Wiesbaden. Schalke 04 verschenkt den Sieg bei Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden. Nach dem Last-Minute-Gegentor finden Spieler und Trainer deutliche Worte.

Seine Gefühlslage wollte Timo Baumgartl gar nicht verbergen. „Enttäuschung, Fassungslosigkeit“, sagte der Abwehrchef des Zweitligisten FC Schalke 04 nach dem 1:1 (0:0) beim SV Wehen Wiesbaden, einem Last-Second-Unentschieden, das dem Spielverlauf nicht entsprach, das der glückliche Aufsteiger feierte wie die Meisterschaft. Eins, das der in die Kritik geratene Trainer Thomas Reis so zusammenfasste: „Über 90 Minuten gesehen sind das zwei verschenkte Punkte.“

Schalke kassiert Billard-Slapstick-Gegentor

Es war das Tor zum 1:1, das die komplizierte Lage der Königsblauen perfekt ergänzte. Die fünfte Minute der Nachspielzeit lief bereits, die knappe Führung hatte Schalke lange souverän verteidigt, war erst kurz vor dem Ende nervös geworden. Wehens Kapitän Sascha Mockenhaupt schoss aufs Schalker Tor, dort stand aber Henning Matriciani richtig und wollte den Ball wegschlagen – doch mit seinem Befreiungsschlag traf er Max Reinthaler, von dessen Körper der Ball ins Tor sprang. Ein Billard-Slapstick-Gegentor. Ein Tor, das die Schalker so konsternierte, dass sie in der 97. Minute beinahe noch verloren hätten – doch Ivan Prtaijn schlenzte den Ball über das Schalker Tor. Es waren die einzigen großen Chancen für Wehen.

Über weite Strecken war das Spiel für die Schalker so wie erhofft und geplant gelaufen. Sie versuchten es diesmal nicht mit langen Bällen nach vorn, sondern bauten geduldig aus der Abwehr heraus auf. Um weniger konteranfällig zu sein, standen sie nach einem Ballverlust kompakter, setzten nicht konsequent auf Pressing.

+++ Schalke-Noten: Nur ein S04-Profi kann wirklich überzeugen +++

Timo Baumgartl lobte deshalb: „Das sah defensiv sehr, sehr gut aus. Wehen ist sehr viel hinterhergelaufen – genau das, was wir wollten. Es war sehr gut zu sehen, welche Räume wir bespielen wollten.“ Vor allem die erste Halbzeit habe aus seiner Sicht sogar nach gutem Fußball ausgesehen, lobte Baumgartl. Chancen aber gab es kaum, lediglich einige Ecken und Freistöße von Thomas Ouwejan sorgten für Gefahr. „Im letzten Drittel“, kritisierte Reis, „hat uns in der ersten Halbzeit die Durchschlagskraft gefehlt.“ Für die 11.003 Zuschauer, darunter rund 6.000 lautstarke Schalker, war das chancenarme Spiel langweilig, 0:0 stand es nach 45 Minuten. Schalke kam zwar zu vier Ecken, sechs Torschüssen, 13 Flanken und 56 Prozent Ballbesitz – aber zu keiner großen Möglichkeit.

Schalke-Trainer Thomas Reis sah eine Leistungssteigerung. Mit dem Ergebnis konnte er aber nicht leben.
Schalke-Trainer Thomas Reis sah eine Leistungssteigerung. Mit dem Ergebnis konnte er aber nicht leben. © firo

Das änderte sich nach dem Seitenwechsel. Reis, dem zuvor in dieser Saison nicht alles gelungen war, wechselte Zugang Derry John Murkin (FC Volendam) als Linksaußen ein und zog Linksfuß Tobias Mohr auf die rechte Seite. Das lohnte sich. In der 54. Minute spielte Murkin einen blitzgescheiten Flachpass in den Strafraum, Mohr rückte clever ein und traf zum viel umjubelten und verdienten 1:0 für Königsblau.

Der spielerisch sehr schwache Aufsteiger bemühte sich danach um offensive Aktionen, doch das ging nach hinten los. Die Schalker kamen deshalb zu zwei Matchbällen. In der 75. Minute drang Murkin in den Strafraum ein, schoss den Ball aber an den rechten Torpfosten. Acht Minuten später kam Danny Latza frei zum Schuss, doch auch er traf nur den Pfosten.

Schalke: Mehr News und Hintergründe

Nach Latzas Pfostenschuss begann Schalkes Wackelphase. „Wir haben den Gegner unnötig stark gemacht“, schimpfte Reis. Selbstkritisch waren auch die Spieler. „Wenn wir ein Spitzenteam sein wollen, was wir noch nicht sind, ich sage bewusst noch, dann muss man das Spiel killen. Wenn wir das 2:0 schießen, bricht Wehen zusammen. Das haben wir nicht geschafft“, sagte Baumgartl.

Cedric Brunner äußerte sich ähnlich. „Eine Spitzenmannschaft der Zweiten Liga gibt das Spiel nicht mehr aus der Hand“, sagte er und ergänzte nachdenklich: „Wir haben einen guten Schritt gemacht und ein anderes Gesicht gezeigt, aber das ist nach einem 1:1 in Wiesbaden für mich natürlich schwer darzustellen.“

Schalke geht mit schlimmer Bilanz in die Länderspielpause

Vier Punkte hat Schalke nach fünf Spielen geholt – viel zu wenig für die eigenen Ansprüche. Die nächsten Gegner haben es in sich: Nach der Länderspielpause kommt Magdeburg (16. September), dann fährt Schalke nach St. Pauli (23. September).