Gelsenkirchen.

Jeder kennt einen. Einen, bei dem Pizza oder Pasta, Wein oder Grappa einfach besser schmecken als woanders. Auch Ralf Rangnick. Und für den Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 wird dessen Lieblingsitaliener vermutlich immer ein Plätzchen frei räumen.

Am Samstagabend dürfte auch in dieser Trattoria das Stadtderby zwischen dem AC Mailand und Inter über den Fernseher geflimmert sein. Rangnick zählte allerdings nicht zu den Besuchern, die zum einen italienische Kochkunst und zum anderen Ballartisten in Rot und Blau genossen. Denn der 52-Jährige entschied sich nach dem in der 87. Minute beim Stand von 2:0 für seine Mannschaft, die Tore erzielten Raul und Julian Draxler, abgebrochenen Auswärtsspiel beim FC St. Pauli spontan für den Trip in die Lombardei. Er beobachtete Inter, den morgigen Gegner im Viertelfinale der Champions League lieber live im Giuseppe-Meazza-Stadion.

„Wir sind dort nicht chancenlos“, sagte Rangnick vor seinem Comeback in der Champions League. Ausgerechnet an dem Ort kehrt er zurück, an dem er auch zum bislang letzten Mal auf der Bank saß. Am 6. Dezember 2005 unterlag er mit Schalke dem AC Mailand 2:3 und verpasste das Achtelfinale.

Allerdings fehlen Rangnick morgen in San Siro mit Mario Gavranovic (Syndesmoseriss) und Peer Kluge (Bauchmuskelzerrung) zwei Spieler, die gegen St. Pauli in der Anfangself standen. Innenverteidiger Christoph Metzelder, der sich am Freitagabend einen Nasenbeinbruch zuzog, wird mit einer Spezialmaske in Mailand auflaufen.

Denn diesen ersten Höhepunkt einer insgesamt skurrilen Saison will kein Schalker verpassen. Außerdem können sich die Königsblauen trotz des Spielabbruchs wegen eines Bierbecher-Wurfes auf Linienrichter Thorsten Schiffner voll auf die Begegnung in der Königsklasse konzentrieren. Aller Voraussicht nach wertet der DFB-Kontrollausschuss das Spiel im Hamburger Stadtteil heute oder morgen mit 2:0-Toren und drei Punkten für Schalke. Die Gefahr, in den Abstiegskampf der Bundesliga gezogen zu werden, ist vorerst gebannt.

Für die Gastgeber um den aus dem sauerländischen Kirchveischede stammenden Sportchef Helmut Schulte lässt ein Blick auf ähnliche Zwischenfälle jedoch nichts Gutes erahnen. „Das Sportgericht wird ein Urteil fällen, wir werden es annehmen“, sagte Schulte betont demütig. Die Bandbreite der Sanktionen reicht von einer drastischen Geldstrafe über ein „Geisterspiel“ ohne Zuschauer bis hin zu einer Platzsperre.

„Durch solche Idioten wird die gesamte Fankultur beschädigt“, schimpfte Rangnick über den Becher-Werfer. „Es ist schade, dass so etwas gerade in diesem Stadion passiert, in dem immer eine fast einmalige Atmosphäre herrscht.“ Auch am Freitagabend - bis zur 87. Minute.

Was jedoch im Skandal fast unterging: Seine Handschrift war bei den Königsblauen bereits ein wenig zu erkennen. „Wir haben anders agiert als sonst. Wir wollten schnell nach vorne spielen, das ist uns auch gelungen“, sagte Torwart Manuel Neuer über die flottere Spielweise.

Für Abwehrspieler Benedikt Höwedes liegen die Unterschiede zu vorherigen grauen Liga-Auftritten in der Übungsarbeit. „Anders als Magath trainiert Rangnick spielorientierter, er hat eine andere Spielphilosophie und die versucht er im Training auch umzusetzen“, sagte er.

Nur einer hielt zurecht den Ball ganz flach - Sportvorstand Horst Heldt. „Inter hat nach wie vor eine sehr gute Mannschaft“, sagte er und warnte davor, den abstiegsbedrohten Kiez-Klub mit dem Titelverteidiger der Champions League zu vergleichen.

Der verlor das Stadtderby mit 0:3. Und Ralf Rangnick wertete am freien Sonntag vor dem heutigen Flug mit der Mannschaft nach Norditalien die Erkenntnisse seines Kurztrips aus. Vermutlich aber nicht beim Lieblingsitaliener.