Gelsenkirchen. . Zwei Mal zeigte Peter Sippel am Samstag beim Spiel Schalke gegen Kaiserslautern auf den Elfmeterpunkt. Zwei Mal zückte er zusätzlich die rote Karte. Entscheidungen, für die er viel Kritik erntete, doch das offizielle Regelwerk stützt ihn.
Veltins-Arena auf Schalke, 9. Bundesliga-Spieltag. Es läuft die 28. Spielminute zwischen dem FC Schalke 04 und dem 1.FC Kaiserslautern. FCK-Stürmer Itay Shechter treibt den Ball durch das Mittelfeld, wird von keinem Schalker energisch angegriffen. Im richtigen Moment spielt er zwischen den S04-Verteidigern Christoph Metzelder und Benedikt Höwedes hindurch. Sein Pass gilt seinem Sturmpartner Dorge Kouemaha. Der Kameruner steht nicht im Abseits und erreicht den Ball rechtzeitig vor dem herauseilenden Ralf Fährmann. Der Schalker Torwart rutscht zwar Richtung Ball, trifft aber nur seinen Gegenspieler. Schiedsrichter Peter Sippel zeigt sofort auf den Elfmeterpunkt.
Es ist eine korrekte Entscheidung, kaum einer wird das in der Arena anders gesehen haben. Doch dann zückt Sippel auch noch die rote Karte. Die Schalker Spieler stürmen sofort auf den Unparteiischen zu, können die Entscheidung nicht nachvollziehen. 60 000 Zuschauer im Stadion lassen mit gellenden Pfiffen ihrem Unmut freien Lauf. Ganz Schalke fühlt sich ungerecht behandelt, im wahrsten Sinne des Wortes „doppelt bestraft.“
Sippel steht zu seinen Entscheidungen
In der 61. Spielminute hebt der Schiedsrichter selbst die vermeintliche Benachteiligung der Blau-Weißen wieder auf. Lauterns Rodnei soll Schalkes Jose Manuel Jurado im Strafraum zu Boden gezerrt haben. Sippels schnelle Entscheidung: Elfmeter und wieder Rot! Die Fernsehbilder zeigen, dass Rodnei Jurado nicht gefoult hat.
Dass Sippel in dieser Situation, die er in einem Sekunden-Bruchteil entscheiden muss, trotzdem auf den Punkt zeigt, nehmen ihm die Lauterer wohlmöglich nicht einmal übel. Doch dass sie, nach Huntelaars Ausgleich, fortan mit zehn Mann weiterspielen müssen und damit ihre Überzahl verlieren, trifft auch sie doppelt hart.
Nach dem Spiel schaute sich Schiri Sippel die kniffligen Szenen des Spiels noch einmal an. Zu seinen Entscheidungen steht er weiterhin, dass er zwei Mal die rote Karte ziehen musste, tut ihm jedoch offensichtlich leid. „Wir Schiedsrichter sind gegen die Doppel-Bestrafung. Wir sind da alle einer Meinung. ,Elfmeter und Gelb' reicht“, sagt Sippel.
Fifa lässt keinen Interpretationsspielraum
Doch warum entscheiden sie dann so? Warum zeigen sie in diesen Situationen nicht das berühmte Fingerspitzengefühl? Lutz Michael Fröhlich, DFB-Abteilungsleiter Schiedsrichter, erklärt im Gespräch mit DerWesten, dass die Fifa hier keinen Interpretationsspielraum lässt.
„Wenn der Schiedsrichter feststellt, dass im Strafraum durch ein Foulspiel eine klare Torchance verhindert wird, muss er nach den gegenwärtigen Regelbestimmungen auf den Elfmeterpunkt und die rote Karte zeigen“, sagt Fröhlich. Er nimmt Peter Sippel in Schutz, denn solange das aktuelle Fifa-Regelwerk gelte, hätten sich alle Schiedsrichter daran zu halten.
Für Fingerspitzengefühl ist hier also kein Platz. Zu groß ist die Angst bei der Fifa vor mutwilligen Benachteiligungen. „Würde sich ein Schiedsrichter absichtlich nicht daran halten, wäre dies eine klare Wettbewerbsverzerrung. Wenn er so etwas macht, wäre das der schlimmste Fehler, den er begehen kann“, sagt Fröhlich.
DFB fordert Regeländerung
Dass sich die deutschen Schiedsrichter durch die Regel der „doppelten Bestrafung“ eingeengt fühlen, ist längst beim DFB angekommen. Bereits vergangenes Jahr reichte er bei der Fifa einen Antrag ein, die Regel zu ändern. Eine Initiative, die von der DFB-Schiedsrichter-Kommission, vom DFB-Präsidium und von den Schiedsrichtern gleichermaßen unterstützt wird. Fröhlich erklärt, warum: „Durch den gegebenen Strafstoß wird die klare Torchance wieder zurück gegeben. Somit ist aus unserer Sicht dann keine rote Karte mehr notwendig, sofern nicht ein grobes Foulspiel vorlag.“
Der DFB hofft, dass die gewünschte Regeländerung von der Fifa mittelfristig umgesetzt wird, vielleicht bis zur WM im Jahr 2014 in Brasilien. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Fröhlich ist sich sicher: „Jeder, der sich für Fußball interessiert, kann das nachvollziehen.“
Bei den Schiedsrichtern herrscht das Leistungsprinzip
Bis dahin haben sich die Unparteiischen vom DFB jedoch weiterhin strikt an die Fifa-Regeln zu halten, auch um so wenig Fehler wie möglich zu machen und ihre eigene Schiedsrichter-Karriere voran zu treiben. Denn die Konkurrenz in Deutschland ist groß. „Natürlich herrscht auch bei den Bundesliga-Schiedsrichtern das Leistungsprinzip“, sagt Fröhlich. Jedes Spiel der 1. und 2. Bundesliga werde im Nachgang von einem Schiedsrichter-Coach mit den Schiedsrichtern analysiert.
Bei der Analyse werde jeder Fehler angesprochen, ausgewertet und in der Beurteilung berücksichtigt. Es werde darauf geschaut, ob der Fehler z.B. durch Defizite in der Spielführung erklärbar ist. Eine Eigenschaft, die, laut Fröhlich, zu den größten Qualitätsunterschieden bei den Schiedsrichtern führt. „Die Qualität eines Schiedsrichters zeigt sich in seiner Spiel- und Spielerführung. Je mehr richtige und akzeptierte Entscheidungen ein Schiedsrichter trifft, desto höher ist die Qualität seiner Spielleitung.“