Gelsenkirchen.

Am Anfang war es schwierig: Atsuto Uchida (23) hatte mit Umstellungsproblemen zu kämpfen – auch beim Autofahren hatte er Angst. Doch mittlerweile hat sich Schalkes japanischer Verteidiger zu einem echten Draufgänger entwickelt. Mit Schalke schreibt er an diesem Dienstag (20.45 Uhr) im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester United Geschichte. Und verrät im Interview, dass Schalke für ihn sogar Japanisch büffelt.

Nach dem Sieg im Viertelfinale hat Inter Mailands Trainer Leonardo Ihnen anerkennend auf die Schulter geklopft. Sie haben sich daraufhin vor ihm verneigt. Sind Sie immer so höflich?

Uchida (lächelt): Herr Leonardo hat früher in Japan bei den Kashima Antlers gespielt – dem gleichen Klub, von dem auch ich komme. Nach dem Spiel hat er mich gefragt, wie die Lage in Kashima nach dem Erdbeben ist. Für diese Anteilnahme habe ich mich bedankt. Herr Leonardo war ein Superstar in Japan.

Sie sind jetzt auch ein kleiner Star. Sie sind der erste japanische Spieler, der im Halbfinale der Champions League steht. Das muss Sie stolz machen.

Uchida: Ja, persönlich freue ich mich darüber. Aber bedeutender ist, dass auch Schalke 04 zum ersten Mal in der Champions League so weit gekommen ist. Ich mag diesen Verein sehr. Schalke hat mir die Möglichkeit gegeben, nach Deutschland zu kommen.

Sie sind ein sehr höflicher Mensch. Wissen Sie, wie Ihr Vorgänger Rafinha war, der früher in Schalke auf Ihrer Position gespielt hat?

Uchida: Nein, ich kenne ihn nicht so gut. Ich habe nur ein paar Spiele von ihm im Fernsehen gesehen, als ich schon gewusst habe, dass ich nach Schalke kommen werde.

Die Gegner mochten Rafinha nicht. Er hat provoziert, war ganz anders als Sie...

Uchida: Ich werde niemals böse oder ärgerlich. Vielleicht sollte ich mehr wie ein deutscher Fußballer spielen (lächelt).

Sie haben sich auch so zu einem Draufgänger entwickelt. Dabei wirkten Sie am Anfang so schmächtig. Wie schwer war die Umstellung?

Uchida: Ich habe einige Zeit dafür gebraucht, aber meine Kollegen haben mir dabei geholfen. Wissen Sie, die Bundesliga ist sehr viel größer als die japanische Liga. Und ich bin kleiner und schlanker als die anderen Spieler (1,76 m/ 67 kg, die Red.). Das ist eine sehr große Herausforderung für mich.

Ihr Vater ist Basketball-Trainer. Als Fußballer sind Sie da aus der Art geschlagen...

Uchida: Aber mein Vater wollte mich nie Basketball spielen lassen. Er hat gesagt: Japaner werden niemals zwei Meter groß.

Wie hat Ihre Familie denn reagiert, als Sie nach Deutschland gegangen sind?

Uchida: Sie haben gefragt: Warum gehst du in ein Land, in dem es so kalt ist? Und im Winter war ich wirklich überrascht, wie viel Schnee hier liegt.

Nun fühlen Sie sich wohl?

Uchida: Ich mag die Mannschaft und die Stadt Gelsenkirchen. Auch wenn ich mich an manche Dinge gewöhnen musste. Zum Beispiel beim Autofahren.

Sind Sie in Japan denn kein Auto gefahren?

Uchida: Doch, aber nicht so schnell wie in Deutschland. In Japan darf man auf der Autobahn höchstens 100 km/h fahren – ich war ganz schön überrascht, dass es hier an manchen Stellen keine Begrenzung gibt. Am Anfang hatte ich auch ein bisschen Angst, wenn die anderen Autos auf der Autobahn an mir vorbeigerast sind. Aber jetzt finde ich das gut. Ich fahre hier jetzt auch viel schneller als in Japan. Nur noch nicht ganz so schnell wie die meisten anderen in Deutschland.

Gibt es etwas, das Sie hier sehr vermissen?

Uchida: Natürlich das japanische Essen. Aber meine Haushälterin Ayako Takakura kocht für mich und hilft mir auch sonst.

Sie leben allein hier?

Uchida: Ja, ohne Familie. In der Nähe in Dortmund und Bochum spielen Shinji Kagawa und Chong Tese, die ebenfalls aus Japan stammen. Außerdem kümmert sich Michael Frank von meiner mich beratenden Agentur um mich. Und meine Mitspieler in Schalke auch.

Die Unterhaltung muss aber schwierig sein...

Uchida: Einige deutsche Wörter kann ich schon: Guten Appetit, wie geht’s? (auf deutsch) Außerdem sprechen alle Englisch. Und seit kurzem lernen meine Mitspieler sogar Japanisch, um sich mit mir unterhalten zu können. Das freut mich sehr. Besonders Christoph Metzelder kann das schon gut: Er ist ein intelligenter Mensch und lernt schnell.

Trotzdem muss es für Sie schwierig gewesen sein, in den vergangenen Monaten die Turbulenzen mit dem Trainerwechsel auf Schalke zu verstehen.

Uchida: Sicher. Felix Magath hat mich nach Deutschland geholt und musste gehen, weil wir nicht gut gespielt haben – dafür entschuldige ich mich bei ihm. Aber mit Ralf Rangnick spielen wir jetzt sehr gut. Und ich möchte noch mehr Gas geben in Zukunft.

Das können Sie jetzt gegen Manchester tun. Hat Schalke eine Chance gegen diese berühmte Mannschaft?

Uchida: Wenn ich spiele, will ich gewinnen. Schalke ist schon jetzt eine große Mannschaft, aber ich möchte, dass die ganze Welt Schalke kennenlernt. Deswegen möchte ich nicht nur gegen Manchester gewinnen, sondern am liebsten danach auch das Finale. Das wäre schön.

Uchida: Wie haben Sie es eigentlich zuletzt geschafft, trotz der Sorgen um Ihre Heimat so gut zu spielen?

Vielleicht ist das unsere Mentalität. Japaner kapitulieren nicht so leicht vor einer schlimmen Situation. Ich wollte auf jeden Fall noch besser spielen als sonst.

Und wie hat Ihre Familie das Erdbeben überstanden?

Uchida: Meine Familie lebt in einer Region, die nicht so sehr vom Erdbeben betroffen war. Alle sind zum Glück gesund. Aber Kashima, die Stadt, in der ich gespielt habe, ist zerstört.

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