Leipzig. Riesen-Enttäuschung bei Schalke 04: Eine starke Leistung in Leipzig reicht nicht zum benötigten Punkt. Mit dem 2:4 ist der fünfte Abstieg durch.

Sie hatten alles gegeben, sich verausgabt bis zur Erschöpfung oder in der Fankurve so laut gesungen wie es die Stimmbänder hergaben – und doch versank der FC Schalke 04 um 17.23 Uhr im Tal der Tränen. Nach der 2:4 (1:2)-Niederlage bei RB Leipzig ist Schalke zum fünften Mal in die 2. Bundesliga abgestiegen. Auf dem Platz weinten Spieler, auf den Stehplätzen die Fans. Auf der Tribüne sanken einige Spieler enttäuscht in ihre Sitze. Zum Symbol wurde Simon Terodde, der gelbgesperrte Torjäger. Mitgereist war er nach Leipzig, saß in Block 117 neben Mitspielern und Fans, sprang auf, dirigierte, jubelte zwischendurch. Doch am Ende: Aus, vorbei, Abstieg.

Vorausgegangen war ein Spiel, ein Fußball-Nachmittag, der das Wort Drama verdient, der ein Auf und Ab bot wie die komplette Saison. Die während der Woche meistdiskutierte Frage beantwortete Schalkes Trainer Thomas Reis mit dem erwarteten Namen: Ralf Fährmann feierte nach fünfwöchiger Verletzungspause sein Comeback. Reis wechselte auf fünf weiteren Positionen. Die Schalke-Hoffnung darauf, dass die Leipziger, als sicherer Tabellendritter bereits für die Champions League qualifiziert, ihre A-Elf fürs Pokalfinale schonen würden, ging nicht auf. Die Leipziger brachten auf fast allen Positionen ihre Stammelf – also auch die Wirbel-Offensive mit Dani Olmo, Timo Werner und Christopher Nkunku.

Schalke dreht 0:2 in 2:2

Auf geht's, Schalke 04: Marcin Kaminski bejubelt seinen Treffer zum Ausgleich in Leipzig.
Auf geht's, Schalke 04: Marcin Kaminski bejubelt seinen Treffer zum Ausgleich in Leipzig. © Firo

Reis hatte die seiner Mannschaft die in der Rückrunde oft erfolgreiche, aber vor allem in Spitzenspielen riskante Taktik mit auf den Weg gegeben. Sie beinhaltete ein hohes Pressing der Leipziger Abwehrspieler mit der Gefahr, in schnelle Konter zu laufen. Und genau das geschah in den ersten 20 Minuten. Doch nicht nur in Leipzig ging für die Königsblauen alles schief.

Schon in der dritten Minute hätte das erste Tor für Leipzig fallen können. Schalkes Rodrigo Zalazar vertändelte den Ball im Mittelfeld – ein Konter: Konrad Laimer spielte quer statt selbst abzuschließen, Glück für Schalke. In der fünften Minute machte die Runde unter allen S04-Fans, dass im wichtigen Parallelspiel zwischen Konkurrent Bochum und Leverkusen ein Bayer-Spieler die Rote Karte gesehen hatte. Ein Uff-Moment für Königsblau. Elf Minuten waren gespielt, als RB zum ersten Mal jubelte. Nach einem weiten Pass von Torwart Örjan Nyland verlor S04-Danny Latza den Zweikampf gegen Dani Olmo. Der stürmte auf und davon, schoss aufs Tor – Fährmann wehrte in die Mitte ab, dort stand Laimer frei und nutzte den Abstauber – 1:0 für Leipzig. Es kam schnell noch schlimmer: Nur Sekunden, nachdem Bochum das 1:0 gelungen war, tanzte Nkunku nach Doppelpass mit Olmo die ganze Schalker Abwehr aus und schob den Ball flach zum 2:0 für RB ins Tor. Der mit Spannung erwartete Tag schien schon nach 19 Minuten zu Ende zu sein. Auf der Tribüne sanken Simon Terodde, Moritz Jenz und alle anderen mitgereisten Spieler still in die Sitzplätze.

Die Leipziger schienen aber mit der klaren Führung zufrieden zu sein und bei aller Aussichtslosigkeit fassten sich die Schalker ein Herz und spielten bis zur Pause ein richtig gutes Auswärtsspiel. Sie kombinierten sich häufig in den Leipziger Strafraum, schossen in der ersten Hälfte häufiger aufs Tor (7:5) – und sie kamen heran. Im Anschluss an eine Ecke von Zalazar köpfte Marcin Kaminski das Tor zum 1:2. Zalazar selbst vergab zwei Ausgleichschancen (33./37.), das 2:2 lag in der Luft – auch das zwischenzeitliche 2:0 für Bochum schockierte die Schalker nicht. Leipzig kam nur noch zweimal gefährlich vors Tor. In der 39. Minute scheiterte Amadou Haidara an Torwart Fährmann, kurz vor der Pause fiel Nkunku nach einem Zweikampf mit Dominick Drexler im Strafraum zu Boden – nach Videobeweis entschied Schiedsrichter Harm Osmers: kein Elfmeter, weiterspielen. Kurz darauf pfiff Osmers zur Pause – Schalke lag mit 1:2 zurück und wusste bei den Zwischenständen in den anderen Stadien: Ein Sieg ist nötig – und Ausrutscher der Konkurrenz.

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Schalke 04 brauchte ein Tor für die Relegation

Das wussten die Schalker natürlich – und sie begannen die zweite Hälfte so, wie sie vor der Pause aufgehört hatten: leidenschaftlich, ehrgeizig, offensiv- und risikofreudig. In der 47. Minute verpasste Sepp van den Berg den Ball nach einer Ecke nur knapp. Drei Minuten später eroberte Dominick Drexler im Leipziger Strafraum beim Pressing den Ball, Marius Bülter schob ihn an den Innenpfosten, den Abpraller lenkte RB-Kapitän Willi Orban ins eigene Netz – 2:2, Hoffnung bei Schalke. Auf der Tribüne jubelten die mitgereisten Spieler, als wären sie Fans auf den Stehplätzen. Die Konzentration galt nun dem VfB Stuttgart, der zu dieser Zeit nicht über ein 0:0 gegen Hoffenheim hinauskam. Ein weiteres Tor – und S04 würde Stuttgart überholen.

Doch im Überschwang der Emotionen wurde Schalke nachlässig und gestattete den Leipzigern viel Platz in der eigenen Spielhälfte. Das nutzten Nkunku (52.), Marcel Halstenberg (53.) und Werner (54.) zu drei Torschüssen, dreimal parierte Torwart Fährmann bravourös. Immer wieder blickten die Schalker zur Konkurrenz – Bochum führte immer noch mit 2:0 gegen Leverkusen. Und die Stuttgarter? 0:0 gegen Hoffenheim.

Poulsen schießt Schalke in die Zweite Liga

Auf geht's, Schalke 04: Marcin Kaminski bejubelt seinen Treffer zum Ausgleich in Leipzig.
Auf geht's, Schalke 04: Marcin Kaminski bejubelt seinen Treffer zum Ausgleich in Leipzig. © Firo

Die Schalker spielten nun immer offensiver, riskierten mehr, in der 78. Minute erhielten sie eine erlösende Nachricht auf ihre Smartphones: Hoffenheim hatte das 1:0 in Stuttgart erzielt, nur ein weiteres Tor würde genügen zur Relegation. Doch mitten in dieser Euphorie setzten die Leipziger den spielentscheidenden Konter. Nkunku setzte sich am Strafraum durch, spielte Yussuf Poulsen frei – 3:2 für RB, der K.o. für die Königsblauen. Entsetzen auf dem Platz, in der Kurve, auf der Tribüne. Bei Fans und Spielern. Nkunku machte in der Nachspielzeit noch das 2:4.

Nach diesem Treffer begann der königsblaue Abschied. Und um 17.23 Uhr war er perfekt.

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