Wien. Nationaltorwart Manuel Neuer verabschiedete sich aufrichtig vom FC Schalke 04 in Richtung Bayern München. “Die Hängepartie der vergangenen Wochen hat mich schon belastet“, gestand der Keeper erleichtert.
Der Presseraum im Wiener Ernst-Happel-Stadion war überfüllt, hektisch drängten sich die Fotografen vor das kleine Podium. Sie alle wollten nur einen Mann fotografieren. Und als dieser 25-Jährige sich dann direkt vor ihre Linsen platzierte, setzte ein hektisches Klicken. Fotographisches Dauerfeuer. Der Mann musste wichtig sein, wahnsinnig wichtig, vielleicht hatte er drei Arme. Aber als die Fotografen dann den Blick freigaben, erblickte man, nun ja, den gleichen ruhigen Manuel Neuer, der nun schon seit einem Jahr ständig das Tor der deutschen Nationalelf hütet. Aber es sollte eben ein anderer Neuer sein. Der FC-Bayern-Neuer, nicht mehr der Junge aus Gelsenkirchen-Buer. Es war sein erster Auftritt, nachdem am Mittwoch nach wochenlangem Tauziehen der Transferpoker endete. Neuer wechselt zur neuen Saison für eine garantierte Ablösesumme von 18 Millionen Euro (plus bis zu sieben Millionen erfolgsabhängige Zahlungen) nach München, Schalke hat sich seine Ersatzbefriedigung durch den ablösefreien Ralf Fährmann (vorher Frankfurt) organisiert.
Und so saß dieser Manuel Neuer, bar jedes interpretationsfähigen Gesichtsausdrucks, und erzählte, wie „froh“ er sei, nun endlich seinen Wechsel zu verkünden. Denn, so gestand Neuer, die Hängepartie „hat mich schon belastet.“ Aber der 25-Jährige wäre wohl kaum Nationaltorhüter, wenn er aus dem zermürbenden Gezerre nicht auch Positives ableiten würde. „Das war alles nicht einfach für mich. Aber gut ist, dass ich diesem Druck stand gehalten habe.“
"Ich muss nicht wechseln, ich will wechseln."
So lässt er auch die kritischen Fragen abperlen, die seinen Wechsel begleiten. Er, der bekennende Schalke-Fan, der sich zu den eigenen Ultras bekannte, das Musterbeispiel eines Königsblauen abgab. Ist denn heutzutage alles Business, gibt es keine Fußball-Romantik mehr, ist es denn als moderner Profi nicht möglich, seine ganze Karriere bei einem Klub zu verbringen? Das sei „schwer zu beurteilen“, befand Neuer, um dann doch sehr konkret zu werden: „Für mich gilt: Ich muss nicht wechseln, ich will wechseln.“ Er habe nicht ins Ausland gewollt, sondern als „Nationaltorwart beim besten Verein in Deutschland spielen“. Eine klare Ansage.
Neuer will Titel holen, dauerhaft Champions League spielen, sich mit den Besten messen. Die einen nennen das Verrat am FC Schalke, die anderen wie Bundestrainer Joachim Löw bezeichnen es als „einen logischen Schritt“. Bei den Bayern ginge es jedes Jahr um Titel, da gäbe es den stetigen Anspruch auf die Champions League: Und das, so der Bundestrainer, „bedeutet eine Fortentwicklung für jeden Spieler.“
Entwickeln aber wird sich nicht allein der Torwart, auch die Bayern-Fans werden lernen. Die Münchner Ultras um die „Schickeria“ hat den Zugang Neuers mindestens ebenso wütend und ablehnend kommentiert wie die Schalker den Abgang ihres Torhüters. Neuer weiß, dass er mit seiner Leistung den Schlüssel hat, um aus den teils hass-erfüllten Kritikern in kürzester Zeit willige Jubler zu machen. Er habe zwar mit der Bayern-Führung „noch keine konkrete Strategie“ besprochen, wie man auf die Münchner Ultras reagiere. Aber zumindest „wollen wir auf die Fans zugehen und ein offenes Gespräch führen.“
Den ersten Integrationsschritt hat er schon vollzogen: “Ja, ich habe schon eine Lederhose“, sagte Neuer auf Nachfrage. Ob aus eigenem Antriebe oder als Geschenk, etwa seiner Freundin, verriet er nicht. Nur so viel: „Ich habe sie nicht von den Bayern bekommen.“ Und womöglich wird Neuer bald auch in München innig geliebt werden. So wie lange Jahre auf Schalke, wo er „vielen Leuten dankbar“ sei, wie Neuer sagte, „vor allem auch den vielen Fans.“ Und dann wollte der 25-Jährige doch einen Menschen „ganz besonders hervorheben: meinen früheren Torwarttrainer Lothar Matuschak, der mich über viele Jahre gefördert hat.“ Es war Neuers letzter Schalker Gruß. Nicht artig, sondern aufrichtig.