Gelsenkirchen. . Das dramatische Saisonfinale 2001 könne man nicht vergessen, sagt Schalke-Trainer Huub Stevens. Deshalb setzt er lieber auf die Zukunft. Und da traut er seinen Schalkern viel zu. Nur den Vergleich mit den Bayern scheut er.
Wer als von den Fans gewählter Jahrhunderttrainer zum FC Schalke zurückkehrt, geht das Risiko ein, sich selbst vom Sockel stoßen zu können. Huub Stevens ist dieses Wagnis ganz bewusst eingegangen. Vor dem wegweisenden Ligaspiel am Sonntag in Leverkusen (15.30 Uhr) erklärt der 57-jährige Niederländer entspannt, warum er für sich auf Schalke nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft sieht.
Wir würden Sie gerne mit zwei Meinungen unserer Leser konfrontieren. Einer schrieb, Sie hätten sicher dazugelernt und würden die Philosophie Ihres Vorgängers Ralf Rangnick übernehmen. Ein anderer meinte: Das Gerede von der Philosophie nervt – nur wer gewinnt, hat alles richtig gemacht. Wer hat Recht?
Huub Stevens: Beide. Entscheidend ist nicht das Ergebnis allein. Es gibt auch Trainer, die mit einem kleineren Verein nicht immer gewinnen können, und die trotzdem eine sehr gute Philosophie haben.
Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie sich sehr positiv über den Schalker Kader geäußert. Sehen Sie diese Ansicht bisher bestätigt?
Ja. Sicher war die Niederlage gegen Kaiserslautern ein deutlicher Rückschlag, aber das Potenzial ist vorhanden, und die Leistung beim 5:0 in Larnaka war wieder ein Schritt nach vorne.
Manager Horst Heldt hat die Mannschaft als „nicht ganz einfach“ bezeichnet. Können Sie das bestätigen?
Dieser Kader hat in sieben Monaten drei Trainer gehabt, das ist auch für die Spieler nicht einfach. Für mich war es wichtig, den Jungs erst einmal Vertrauen zu geben: Es wäre nicht gut gewesen, gleich am Anfang alles durcheinander zu werfen. Inzwischen haben wir erste Veränderungen vorgenommen. Bisher gab es aber noch keine Probleme. Die werden jedoch in einer langen Saison mit drei Wettbewerben automatisch kommen, und dann bin ich gespannt, wie die Jungs reagieren werden.
Ihr Vorgänger Ralf Rangnick hatte es im Sommer nur zähneknirschend akzeptiert, dass Schalke diesmal nicht so viel Geld für Neuzugänge ausgegeben hat. Wollen Sie im Winter nachjustieren?
Wenn du als Trainer bei einem Verein neu anfangen kannst, machst du dir vorher Gedanken über den Kader. Wie ist er zusammengestellt, wie ist die Philosophie des Vereins? Wenn du dich darin nicht wiederfinden kannst, solltest du gar nicht erst übernehmen. Als ich mit Horst Heldt gesprochen habe, bin ich zu dem Schluss gekommen: Es könnte passen. Dann kannst du nicht zwei Monate später ankommen und sagen: Dies ist nicht gut, das gefällt mir nicht. Natürlich kannst du immer noch Wünsche haben, aber die müssen in das Konzept des Vereins passen. Ein Trainer ist durchschnittlich eineinhalb, zwei Jahre da. Wenn da jeder immer wieder neue Spieler holt, dann kann das ein Problem für den Verein sein, sobald der Trainer wieder weg ist. Es geht immer um die Linie des Vereins.
Ist es eigentlich ein Problem für einen erfahrenen Mann wie Sie, dass Schalkes Manager, Ihr Vorgesetzter, 16 Jahre jünger ist?
Nein, überhaupt nicht. Horst Heldt spricht die Fußballsprache, das Alter spielt dabei keine Rolle. Ich hatte bei meinen Klubs zu allen Managern ein gutes Verhältnis – ob das in meiner ersten Zeit auf Schalke Rudi Assauer war, bei Hertha BSC Berlin dann Dieter Hoeneß oder beim Hamburger SV der Didi Beiersdorfer, der ja auch jünger ist als ich.
Wobei Ihr Verhältnis zu Rudi Assauer bis heute als einzigartig gilt.
Ich hoffe doch, dass wir das nach einer bestimmten Zeit auch von Horst Heldt und mir sagen können. Rudi Assauer habe ich übrigens gefragt, was er davon hält, als die Anfrage aus Schalke kam. Er hat mir nicht abgeraten. Es war eine schöne Zeit damals mit ihm. Aber: Jeder redet heute über sechs erfolgreiche Jahre, und wenn man ehrlich ist, waren es nur vier. Denn zwischendurch brauchten wir zwei Jahre, um nach den Eurofightern eine neue Mannschaft aufzubauen. Die Uefa-Cup-Sieger von 1997 konnten wir ja anfangs nicht rausnehmen, das hätten die Fans nicht verstanden.
Die Süddeutsche Zeitung hat geschrieben, Sie seien zurückgekehrt, um die berühmten vier Minuten von 2001 vergessen zu machen, diese brutale Vizemeisterschaft.
Wie willst du die vergessen? Das geht nicht. Natürlich möchte man auch in Zukunft Titel gewinnen, aber in diesem Jahr führt kein Weg an Bayern München vorbei. Dahinter ist unheimlich viel möglich. Aber da mischen nicht nur wir mit.
Heute haben Sie es mit einer ganz anderen Spielergeneration zu tun als in Ihrer ersten Schalker Zeit. Wie haben sich die Profis verändert?
Diese Jungs sind ganz anders aufgewachsen. Wir sind noch auf der Straße groß geworden, meistens mit mehreren Kindern in der Familie. Da musstest du viel teilen. Heute gibt es Fußball-Internate, und in der Freizeit beschäftigen sich die jungen Leute mit dem Computer.
Verändert man sich da zwangsläufig auch als Trainer? Von Jupp Heynckes wird behauptet, er sei in den Jahren lockerer geworden, von Felix Magath heißt es dagegen, er ziehe unverändert seine Linie durch. Wie ist es bei Ihnen?
Wenn ich noch derselbe wäre wie vor 15 Jahren, dann hätte ich etwas falsch gemacht. Ein Tag, an dem du nichts gelernt hast, ist ein verlorener Tag. Natürlich darfst du einer Linie treu bleiben, aber man muss doch mit der Zeit gehen. Ich finde zum Beispiel auch, dass man neue Techniken nutzen muss. Warum gibt es im Fußball noch nicht die Torkamera oder den Chip im Ball?
Haben Sie vor Ihrer Rückkehr darüber nachgedacht, dass Sie als Schalker Jahrhunderttrainer auch viel zu verlieren haben?
Nein, wirklich nicht. Vielleicht bin ich wie jeder Mensch auch eitel, aber nicht in diesem Sinne. Für mich ist Schalke wieder eine Herausforderung: Ich will es noch besser machen als beim letzten Mal.