Gelsenkirchen. Ein Blick auf die Daten offenbart, wie gravierend die Defensivprobleme von Schalke 04 sind. Auffällig: Müller verhindert sogar noch Schlimmeres.
Dass es auf simple Fragen im Fußball oft keine einfachen Antworten gibt, musste Tomas Kalas am Dienstagmittag feststellen. Denn die Frage, wie es sein kann, dass Schalke 04 mit diesem Kader in der 2. Bundesliga schon 54 Gegentore kassiert hat, ist für den 30 Jahre alten Innenverteidiger nur schwer zu beantworten. „Es gibt sicher viele Gründe dafür“, sagte er auf WAZ-Nachfrage. Er selbst sehe sich aber nicht in der Position, öffentlich zu urteilen und dabei womöglich auch Mitspieler zu kritisieren. Das sei nicht fair, so Kalas. Er stellte aber klar: „So viele zu kassieren, ist nicht gut. Entweder wir gehen zu viel Risiko oder etwas anderes funktioniert nicht.“
Was Schalke laut Kalas fehlt, ist Konstanz – denn in einigen Spielen, wie etwa beim 3:1-Sieg gegen Tabellenführer FC St. Pauli bewies das Team bereits, dass es gut genug ist, um in der 2. Bundesliga zu bestehen. Nur zeigen die Königsblauen diese Qualitäten zu selten. Schwierig ist für die Defensivspieler auch, dass sich Aufstellung und Grundordnung im Laufe der vergangenen Monate immer wieder verändert haben. In seinen 17 Zweitligaspielen als Schalke-Trainer probierte Karel Geraerts zehn verschiedene Abwehr-Konstellationen der Vierer- und Fünferkette.
Schalke: Verheerender Wert bei zu erwartenden Gegentoren
Für die Verteidiger ist es so fast unmöglich, Automatismen einzuüben und Selbstvertrauen aufzubauen. Insgesamt 13 verschiedene Verteidiger standen bei S04 in der laufenden Saison schon auf dem Rasen. Zum Vergleich: Spitzenreiter St. Pauli probierte im gleichen Zeitraum nur neun verschiedene Spieler in der Abwehr aus.
Diese teils unzureichenden Automatismen führen immer wieder zu Chancen des Gegners – und statistisch außergewöhnlich guten Schusspositionen. Nur zwei Teams lassen den Gegner aus besseren Positionen im Strafraum zum Schuss kommen, wie die Datenexperten von CreateFootball ermittelt haben: Schlusslicht VfL Osnabrück und der St. Pauli. Im Gegensatz zu St. Pauli lässt Schalke auch noch überdurchschnittlich viele gegnerische Abschlüsse zu, von denen ein Großteil aus zentralen Positionen im Strafraum ist. Das Resultat: S04 fängt sich mit Blick auf zu erwartende Gegentore (xGoals) sieben Tore mehr als statistisch erwartbar.
Schalke-Torwart Marius Müller kann überzeugen
Einzig dem starken Torwart Marius Müller haben es die Schalker zu verdanken, dass sie in dieser Hinsicht nicht noch schlechter dastehen. Denn der 30-Jährige kann überdurchschnittlich viele Großchancen vereiteln und kassiert mit Blick auf zu erwartende Gegentore vier Treffer weniger als statistisch erwartbar – einer der Top-Werte der Liga.
Auffällig schwach ist bei den Schalkern auch das Zweikampfverhalten. Die Defensivzweikampfquote der Geraerts-Elf ist die schwächste der Liga (58 Prozent erfolgreich). Innenverteidiger Tomas Kalas (70 Prozent Zweikampfquote) zählt zwar in dieser Kategorie zu den Top-Spielern in Deutschlands Unterhaus, aber gerade Schalkes Außenverteidiger fallen deutlich ab. Henning Matriciani (54 Prozent gewonnene Defensivduelle) sowie Thomas Ouwejan und Cedric Brunner (je 56 Prozent gewonnene Defensivduelle) sind im Ligavergleich jedoch sehr schwach. Die Folge: Gerade über die Flügel ist Schalke anfällig.
Schalke ist extrem Anfällig für Konter und Schwach im Pressing
Anfällig sind die Gelsenkirchener auch nach Kontern des Gegners (schon fünf Konter-Gegentore). Ein Grund dafür ist auch das oft schwache Pressing. Zwar spielen die Schalker ein aggressives Pressing, doch erobern dabei schlicht zu wenig Bälle. Häufig werden sie im Mittelfeld zu einfach überspielt, was für Unter- oder Gleichzahlsituationen der Schalker Defensivspieler führt. Die Effizienz im Gegenpressing ist unterdurchschnittlich und hält mit der Intensität nicht Schritt, wie die Datenexperten von CreateFootball ermittelt haben.
Im Abstiegskampf sind all diese Schwächen ein riesiges Problem für die Schalker – und könnten im Saisonendspurt womöglich mitentscheidend sein. Auch, weil die Konkurrenz im Tabellenkeller in dieser Hinsicht besser ist, den Kampf längst angenommen hat. So zählen Eintracht Braunschweig und auch der 1. FC Kaiserslautern trotz sportlicher Krise zu den zweikampfstärksten Teams der Liga.
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