Gelsenkirchen. Schalke 04 sackt im sportlichen Jammertal durch das 1:2 gegen Hertha BSC immer weiter ab. Nun ist der neue Trainer Karel Geraerts gefordert.
Es führen zahlreiche Wege aus der Veltins-Arena nach draußen, aber den gewöhnlichsten Ausgang nahmen die wichtigsten Entscheidungsträger des FC Schalke 04 am Sonntag nicht. Dort, wo Spieler, Trainer, Vorstände nach den Leistungen und Ergebnissen befragt werden, warteten die Reporter diesmal vergeblich. Alles musste schnell gehen, Sportvorstand Peter Knäbel und Sportdirektor André Hechelmann begaben sich unmittelbar nach der erschütternden 1:2 (0:1)-Pleite gegen Hertha BSC auf den Weg zu Karel Geraerts. Es gab noch letzte Details zu besprechen – und eine noch ausstehende Vertragsunterschrift einzuholen. Denn der 41 Jahre alte Belgier, bis zum Sommer mitverantwortlich für den Höhenflug von Union Saint-Gilloise, soll nach Möglichkeit noch an diesem Montag als neuer Trainer vorgestellt werden. Um 12 Uhr hat Schalke zu einer Pressekonferenz geladen. Dann dürfte es offiziell werden.
Peter Knäbel, durch die sportliche Misere der Königsblauen und die eigene Arbeit zuletzt bei einigen Fans und einer Opposition, die sich eine andere Führungsweise und andere Führungspersonen wünscht, in Ungnade gefallen, betonte vor dem Verlassen der Arena vor einer TV-Kamera noch die Handlungsfähigkeit der Entscheidungsträger: Aufsichtsrat, Sportausschuss und sportliche Leitung hätten viele Gespräche geführt. „Und jeder, der mal einen Trainer gesucht hat, weiß, wie lange das dauert und dass es dafür auch das entsprechende Vertrauen braucht“, so der 57-Jährige.
Matthias Tillmann als neuer Vorstands-Chef von Schalke 04
Alles neu macht der Oktober, ist man geneigt zu sagen; und das ist auch notwendig. Karel Geraerts – der sich als bodenständig bezeichnet, als jemand, der versucht, „so professionell wie möglich zu arbeiten, am Puls der Zeit zu sein“ – soll schleunigst die Arbeit aufnehmen. Er muss dann versuchen, das strauchelnde Schalke zu stabilisieren und in die Gefilde zu führen, in denen nicht nur der Drittletzte der Zweitliga-Tabelle sich verortet, sondern eigentlich auch ganz Fußball-Deutschland. Bereits am Donnerstag könnte Geraerts bei einem Testspiel gegen Heracles Almelo (13 Uhr) im Gelsenkirchener Parkstadion erste Eindrücke sammeln, das Pflichtaufgabendebüt wäre dann das Auswärtsspiel gegen den Karlsruher SC in zwei Wochen.
Doch das ist nicht die einzige Personalie, die die Länderspielpause in Gelsenkirchen keineswegs zu einer ruhigen Auszeit vom so unerquicklichen Ligageschehen machen wird. Wie diese Redaktion erfahren hat, wird Matthias Tillmann in Kürze als neuer Vorstandschef präsentiert. Als Nachfolger des freigestellten Bernd Schröder tritt er aber erst zum neuen Jahr seinen Dienst an. Sein bisheriger Arbeitgeber Trivago gab jüngst bekannt, dass Finanzvorstand Tillmann 2024 eine neue Herausforderung annehmen werde.
+++ Kommentar: Schalke holt Tillmann von Trivago: Axel Hefer macht sich noch angreifbarer +++
Bei der Internet-Hotel-Suchmaschine sind sich Tillmann und Axel Hefer, Chef des Schalker Aufsichtsrats, schon über den Weg gelaufen, Hefer war dort einige Jahre Vorstandsboss. Noch ungeklärt ist die Zukunft des Sportvorstands, Peter Knäbel sieht sich Vorwürfen und Schuldzuweisungen am sportlichen Niedergang von Schalke 04 ausgesetzt, kämpft aber um eine Vertragsverlängerung über den Sommer 2024 hinaus. Union Berlins Sportchef Oliver Ruhnert, der von 2008 bis 2017 die Knappenschmiede geleitet hat und vor allem Wunschkandidat besagter Opposition (sofern sie ans Ruder käme) ist, betonte am Wochenende noch mal, dass ihn in dieser Saison nichts aus Köpenick wegziehen würde.
Mehr News und Hintergründe zu Schalke 04:
- Konter-Liebhaber, am Puls der Zeit, ein Mann mit großen Karriere-Aussichten – das bekäme Schalke 04 mit Karel Geraerts
- Schalke 04 in Noten: Justin Heekeren verdirbt sich das Debüt
- Schalke-Fans stellen Support ein - das sagt Sebastian Polter
- Schalkes Norbert Elgert dementiert Gerücht um Oliver Ruhnert
- Schalke: Choreo-Verbot im Block? Neue Vorwürfe gegen Polizei
Bei Union Saint-Gilloise hatte sich Karel Geraerts trotz der Erfolge nicht auf eine weitere Zusammenarbeit einigen können. „Wir haben ihn wachsen sehen, und er hat die sich bietenden Chancen mehr als genutzt“, sagte Klubchef Alex Muzio nach der Trennung, „er hat als Trainer eine großartige Karriere vor sich.“ Der Name von Geraerts künftigem Arbeitgeber ist sicher trotz der nun schon jahrelangen Europa-Abstinenz noch größer als der von Union – der ausgesuchte Trainer wird bei seiner neuen Aufgabe als Nachfolger von Thomas Reis jedoch viele Mängel beheben müssen, die auch im Duell der enttäuschten Erstliga-Absteiger am Sonntag offengelegt wurden.
Heekeren versaut sich das Schalke-Debüt
Uninspirierte Spielweise, dürftige Abwehrarbeit, überall auf dem Platz spürbare Verunsicherung führten zu der sechsten Pleite im neunten Spiel. „Das Trikot von Schalke 04 ist schwerer als andere“, sagte Interimstrainer Matthias Kreutzer bei seinem letzten Einsatz. Smail Prveljak (41.) war bei der Führung um eine Fußspitze cleverer als der zurückgekehrte Timo Baumgartl, Fabian Reese (51.) verdarb mit einem Tunnel Torhüter Justin Heekeren das Pflichtspieldebüt für Königsblau. Yusuf Kabadayi verkürzte in der 80. Minute. Kreutzer: „Die Tabelle lügt Stand jetzt natürlich nicht. Jetzt ist der allerallerspäteste Zeitpunkt, dass wir begreifen, wo wir sind.“ Peter Knäbel und André Hechelmann werden dies in ihren Gesprächen mit Karel Geraerts sicher auch angesprochen haben.