Essen. . „Zu jung“ ist für den Bundestrainer kein Kriterium. Deshalb hat er Schalkes Top-Talent überraschend in sein erweitertes Aufgebot für die bevorstehende Europameisterschaft berufen. „Julian hat enorm viel Potenzial und eine hohe Spielintelligenz“, schwärmt Joachim Löw.
Der Gelsenkirchener Gesamtschüler Julian Draxler hat am Montagvormittag wieder einiges gelernt. Vor allem, dass er sich in dem Paralleluniversum, in dem er Fußballprofi ist, besser auf keine Planung verlassen sollte. Ursprünglich hatte sich der 18-Jährige darauf eingestellt, an diesem Dienstag mit dem Bundesligateam des FC Schalke 04 zur Saisonabschluss-Tour nach New York zu düsen. Jetzt ist Flexibilität gefragt: Denn der Junge aus Gladbeck darf sich ab Freitag auf Sardinien bewegen, auf DFB-Einladung. Bundestrainer Joachim Löw hat das königsblaue Top-Talent überraschend in sein 27-köpfiges erweitertes Aufgebot für die bevorstehende Europameisterschaft in Polen und der Ukraine berufen.
Am Montagmittag gab Löw seine Auswahl in Rastatt bekannt, erst am Vormittag hatte Draxler von seinem Glück erfahren. In der großen Pause, als er seine Mailbox abhörte. Klar, dass er die Nachricht kaum fassen konnte, die ihm der Bundestrainer hinterlassen hatte. „Die Nominierung kam für mich völlig unerwartet“, versicherte der Jungprofi, und man darf es ihm glauben.
Stevens hat das Talent nie verheizt
Die Berufung des offensiven Mittelfeldspielers ist erstaunlich, wie es jene der Dortmunder Rasen-Rakete David Odonkor vor der Heim-WM 2006 war. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied. Damals war es eine Not-Maßnahme: Hätte Jürgen Klinsmann ein gesunder Sebastian Deisler zur Verfügung gestanden, wäre über Odonkor nie diskutiert worden. Diesmal ist das Aufgebot qualitativ hochwertig besetzt, die Hinzunahme von Draxler ist bereits ein kluger Vorgriff auf die Zukunft.
Draxler, das muss betont werden, könnte derzeit immer noch für Schalkes A-Junioren spielen. Auf Schalke ist es gelungen, die richtige Balance zwischen Fordern und Fördern zu finden, Trainer Huub Stevens hat das Talent nie verheizt. Jetzt steht die nächste Entwicklungsstufe an. Draxler könnte Raúls Position übernehmen. Er würde sie aber anders interpretieren. Mehr als Zehner, als Spielmacher im klassischen Sinn. Torgefahr nicht ausgeschlossen.
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„Julian hat enorm viel Potenzial und eine hohe Spielintelligenz“, schwärmt Löw. Für ihn gibt es das Kriterium „zu jung“ ohnehin nicht, er warf schon das Dortmunder Ausnahmetalent Mario Götze im A-Jugendalter ins internationale Rennen. Auch mit Draxler kann er nichts falsch machen. Diese beiden Jungs haben so viel Gefühl in den Füßen, dass sie mit den Zehen Vasen töpfern könnten. Sollte es aktuell noch Ausfälle geben, wäre es kein Risiko, auch dem Schalker die Turnierteilnahme zuzutrauen.
Harte Tiefschläge der Ausbootung
Nach der EM wird Draxlers Zeit in der Nationalmannschaft ohnehin kommen – sollte er wie drei weitere Spieler noch gestrichen werden, muss es ihn nicht schmerzen. Andere hingegen werden es schwer haben, den Tiefschlag der Ausbootung zu verkraften. Dennis Aogo, Simon Rolfes, Christian Träsch, Patrick Helmes, Mike Hanke und Stefan Kießling hatten im Gegensatz zu Julian Draxler auf eine Nominierung spekulieren dürfen.
Besonders hart dürfte die Nichtberücksichtigung den Dortmunder Kevin Großkreutz getroffen haben. Dass ihm auf seiner Position vorne links auch noch ausgerechnet ein Neuling aus Schalke vorgezogen wurde. . .