Gelsenkirchen. . Lewis Holtby wurde von den Fans des FC Schalke 04 vor dem Spiel freundlich begrüßt. Der 20-Jährige drehte dann auch auf - allerdings für Mainz 05. Beim 3:1-Erfolg traf er einmal selbst und bereitete zwei Tore vor.
Diesem kleinen jungen Mann kann niemand böse sein. Mit 3:1 setzte sich Mainz 05 beim FC Schalke 04 durch, der Noch-Mainzer und Bald-Schalker Lewis Holtby war der beste Mann - und doch wollten alle den 20-Jährigen herzen. Die Mainzer sowieso, weil er sie in die Europa League zauberte . Die Schalker aber auch, weil sie ihn bald wiederhaben. Und überhaupt alle, weil Holtby noch so sympathisch ist. Und offen.
So offen, dass er seine Gefühle immer allen mitteilt. Via Facebook und Twitter gab es nach dem Spiel einen Lewis-Live-Ticker sogar aus dem Mainzer Europa-League-Partybus am späten Samstagabend. „EUROPAPOKAL EUROPAPOKAL EUROPAPOKAL EUROOOOPAAAAPOOOOKAAAAAAAL....!!!!! :)))) WAHNSINN!!! :)“, war eine dieser Nachrichten. So viel Leidenschaft und Einsatz hätten sich die Schalker von ihren Spielern gewünscht. Sie bekamen es nur von einem, der erst in der kommenden Saison wieder Königsblau trägt.
Das wussten alle 60.300 Zuschauer in der Arena, als Stadionsprecher Bernd Scheffler kurz vor dem Anpfiff die Aufstellung verkündete. „Mit der Nummer 18: Lewis Holtby“, sagte Scheffler recht leise und auf einmal pfiffen die S04-Fans nicht mehr - wie sonst bei der Aufstellung des Gegners. Alle Königsblauen applaudierten. Das bekam der kleine Holtby, der sich gerade auf dem Rasen aufwärmte, mit und applaudierte ins Publikum. „Klar, dass ich mich bedankt habe. Ich mit ja nicht mit einem schlechten Herzen weggegangen“, sagte Holtby.
Der offensive Mittelfeldspieler ist erst 20 Jahre alt und hat doch so einiges erlebt. Profifußball-Debüt mit 17 bei Alemannia Aachen - ein Höhepunkt. Wechsel zum FC Schalke 04 im Sommer 2009 - noch ein Höhepunkt. Nach einer durchwachsenen Hinrunde – Tiefpunkt – lieh Schalke das Talent an den VfL Bochum aus, doch der VfL stieg in die 2. Bundesliga ab – noch ein Tiefpunkt. Holtby ging nicht zurück nach Gelsenkirchen, sondern zum FSV Mainz 05. Eine weitere Ausleihe. In Mainz setzte sich Holtby dann direkt durch. Unter der Führung von Trainer Thomas Tuchel gab’s zuerst einen Höhepunkt nach dem anderen, sieben Siege zum Bundesliga-Start und am 17. November 2010 beim 0:0 gegen Schweden das Debüt in der Nationalmannschaft. Welch ein Jahr.
Und doch ließ Lewis Holtby genau wie der FSV Mainz 05 in den Wintermonaten etwas nach. Zwischendurch geriet sogar die Qualifikation für die Europa League in Gefahr und Holtby saß ab und zu draußen. Erst vor einer Woche, beim 3:0 gegen Eintracht Frankfurt, durfte er mal wieder 90 Minuten ran. Auf Schalke dann erneut. „Das war ein Bauchgefühl“, sagte Trainer Thomas Tuchel. „Lewis hat sich vor einer Woche sehr gut präsentiert. Dass er bei seinem neuen Verein dann so aufdreht...“
Und wie Holtby aufdrehte. Das 1:1 von André Schürrle legte er mit einem Traumpass auf (52.), das 2:1 (82.) erzielte er selbst. Und das dank Thomas Tuchels Video-Analyse. „Wir haben uns in Videosequenzen Eins-gegen-Eins-Situationen von Manuel Neuer angeschaut. Da haben wir gesehen, dass er mit einem Scherensprung rauskommt, die Beine aber meistens offen lässt.“ Ließ er auch diesmal. Holtby schaffte einen Tunnel, erzielte das 2:1. Noveskis 3:1 (85.) bereitete Holtby dann wieder vor. Seine Bilanz in der aktuellen Saison ist sehr gut: 29 Spiele, vier Tore, neun Vorlagen. Er ist A-Nationalspieler, Kapitän der U21-Nationalmannschaft – und bald wieder ein Schalker.
Trainer Ralf Rangnick und Manager Horst Heldt haben nicht lang diskutiert, als sie um Lewis Holtby ging. Rangnick wollte Holtby schon nach Hoffenheim lotsen. Holtby entschied sich aber für Schalke. „Schalke, das heißt Herzblut. Das sind 60.000 verrückte Blau-Weiße. Ich bin auch ein verrückter Typ. Ich freue mich auf Schalke, auf den Verein, auf die Saison“, erklärte er nachher. Rangnick und Heldt waren da weniger euphorisch. „Ich habe nur auf unsere Spieler geachtet“, grummelte Heldt und ließ sich nur zu einem Satz hinreißen: „Natürlich freut es einen.“ Auch Rangnick zögerte mit einem Lob für den überragenden Mann: „Dass er ein guter Spieler ist, wusste ich ein paar Jahre länger.“
Das soll Holtby ab der kommenden Saison auch wieder zeigen. Trikots mit der Aufschrift „Holtby“ waren auch wieder zu sehen in der Nordkurve. In seinem ersten Halbjahr auf Schalke 2009/2010 trug er die „7“. Die ist jetzt für Raúl reserviert. Mal schauen, welche Nummer Holtby nun bekommt. Vielleicht die „10“? Da Ali Karimis Vertrag nicht verlängert wird, ist die wieder frei. Ganz Schalke hofft, dass Holtby ab Juli regelmäßig Träume hat wie am Tag vor dem Schalke-Spiel: „Ich habe geträumt, dass ich ein Tor schieße, dass es ein geiles Spiel wird, dass ich Gott danken kann, dass ich Profifußballer bin.“
Das war dann doch etwas zu viel des Guten, aber so ist Lewis Holtby eben, wenn er glücklich ist. Bei der Rückfahrt erst recht. „So sehen sieger aus“, twitterte Holtby von der Rückfahrt. Oder: „noch ca 100km dann trudeln wir ein. hatten noch ein paar zwischenstops ;) mal schauen wie der empfang sein wird??...“ Eine lange Nacht wurde es für den verspielten, sympathischen, offenen Mainzer Helden – der bald ein Schalker Held sein soll.