Gelsenkirchen. Gerald Asamoah ist bei Schalke 04 Lizenzspieler-Leiter. Im Interview zählt er Gründe auf, warum er an den Klassenerhalt in der Bundesliga glaubt.
Die Zeiten sind mal wieder schwierig geworden für den FC Schalke 04, die Mannschaft steht in der langen WM-Pause auf dem letzten Platz der Bundesliga. Dabei liegt der ganz groß gefeierte Wiederaufstieg gerade mal ein halbes Jahr zurück. Gerald Asamoah lächelt, hebt die Arme und zuckt mit den Schultern. „So ist Schalke“, sagt der 44-jährige Kultfußballer der Königsblauen, der heute als Leiter der Lizenzspieler-Abteilung in verantwortlicher Position arbeitet.
National ist das Profifußball-Jahr 2022 beendet. Wenn Sie es Revue passieren lassen, woran denken Sie zuerst?
Gerald Asamoah: An die guten Zeiten. Der Aufstieg war etwas Besonderes, vor allem die Siegesserie unter Mike Büskens am Saisonende war einmalig.
Das letzte halbe Jahr war aber ein Crashkurs in Sachen Schalke – so ein Auf und Ab gibt es nur hier, oder?
Das ist Schalke. Uns war nach dem Aufstieg klar, dass es bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg geht. Dass wir nun Tabellenletzter sind, haben wir uns natürlich nicht erhofft. Wir tun alles dafür, dass wir aus dem Tabellenkeller rauskommen.
Sie kennen Schalke seit über zwei Jahrzehnten. War es ein selbst für Schalke-Verhältnisse überdurchschnittlich intensives Jahr?
Das ist für mich schwer zu beantworten. Als Spieler nimmst du gewisse Sachen gar nicht wahr. Du kannst Adrenalin und Emotionen auf dem Platz rauslassen. Du denkst nicht daran, wie viel Arbeit wirklich in einem Verein steckt. Als Funktionär bist du auch in der Kabine und auf der Bank, aber ab einem bestimmten Punkt hast du nichts mehr in der Hand. Nachdem der Aufstieg feststand, war ich kaputt, weil so viel Druck abgefallen ist.
Sie sind nun schon seit einigen Jahren Funktionär. Haben Sie sich daran immer noch nicht gewöhnt?
Nein, denn du kannst nie abschalten. Du hast ja auch ständig dein Diensthandy dabei. (lacht) Als Spieler war es so: Du bist raus aus der Kabine, und vorbei ist der Tag. Dass ich nur schwer abschalten kann, hat aber nicht nur etwas mit dem Diensthandy zu tun. Überall, wo ich bin, werde ich immer mit Schalke konfrontiert. Selbst im Urlaub.
Sie kennen die Fans gut. Nach der Aufstiegsfeier haben Sie noch angemerkt, wie oft sie schon auf die Champions League angesprochen worden seien. Haben sich die Fans inzwischen an die neue Bescheidenheit gewöhnt?
Ein Fan kann viele Sachen sehr gut einschätzen. Der Fan weiß, wann er motivieren muss, wann er seinen Unmut äußern muss. Unsere Fans haben irgendwann gemerkt, dass die Mannschaft auf dem Platz alles gibt, zurzeit aber nicht erfolgreich spielt. Ich hatte neulich ein Gespräch mit Alex Kral, der mir gesagt hat: Asa, ich habe es noch nie erlebt, dass die Fans uns feiern, obwohl wir verloren haben. Ich habe gesagt: Alex, das war auch nicht immer so, aber die Zeiten hier sind jetzt anders. Ich hoffe, dass wir das alles mit Siegen zurückzahlen können.
Ist es schwer, im Misserfolgsfall einen Teamgeist aufrecht zu erhalten?
Wenn du Spiele gewinnst, musst du keine Einzelgespräche führen. Ich weiß nicht, ob Bayern München Einzelgespräche führt, weil sie immer gewinnen. (lacht) Umso schwerer ist es, wenn du unten stehst. Du musst die Jungs motivieren, ihnen den Glauben vermitteln: Wir schaffen das. Wenn du als Offizieller aufgibst, hast du ein Problem.
Kam der Trainerwechsel von Frank Kramer zu Thomas Reis zu spät? Man sieht, dass gerade etwas passiert. Das Spiel hat sich verändert, die Mannschaft tritt mutiger auf.
(überlegt) Frank Kramer ist ein guter Trainer. Er hat sich sehr eingebracht in unseren Verein. Am Ende war es nicht erfolgreich. Man muss aber auch sagen, dass wir alle gemeinsam als Staff, als Team es nicht geschafft haben, aus der Situation das Beste rauszuholen. Jetzt müssen wir nach vorne schauen. Ich freue mich sehr, dass es mit Thomas so gut anläuft. Ich bin selbst lange im Geschäft und weiß: Kommt ein neuer Trainer, hoffen viele auf eine neue Chance. Und Thomas hat es mit seiner Art und Weise zu arbeiten hinbekommen, dass die Mannschaft mehr Risiko eingeht.
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Thomas Reis hat erzählt, dass er zügig neue Spieler haben möchte und welche Vorstellungen er hat. Wie eng sind Sie ohne den zurückgetretenen Sportdirektor Rouven Schröder eingebunden?
Peter Knäbel ist als Sportvorstand verantwortlich – aber wann immer nach meiner Meinung gefragt wird, gebe ich meinen Input.
Ist so ein Trainerwechsel auch eine Niederlage für Sie als Funktionär?
Ein Stück weit schon. Ich versuche, das Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer auf der einen und dem Sportdirektor und Vorstand auf der anderen Seite zu sein. Es geht nicht darum, dass große Freundschaften entstehen, aber es ist nie einfach, wenn jemand, den du sehr gut kennengelernt und mit dem du eng zusammengearbeitet hast, gehen muss. Frank kannte ich sogar seit längerer Zeit, er war einmal mein Cheftrainer in Fürth. Es ist nicht so, dass ich denke: Der eine ist weg, gut, jetzt kommt der Nächste. Das macht immer etwas mit dir.
Auch der Sportdirektor ist nicht mehr da. Haben Sie den Rücktritt von Schröder kommen sehen?
Als Rouven mit mir gesprochen hat, war ich sehr überrascht. Es ist schade, aber ich habe Respekt davor, dass er für sich den Schlussstrich gezogen hat. Ich wünsche ihm das Beste, er hat uns sehr viel gegeben.
Wollen Sie ihn jetzt als Sportdirektor beerben?
Nein. Ich habe ja die U23 hier auf Schalke ein paar Jahre lang als Manager verantwortet, meine aktuelle Aufgabe war der nächste Schritt, zudem das berufsbegleitende DFB- und DFL-Studium, das gerade angefangen hat. Ich habe hier nie gesagt, dass ich jetzt Rouven beerben will. Ja, ich möchte in Zukunft einmal Sportdirektor sein. Das muss aber nicht jetzt sofort und direkt auf Schalke sein, das kann auch woanders sein.
Woanders?
(lacht) Ab und zu muss man ja klein anfangen, um dann wieder zurückzukommen. Mein Weg ist aktuell: lernen, lernen, lernen, um irgendwann einmal selbst zu gestalten.
Über Sie wurde geschrieben, aus Klubkreisen sei zu hören, sie wären ein „Trainer-Rauswurf-Beschleuniger“. Hat Sie das gewundert?
Ich wusste gar nicht, dass ich so viel Macht habe. (lacht) Spaß beiseite, es hat schon geschmerzt, weil es einfach nicht stimmt. Zu Dimitrios Grammozis und Frank Kramer hatte ich sehr guten Kontakt. Doch jeder weiß, wie das Geschäft ist: Läuft es gut, werden alle gefeiert. Läuft es schlecht, ist jeder ein Teil der Niederlagen.
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Sie sind eng mit Mike Büskens befreundet, der auch ein wildes Jahr hatte – er war erst Aufstiegstrainer und nun auch in der Kritik.
Buyo war nie ein Problem für Schalke und wird nie ein Problem sein. Er hat nicht die Ambition, Cheftrainer auf Schalke zu sein, er hat uns im März einmalig in der Not geholfen. Er blüht in seiner aktuellen Aufgabe, die jungen Spieler zu begleiten, richtig auf.
Sehen Sie beide es denn als Problem an, wenn ein Spieler wie Alex Kral im gelben Lamborghini kommt?
Als ich 1999 nach Schalke kam, war das Erste, was Manager Rudi Assauer mich gefragt hat: Was fährst du für ein Auto? Ich habe geantwortet: Einen Mercedes CLK. Er antwortete: Okay, das geht noch. Wir wissen, was hier in den vergangenen Jahren passiert ist. Und deshalb versuchen wir, einem Spieler einen Tipp zu geben. Wir sind lange dabei in diesem Verein und können sagen, was vielleicht nicht so gut ankommt. Es wäre falsch, wenn wir nur zugucken würden. Am Ende muss er selbst entscheiden, was er macht. Es gibt keine Verbote. Es ist nur eine Hilfe.
Haben Sie mit Blick auf 2023 Angst vor einem erneuten Abstieg in die 2. Bundesliga?
Es beschäftigt mich schon, weil wir aktuell Letzter sind. Aber Sie kennen mich und wissen, dass ich ein positiver Typ bin. Ich bin voller Optimismus, dass wir es packen werden. Man hat in den letzten Spielen gesehen, was in der Mannschaft steckt.
Was macht Ihnen konkret Hoffnung?
Wie wir die letzten Spiele aufgetreten sind. Thomas hat nun Zeit, in Ruhe mit der Mannschaft zu arbeiten, Sachen so umzusetzen, wie er es sich vorstellt. Und Hoffnung macht mir, wie die Fans zu uns halten.
In dieser langen Pause steht die WM an. Schauen Sie sich die Spiele an?
Wenn man Fußballer ist und dazu noch Funktionär wie ich in meiner Rolle, dann kommt man nicht drumherum zu schauen, wer wie auftritt, auch wenn man weiß, dass die Vergabe nach Katar ein großer Fehler war. Ich sage: Wenn man die Vergabe wiederholen könnte, würde Katar nicht noch einmal den Zuschlag bekommen.
Vor 20 Jahren haben Sie mit der deutschen Nationalmannschaft im Endspiel gestanden. Wie weit kommen die Jungs jetzt?
2002 war es so, dass keiner daran geglaubt hat, dass wir ins Finale kommen, als wir hingeflogen sind. Alle dachten, dass wir nach der Hinrunde wieder zu Hause sind. Wenn du das dauernd hörst, glaubst du auch als Spieler irgendwann, dass du gar nicht so gut bist. Dann folgte aber ein Sieg auf den anderen, wir wurden ein Team und dachten: Wir können es wirklich schaffen. Auch wenn es abgedroschen klingt: Deutschland ist eine Turniermannschaft. Deshalb werde ich unsere Mannschaft nie abschreiben.