Gelsenkirchen. Schalke trifft auf Hertha BSC, Schlusslicht erwartet den Tabellenvorletzten. Beiden Klubs droht ein schmerzhafter Absturz in dieser Saison.
Die Fußball-Rhetorik kann manchmal brachial sein. Am Freitag trifft der Bundesliga-Letzte Schalke 04 auf den Vorletzten Hertha BSC (20.30 Uhr/DAZN) – und da fallen solche kräftigen Sätze. „Das wird scheppern“, sagte Schalkes Sportvorstand Peter Knäbel. „Das wird ein hartes Spiel“, erklärte Trainer Thomas Reis. Kevin-Prince Boateng, inzwischen 36 Jahre alter Mittelfeld-Rowdy von Hertha BSC, sagte gar: „Da gibt es vielleicht auch mal eine Rote Karte.“
Sieben Spieltage vor Saisonende duellieren sich zwei Traditionsklubs mit Angst vor dem Absturz. Wer dieses Spiel verliert, dürfte es schwer haben im Abstiegskampf. Und doch vermied Reis einen entscheidenden Begriff. „Es ist ein sehr, sehr wichtiges Spiel. Aber von einem Finale zu sprechen – dieser Ausdruck passt mir nicht. Es kann schon deshalb kein Finale sein, weil danach noch einige Spiele folgen“, sagte Reis.
Schalke und Hertha sind aus der Bundesliga kaum wegzudenken
Die Schalker bestreiten ihre 54. Bundesliga-Saison, die Berliner ihre 40. – beide sind kaum wegzudenken aus der Erstklassigkeit. Die Tradition eint die Klubs, auch die sportliche Situation – sonst gibt es mehr Unterschiede als Parallelen.
Das betrifft vor allem die finanziellen Möglichkeiten in dieser Saison. Der Spieleretat der Hertha beträgt rund 80 Millionen Euro, die Königsblauen geben lediglich etwa 33 Millionen Euro für Gehälter aus. War den Schalkern klar, dass es im ersten Jahr nach dem Aufstieg nur um den Klassenerhalt geht, gewöhnten sich die Berliner, die vor einem Jahr in der Relegation gegen den HSV den Klassenerhalt schafften, langsam an den Abstiegskampf. Profis, die mehr als 2 Millionen Euro verdienen, sind bei Hertha keine Ausnahme – auf Schalke übertreffen nur wenige diese Summe. Hertha hat international bekannte Profis wie Boateng, Lucas Tousart, Stevan Jovetic und Dodi Lukebakio im Kader. Die Schalker sind froh, dass sich ihr wichtigster Spieler Moritz Jenz für den Krimi fit zurückgemeldet hat. Einer, der acht Bundesligaspiele absolviert hat.
Es gibt auch ein paar Gemeinsamkeiten – beide Klubs haben ambitionierte Episoden mit schillernden Konzepten und Personen hinter sich. Die Schalker trennten sich in den vergangenen Jahren vom langjährigen Klubpatriarchen Clemens Tönnies (Juni 2020) und als Folge des Ukraine-Krieges von Hauptsponsor Gazprom (Februar 2022). Die Berliner haben die Big-City-Club-Vision gerade erst ad acta gelegt – der ehemalige Investor Lars Windhorst, der 374 Millionen Euro in den Klub investiert hatte, verkaufte seine Anteile und trat als Mitglied aus. Ob Tönnies und Gazprom hier, Big City Club und Windhorst dort – es waren turbulente Zeiten.
Bei beiden Klubs neigen die Verantwortlichen zur Kurve
Die Mitglieder vertrauten ihre jeweilige Klubführung Fans an – Schalke wählte Axel Hefer, im Hauptberuf Chef des Reiseunternehmens Trivago, 2021 zum Aufsichtsratschef. Hefer ist für seine Nähe zum mächtigen Supporters-Club bekannt, bevorzugt Kurve statt Loge. Eventmanager Kay Bernstein, seit Juni 2022 Hertha-Präsident, hatte 1998 eine Berliner Ultra-Gruppierung mitgegründet.
Klassenerhalt, Abstieg, Absturz? Egal, wie die Saison für Schalke 04 und Hertha BSC ausgeht: Der Umbruch wird bei beiden noch viele Jahre dauern. Das Spiel ist eben auf vielen Ebenen reizvoll. Oder wie Thomas Reis das formulierte: „Dafür bin ich Trainer geworden.“