Gelsenkirchen. Schalkes Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies bekräftigte das Interesse an Huub Stevens. Am späten Montagabend traf sich S04-Manager Horst Heldt mit dem Niederländer. Beide Seiten präsentierten ihre Vorstellungen.

„Unser neuer Trainer soll den eingeschlagenen Weg mitgehen und zur Philosophie passen.“ Ein Satz wie in Stein gemeißelt. Ein Satz von einem Entscheidungsträger eines Fußball-Bundesligisten. Ein Satz von Carl-Edgar Jarchow, dem Vorstands-Chef des Hamburger Sport-Vereins, der einen Nachfolger für den entlassenen Michael Oenning sucht.

Sind der Hamburger SV und der FC Schalke 04 Vereine wie Zwillinge, Brüder im Geiste, ein Herz und eine Seele? Oder stammen Jarchows scheinbar wohlgewählte Worte doch nur aus der reich gefüllten Schatzkiste der Fußballphrasen? So viel ist sicher: Clemens Tönnies, Aufsichtsrats-Chef beim FC Schalke 04, und Schalkes Manager Horst Heldt skizzieren ihre Suche nach einem Nachfolger für den wegen Erschöpfung zurückgetretenen Ralf Rangnick exakt wie der HSV-Vorsitzende.

Und, offenbar dann auch kein Zufall: Beide Klubs sind auf Huub Stevens gekommen. Einen Mann, der als Trainer sowohl in Gelsenkirchen von 1996 bis 2002 als auch in Hamburg von 2007 bis 2008 so viel Eindruck hinterlassen haben muss, dass ihm eine zweite Amtszeit zugetraut wurde (Hamburg) oder wird (Schalke). Der 57-jährige Niederländer hatte sich am Samstag mit HSV-Sportdirektor Frank Arnesen getroffen und ihm dabei nicht verschwiegen, dass er sich auch noch anhören wolle, was der FC Schalke zu sagen und zu bieten habe. Diese aus ihrer Sicht nicht hundertprozentige Leidenschaft für die neue Aufgabe in ihrem Verein soll der Grund dafür gewesen sein, dass sich die Hamburger am Sonntag dazu entschieden, auf die Dienste von Stevens zu verzichten. Arnesen sagte ab.

Stevens bestätigte Heldts Anruf

„Ich habe ihm ganz ehrlich gesagt, dass Schalke ebenfalls im Rennen ist“, schrieb Stevens am Montag in seiner wöchentlichen Kolumne beim Internetportal Sport1. Darin bestätigte er auch, dass Horst Heldt ihn am Wochenende angerufen habe.

Clemens Tönnies bekräftigte im Gespräch mit dieser Zeitung das Interesse an Huub Stevens. „Horst Heldt sondiert den Trainermarkt, und Huub Stevens gehört natürlich dazu“, sagte Tönnies und geriet sogar ins Schwärmen: „Er ist ein sehr, sehr guter Trainer, und er passt auch nach Schalke. Wir schauen, wer unserem Anforderungsprofil entspricht, und er passt!“

Am späten Montagabend fand dann ein kurzfristig vereinbartes Treffen zwischen Heldt und Stevens statt, bei dem beide Seiten ihre Vorstellungen präsentierten.

Eine schnelle Entscheidung schloss Tönnies dennoch aus. Die Selbstverpflichtung zur Geduld mag auch damit zu tun haben, dass sich Schalkes starker Mann am Dienstag und Mittwoch auf Auslandsreise befindet. Heldt könnte die gewonnene Zeit nutzen, um weitere Kandidaten zu treffen und Vor- und Nachteile abzuwägen. Diese Strategie wurde durch den beruhigenden 4:2-Sieg am Samstag gegen Freiburg unterfüttert. Die Schalker trauen Interimstrainer Seppo Eichkorn durchaus zu, auch noch beim Europa-League-Heimspiel am Donnerstag gegen Maccabi Haifa und am Sonntag im Bundesligaspiel ausgerechnet beim Hamburger SV die Verantwortung zu übernehmen. Damit wäre dann die ganz besondere Pointe gestrichen, dass Stevens in Hamburg für Schalke starten könnte.

Abwehr vor Angriff

Eines muss den Königsblauen ohnehin klar sein, falls sie sich für Stevens entscheiden sollten: Als Ralf-Rangnick-Klon lässt sich der kantige Kerkrader garantiert nicht vermitteln. Hatte es nicht bisher geheißen, der neue Trainer solle „die Philosophie fortführen“? War damit etwa nur die Vereins-Philosophie des Gesundsparens durch verstärkte Nachwuchsförderung gemeint und nicht auch Rangnicks Vorstellung von attraktivem Systemfußball? Stevens hat sich ins Geschichtsbuch der Fußball-Weisheiten mit einem Satz eingetragen, der ihn als Riegelfanatiker kennzeichnete: „Die Null muss stehen!“ Er meinte natürlich: hinten. Abwehr vor Angriff. Sicherheit vor Spektakel.

Wenn Tönnies dennoch fest davon überzeugt ist, dass Stevens ein Mann für Schalke sei, dann hat dies vor allem mit schönen Erinnerungen zu tun – an den Uefa-Cup-Sieg von 1997, an die DFB-Pokalsiege von 2001 und 2002. Stevens weiß, wie Schalke tickt, das kann ein Vorteil sein. Und die Fans haben ihn zum Jahrhunderttrainer gewählt. Für das vergangene Jahrhundert.