Fürth. Nur Zehnter - diese Platzierung in der Abschlusstabelle darf beim FC Schalke 04 niemand schönreden. Ein Kommentar.

Niemand verliert gern, dass der FC Schalke 04 aber das 34. und letzte Spiel dieser Zweitliga-Saison bei der SpVgg Greuther Fürth nach schlechter Leistung abgab, sorgte aber dafür, dass der Fokus aller Schalker darauf liegt, die in vielen Belangen unterirdische Saison schonungslos zu analysieren – mit einem möglicherweise achten ungeschlagenen Spiel in Folge hätte die Atmosphäre in eine War-am-Ende-doch-gut-Umarmung abgleiten können. Nein, wenig war gut in der an Schlagzeilen reichen Saison 2023/2024, der zehnte Platz am Ende ist für einen großen Klub wie Schalke eine Katastrophe. Dass alle Verantwortlichen im Klub – vom Vorstand bis zum Trainer – klare Fehler eingestanden, ist ein erster Schritt.

Schalke konnte sich auf Müller und Karaman verlassen

Dass die Rettung am Ende noch gelang, war nicht dem kompletten Turnaround eines ganzen Klubs zu verdanken. In größter Not verordnete Trainer Karel Geraerts sehr simplen Langer-Ball-Zweiter-Ball-Heldenfußball. Die Spieler rissen sich in den Zweikämpfen zusammen und konnten sich Woche für Woche auf Torwart Marius Müller, der unglaubliche Paraden zeigte, und Torjäger Kenan Karaman, der fast jede Chance nutzte, verlassen. Das genügte zu 43 Punkten.

Doch es gibt viele Themen, die Schalke aufarbeiten muss. Besser machen muss.

Schalke-Trainer Karel Geraerts
Schalke-Trainer Karel Geraerts © Jan Fromme /firo Sportphoto | Jan Fromme

Erstens: Die Kaderstruktur. Im Sommer 2023 bewerteten der damalige Sportvorstand Peter Knäbel und der frisch beförderte Sportdirektor André Hechelmann den Kader falsch. „Wir wollen und werden aufsteigen“, sagte der damalige Trainer Thomas Reis. Nicht korrekt. Der Kader war gerade gut genug für die Plätze acht bis zwölf, und landete der Qualität entsprechend auf Rang zehn. Knäbel, Hechelmann und Reis mussten alle vorzeitig gehen. Als Stützen fest eingeplant hatte das Trio – wie beim Aufstieg 2022 – Ralf Fährmann, Marcin Kaminski, Dominick Drexler und Simon Terodde. Doch das Quartett, zwei Jahre älter geworden, fand selten alte Leistungsstärke. Dieses Risiko war während der Vorbereitung nicht allen bewusst. In allen Mannschaftsteilen fehlte das Tempo, zudem der Abwehr die Stabilität – Schalke hatte die fünftschlechteste Abwehr der Zweiten Liga (60 Gegentore). Eine realistische Kadereinschätzung der kompletten sportlichen Leitung ist wichtig. Schalke braucht mehr Tempo, bessere Abwehrspieler – und nicht nur einen Spieler, der 20 Scorerpunkte garantiert. Karaman (13 Tore, 9 Vorlagen) war Schalkes Lebensversicherung.

Viele Schalke-Zugänge enttäuschten

Zweitens: Die Zugänge. Nicht nur etablierte Spieler enttäuschten. Fünf Beispiele: Lino Tempelmann (1. FC Nürnberg), Timo Baumgartl (PSV Eindhoven), Bryan Lasme (Arminia Bielefeld), Brandon Soppy (Atalanta Bergamo, im Winter) und Darko Churlinov (FC Burnley, im Winter) kamen als große Hoffnungsträger mit Erstliga-Qualität – bewiesen das aber zu keiner Zeit. Nur Müller (Luzern) überzeugte konstant, Paul Seguin (Union Berlin) und Tomas Kalas (vereinslos) entwickelten sich erst in den letzten Saisonwochen zu Stützen. Es ist die Aufgabe des neuen Kaderplaners Ben Manga, gemeinsam mit seinen Scouts das Aufgebot ausgewogener zu gestalten – und sich auch auf die Wünsche des Trainers einzulassen. Hechelmann versagte im Sommer 2023 Reis einige Wunschspieler.

Drittens: Die Hierarchie. Was Schalke im Sommer 2023 nicht gelungen war: Auf den Charakter der Spieler zu achten. In der Mannschaft entwickelten sich schnell Grüppchen – was im Mannschaftssport zwar nicht unüblich ist, in diesem Fall aber dazu führte, dass es auf dem Platz vor allem in Auswärtsspielen nur selten ein Aufbäumen gab. Aus dem sechsköpfigen Mannschaftsrat der Saison 2023/2024 wird niemand auch 2024/2025 im Rat sein, das ist keine schwierige Prophezeiung. Trainer Geraerts dürfte sämtliche Kritiker, und davon gab es teamintern nicht wenige, loswerden. Er muss seine künftigen Führungsspieler sehr sorgfältig auswählen.

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Viertens: Die Disziplin. Es war die Saison der Rauswürfe. Es begann mit Ralf Fährmann, der wegen umstrittener Aussagen seines Beraters in Sport Bild in Wiesbaden im Kader fehlte. Timo Baumgartl wurde im Anschluss an ein Sport-1-Interview in St. Pauli für eine Woche aus dem Aufgebot geschmissen. Thomas Ouwejan verhielt sich nach einer Auswechslung in Düsseldorf respektlos – ebenfalls eine Woche Denkpause. In der Rückrunde versetzte Geraerts Baumgartl (Grund: schlechte Leistungen im Training) und Dominick Drexler (Grund: Stellte sich über die Mannschaft) in die U23.

Fünftens: Die Auswärtsschwäche. Drei Siege aus 17 Spielen, Drittletzter der Auswärtstabelle, grausame Leistungen in Serie (3:5 in Düsseldorf, 1:4 in Kaiserslautern, 0:1 in Kiel, 0:3 in Magdeburg, 2:5 in Berlin, 0:2 in Fürth) – fängt sich Schalke nicht auswärts, wird auch die kommende Saison ein Debakel.

Schalke-Boss Axel Hefer
Schalke-Boss Axel Hefer © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Sechstens: Die Führungsschwäche. Doch nicht nur jeder rund um die Profimannschaft muss sich verbessern. Auch die Klubführung trug zur Unruhe der Saison bei. Dafür gibt es etliche Beispiele.

- Der seit drei Jahren von Axel Hefer geführte Aufsichtsrat entschied 2023/2024 zu oft nach dem Hire-and-Fire-Prinzip. Ex-Trainer Reis, im Mai 2023 gefeiert, war vier Monate später seinen Job los. Hechelmann wurde im Juni mit Lobeshymnen engagiert und ein halbes Jahr später gefeuert. Chefscout Chris Kresse kam im November, erhielt im Januar 2024 (lautstark kommuniziert) eine wichtige Rolle, nur um im April rausgeworfen zu werden. Addiert mit den Spieler-Sanktionen ergibt sich das Bild eines FC Rauswurf 04.

- Einen Hauptsponsor haben die Schalker immer noch nicht gefunden, die rund um die Verkündung viel diskutierte Zusammenarbeit mit der Agentur Sportfive muss sich erst noch bewähren.

- Der Dauerzoff zwischen Hefer und Vor-Vorgänger Clemens Tönnies ist immer noch nicht ausgeräumt und droht sich fortzusetzen.

- Indiskretionen prägten die komplette Saison, Hefer gelang es nicht, sie zu stoppen - in allen Bereichen des Klubs.

- Die finanziellen Probleme sind nach wie vor erheblich - und das ist nicht mehr allein auf die Altlasten zurückzuführen, wie Hefer häufig sagt. Dass Hefer Ex-Vorstandsboss Dr. Bernd Schröder engagierte, war beispielsweise ein millionenschwerer Fehler. Ob Modelle wie die Veräußerung von Stadionanteilen - auf welche Art auch immer - die Lösung sind?

- Eine offene Diskussionskultur gibt es im Klub aktuell nicht. Hefer und der Rest des Aufsichtsrats werden von den mächtigen Ultras Gelsenkirchen und weiteren Fanklubs der aktiven Fanszene, die im Stadion den Ton angeben, geschützt. Von persönlicher Kritik wurde Hefer bisher verschont. Die aktive Fanszene und die Vertreter des „alten“ Schalke um Tönnies stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Die Saison 2024/2025 ist auch für Hefer eine große Prüfung: Er hat die Führung zum wiederholten Mal großflächig umgebaut, CEO Matthias Tillmann und die Sportchefs Marc Wilmots und Ben Manga sind neu. Diesmal muss das aber sitzen. Eine weitere Flop-Saison kann sich Schalke (73 Millionen Euro Personalkosten im Jahr 2023) nicht erneut erlauben.

Schalke bleiben in der Sommerpause fünf Wochen Zeit, um sich neu aufzustellen. Die erste Schlüsselpersonalie ist geklärt, Trainer Geraerts bleibt. Ausgeschlossen ist es nicht, dass Schalke die richtigen Schlüsse zieht und im Aufstiegsrennen 2025 mehr als nur ein Wort mitredet. Aber dazu muss schon alles passen.

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