Gelsenkirchen. . Schalkes Aufsichtsrats-Chef ist der Gegenspieler von Felix Magath. Bei der Aufsichtsrats-Sitzung am Mittwoch kommt es zum Showdown. Mit Magaths vermeintlichem Nachfolger Ralf Rangnick ist der Fleischindustrielle aus Rheda-Wiedenbrück per Du.
Es begann mit einem Vermächtnis. Bernd Tönnies war ein ungeheuer starker und dominanter Mann, für seinen kleinen Bruder Clemens war er Vorbild, vielleicht Idol, ganz sicher Orientierung. Am 1. Juli 1994 aber ereignete sich die Tragödie: Bernd Tönnies verstarb im Alter von nur 42 Jahren – Nierenversagen. Noch auf dem Sterbebett gab er seinem vier Jahre jüngeren Bruder Clemens mit auf den Weg: „Kümmere dich um Schalke.“
Bernd Tönnies war damals Präsident des FC Schalke 04 – gewählt in turbulenten Zeiten. Der Klub hatte wieder mal kein Geld, und die Zeit, dass die Kandidaten für den Fall ihrer Wahl einen Kleinbus für die Jugendabteilung springen lassen wollten, lag noch nicht so lange zurück. Auch bei der Wahl von Bernd Tönnies im Februar 1994 spielte die Mitgift zunächst eine größere Rolle als das königsblaue Blut in den Adern des Bewerbers.
Denn die Tönnies-Brüder hatten in Rheda-Wiedenbrück ein Fleisch-Imperium aufgebaut. Bernd gab die Strategie vor, Clemens kümmerte sich darum, dass der Betrieb lief. Die Brüder waren geprägt durch ihr familiäres Umfeld, sechs Kinder, einfache Verhältnisse, der Vater hatte einen kleinen Metzgerei-Betrieb. Daheim teilten sich Bernd und Clemens lange Jahre ein Bett, und als Kinder mussten sie „Knochen putzen“.
Clemens machte eine Metzger-Lehrer, aber dabei wollten es die ehrgeizigen Brüder nicht belassen: „Bernd und ich wollten von Anfang an richtig was auf die Beine stellen.“ Der Anfang: das war 1971, als die Brüder einen Großhandel für Fleisch- und Wurstwaren gründeten. Der Vater hatte einst „sieben Schweinchen die Woche“ geschlachtet, heute gehören die Fleischwerke Tönnies mit rund vier Milliarden Euro Umsatz zu den Größten ihrer Branche in Europa. Es ist ein harter Handel mit schmalen Gewinnmargen. Es geht ruppig zu, die Konkurrenz bezichtigt sich gegenseitig, derzeit verhandelt das Landgericht Essen über Tönnies – es geht, nachdem viele Vorwürfe fallen gelassen wurden, „nur“ noch um die Falsch-Etikettierung von Hackfleisch halb und halb, das angeblich zu viel Schweinefleisch beinhalte.
Tönnies ist kampferprobt. Im Berufsleben, wie auf Schalke. Als „CT“, wie er genannt wird, das Vermächtnis seines Bruders antrat, hielt er sich zunächst im Hintergrund – als einfacher Aufsichtsrat. Seit 2004 aber wurde er als Vorsitzender des Kontrollorgans nach und nach zum starken Mann auf Schalke. Als der Verein massive Liquiditätssorgen hatte, schoss Tönnies privat 4,7 Millionen Euro vor. In den Jahren, so wird kolportiert, habe der Aufsichtsratschef, etwa über stille Teilhaberschaften, sicher eine zweistellige Millionensumme investiert. Tönnies schweigt dazu.
Wirklich bekannt wurde Tönnies einer breiten Öffentlichkeit ohnehin erst 2006, als er die Trennung von Rudi Assauer zur Chefsache machte. Der langjährige Manager nannte Tönnies einen „Wurstheini“, der Gescholtene wies darauf hin, dass „Assauers Naturell nicht den Anforderungen entspricht, ein Unternehmen zu führen.“ Dass Tönnies den Rauswurf auch gegen viele Widerstände durchsetzte, sagt viel über seine Art der Führung: Er ist konsequent; und wenn er von einer Sache überzeugt ist, hält er viel aus.
Dabei, versichern Freunde, will Clemens Tönnies durchaus gemocht werden. Zu den Vertrauten des 54-Jährigen zählt etwa Bayern-Präsident Uli Hoeneß, mit dem er gemeinsam die wohltätige „Aktion Kinderträume“ initiierte – eine Einrichtung der Fleischindustrie zur Föderung schwerstkranker Kinder. Zu diesem Zweck gibt es auch einen Wettbewerb – die deutsche Zerlege-Meisterschaft. So widersprüchlich das klingt, so komplex ist auch Tönnies. Ein Alphatier, dessen Art zwischen kompromisslos und jovial changiert. Der Trainer Ralf Rangnick etwa, mit dem Tönnies per Du ist, schwärmte einst, er habe den 54-Jährigen als „hart, aber herzlich“ empfunden: „Tönnies nimmt seinen Job auf Schalke sehr ernst, anders als manch anderer Aufsichtsrat in der Liga.“ Es sieht so aus, als könne Rangnick das sehr bald wieder aus nächster Nähe erleben.