gab es andere Angebote, bei denen Sie ernsthaft ins Grübeln gekommen sind?

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Huntelaar: Ja, aus England, denn da habe ich noch nicht gespielt. Es ging nur um die Entscheidung Schalke oder die Premier League…

Wie sehr stört es Sie, dass manche behaupten, Sie würden nur auf Schalke bleiben, weil Sie keinen besseren Verein gefunden hätten?

Huntelaar: Jeder darf sagen, was er will. Zwischendurch hieß es ja auch, dass ich im Winter weg wäre…

Aber es stimmt schon, dass Sie bei den ganz großen Vereinen nicht immer glücklich waren.

Huntelaar: Zum Teil stimmt das. Bei Real Madrid habe ich in einem halben Jahr 20 Spiele gemacht, 13 von Anfang an, und auch meine Tore geschossen. Dann hat der Verein Ronaldo und Benzema geholt – dann weißt du, dass du nicht mehr so viel spielst, und deswegen bin ich zum AC Mailand gewechselt. Das war vielleicht die falsche Entscheidung, und trotzdem habe ich da auch wieder viel gelernt: Ein anderes Leben, eine andere Liga, eine neue Fußball-Mentalität – ich liebe das Neue.

Sie haben bei vielen großen Vereinen gespielt, aber Sie waren noch nie Meister eines Landes…

Huntelaar: Ja, leider. Einmal bei Ajax fehlte nur ein Tor. In der Halbzeitpause haben wir uns schon als Meister gefühlt, und dann hat uns Eindhoven noch den Titel aus der Hand gerissen. Das war wie im Film – fast so wie bei Schalke 2001.

So denkt Schalke-Torjäger Huntelaar über die Ziele in der Rückrunde 

Vor genau einem Jahr haben Sie sich in der Winterpause als Bayern-Jäger gefühlt: Sie lagen drei Punkte zurück, heute sind es 17. Fehlt Schalke doch die Qualität?

Huntelaar: Die Wahrheit liegt in der Mitte. Am Anfang dieser Saison schien alles super zu sein, aber das war es nicht. Und jetzt scheint alles schlecht, aber es ist nicht so schlecht, wie es aussieht. Was uns fehlt, ist die Stabilität der letzten Saison. Jetzt haben wir die Chance, es mit guten Ergebnissen wieder umzubiegen . Platz drei oder vier ist noch möglich. Daran glaube ich solange, bis es nicht mehr geht. Erst, wenn wir vor dem letzten Spiel vier Punkte zurückliegen, gebe ich auf.

Für Platz drei müssten Sie acht Punkte auf Leverkusen aufholen oder fünf auf Dortmund…

Huntelaar: Ja (Pause). Das ist machbar. Wir haben noch 17 Spiele.

Sie haben in der Hinrunde nur fünf Tore geschossen. Sehen Sie sich jetzt auch persönlich in der Pflicht, Schalke noch in die Champions League zu schießen?

Huntelaar: Man nimmt sich ja immer viel vor, und gerade am Anfang der Saison habe ich einige Chancen liegen lassen, die im letzten Jahr klare Tore waren – ich hätte sicher schon das Doppelte an Toren haben können. Aber glauben Sie mir: Wenn ich eine Chance vergebe, dann ärgere mich selbst am meisten darüber. Doch 29 Tore, wie im letzten Jahr, werden es jetzt wohl nicht mehr...

Hat Sie der Vertragspoker in der Hinrunde belastet?

Huntelaar: Am Anfang der Saison hat mich das gar nicht gestört. Nachher war die Atmosphäre ein bisschen anders, auch bei den Fans, aber ich habe nicht das Gefühl, dass mich das belastet hat.

Im Gegensatz zu Ihnen wird Lewis Holtby Schalke verlassen. Das kann Ihnen nicht gefallen, weil Sie in einer möglichst starken Mannschaft spielen wollen.

Huntelaar: Aber das ist dann doch eine persönliche Entscheidung von Lewis, die man respektieren muss. Für den Verein ist es natürlich nie gut, wenn ein guter Spieler geht.

War es bei Ihrer Vertragsverlängerung ein Thema, ob sich Schalke weiter verstärken wird?

Huntelaar: Darüber muss man nicht extra reden, da habe ich Vertrauen in den Verein. Der Vorstand will doch auch etwas erreichen. In der Hinrunde hat man gesehen, dass ein bisschen Qualität gefehlt hat, wenn Spieler ausgefallen sind. Ein oder zwei gute Spieler sollten jedes Jahr dazu kommen, dann entwickelt man eine Mannschaft weiter.

In Ihrem neuen Vertrag haben Sie wieder eine Ausstiegsklausel, 2014 könnten Sie für 15 Millionen Euro gehen. Wenn Sie der Manager von Schalke wären: Würden Sie das gut finden?

Huntelaar: Ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, ob das in meinem Kontrakt steht, das macht mein Manager. Aber wenn es so sein sollte, dann ist das eigentlich egal. Ich habe für zweieinhalb Jahre unterschrieben und die will ich hier auch mindestens noch spielen.