Bremen. Sechs Punkte nach 13 Spieltagen - Schalke ist Abstiegskandidat Nummer eins. Stets heißt es, S04 würde das Matchglück fehlen. Doch stimmt das?

Woran liegt es, dass Aufsteiger FC Schalke 04 so miserabel in die Bundesliga-Saison gestartet ist? Liegt es daran, dass der Mannschaft die Bundesliga-Tauglichkeit fehlt? Viele Schalke-Fans merken aktuell an, ihre Mannschaft könne sehr wohl mithalten, ihr würde nur das Matchglück fehlen. Sie sei gar nicht schlecht wie es in den Analysen stehe. Doch stimmt das? Ein Faktencheck.

Schalke 04 und die "Expected Goals"

Zu früh gefreut: Schalkes Alex Kral (l.) und Kenan Karaman jubeln über das vermeintliche 1:0 in Bremen. Doch Karaman stand im Abseits.
Zu früh gefreut: Schalkes Alex Kral (l.) und Kenan Karaman jubeln über das vermeintliche 1:0 in Bremen. Doch Karaman stand im Abseits. © firo

Und der beginnt mit einer spannenden Statistik. Solche gibt es viele im Profifußball, gemessen wird heutzutage fast alles. Die richtigen Daten für die Analyse der Tabellen heranzuziehen ist nicht so leicht - viele Experten begeistern sich aber vor allem für die "Expected Goals". Die dort errechnete Zahl ist die Weiterentwicklung der Torschuss-Statistik, da sie berechnet, von wo auf dem Feld der Abschluss erfolgte und wie wahrscheinlich ein Torerfolg gewesen wäre. Jeder Abschluss erhält einen Wert zwischen 0 und 1. Ein Blick auf die gegenwärtige Bundesliga-Tabelle offenbart sich Erstaunliches: Auf vielen Plätzen ist sie sehr präzise. Schalke aber steht auf Platz 16 und hat 13,4 Punkte geholt anstatt 6 - sechs Punkte nur schlechter als der Tabellensechste. Und Union Berlin, Überflieger der Saison, steht mit 16,1 Zählern nur knapp über S04.

Schalke mit reichlich Aluminiumtreffern

Was heißt das genau? In der Sprache der Statistiker "überperformt" Union Berlin gerade etwas - während Schalke "underperformt". Etwas einfacher formuliert: Union spielt sehr effizient, nutzt viele der sich bietenden Torchancen aus, trifft auch aus Situationen, die sonst nur selten zu Torerfolgen führen. Die Schalker lassen demnach zu viele Chancen aus - aber auch mit Matchglück hat die Bilanz zu tun.

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Für das fehlende Matchglück sprechen ebenfalls bereits sechs Alumiumtreffer - nur die Spitzenklubs Bayern München und RB Leipzig hatten mehr Pech. Im Spiel gegen die TSG Hoffenheim (0:3) traf Florent Mollet beim Stand von 0:1 den Pfosten - ein möglicher Ausgleich hätte dem Spiel die Wende geben können. Am Samstagabend beim 1:2 in Bremen köpfte Simon Terodde an den Pfosten, als es sogar noch 0:0 stand.

Schalkes Terodde: "Müssen auch mal in Führung gehen"

Dreimal erkannten der Video-Assistent Schalker Tore ab, einmal stellte der VAR einen S04-Profi mit der Roten Karte vom Platz. Nicht in allen Fällen war das nachvollziehbar. Vor allem gemeint ist das 1:3 in Köln am ersten Spieltag, das einen anderen Verlauf hätte nehmen können, wenn das vermeintliche Führungstor von Rodrigo Zalazar nicht wegen einer Abseitsposition aberkannt worden wäre. Ein Schalker Spieler soll Kölns Torwart die Sicht versperrt haben - eine umstrittene Ansicht. In Köln stand es noch 0:0, als Dominick Drexler Rot erhielt, eine umstrittene, falsche Entscheidung.

Bitter war, dass Schalkes Marius Bülter im Spiel bei Hertha BSC ein herrliches Volley-Tor zum 1:0 aberkannt wurde. In der Entstehung des Treffers stand ein Schalker ebenso nur wenige Zentimeter im Abseits wie beim vermeintlichen 1:0 in Bremen, das Alex Kral erzielt hatte. In Wolfsburg vergab Simon Terodde beim Stand von 0:0 zwei Elfmeter - auch hier war das 1:0 ganz nah. "Wir müssen auch mal in Führung gehen, dann wird es leichter", sagte Terodde in Bremen.

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Doch es waren nicht nur falsche VAR-Entscheidungen, wenige Zentimeter oder Pfosten-Pech, die eine bessere Schalke-Bilanz verhinderten. Gerade in den Spielen gegen die Mitkonkurrenten schafften es die Königsblauen trotz günstiger Voraussetzungen nicht, weitere Punkte zu holen - und wenn häufiger die Nerven versagen, hat das etwas mit fehlender Qualität zu tun.

Beim VfB Stuttgart beispielsweise spielte Schalke in der Schlussphase in Überzahl - 1:1 stand es da. Gleich drei riesengroße Chancen ließ Schalke ungenutzt, es war für die Königsblauen unbegreiflich, dass sie nicht als Sieger vom Platz gingen. Auch der damalige Stuttgarter Pellegrino Matarazzo suggerierte das.

In Überzahl spielte Schalke auch gegen den FC Augsburg. Aus einem schnellen 0:2-Rückstand machte Schalke durch Tore von Terodde und Tom Krauß ein 2:2 und alles sprach für einen Sieg. Doch mit einem Mann kassierte S04 noch das Tor zur 2:3-Niederlage.

Schalke-Trainer Reis liegt nicht so falsch

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S04 hätte einen Punkt ins Ziel retten müssen - genau wie bei Hertha BSC. Florent Mollet hatte in der 84. Minute mit einem Flachschuss zum 1:1 ausgeglichen, doch eine Minute vor Schluss waren die Schalker in der Abwehr unkonzentriert und mussten das Tor zum 1:2-Endstand hinnehmen. Die Trainer Enrico Maaßen (Augsburg) und Sandro Schwarz (Hertha) sprachen jeweils von glücklichen Siegen ihrer Mannschaft. Und auch in Bremen war mehr drin, Werder-Trainer Ole Werner sprach von einer "sehr starken Schalker Mannschaft".

Zahlen und Zitate wie diese zeigen, dass der Satz von Schalkes Trainer Thomas Reis nach der Bremen-Niederlage so falsch nicht war: "Wir haben gezeigt, dass wir fähig sind, in der Bundesliga zu spielen."

Und wie war das im direkten Duell zwischen Schalke 04 und Union Berlin? Das gewannen die effizienten Unioner mit 6:1. Das Ergebnis-Goals-Ergebnis lautete 1,87:1,08. Für Schalke.

Ergebnis des Faktenchecks: Einige Zahlen sprechen dafür, dass Schalke tatsächlich in einigen Szenen das Glück fehlte. Aber in einigen Spielen führte Unvermögen dazu, dass nun einige Punkte in der Bilanz fehlen.

Die Expected-Goals-Tabelle (vor den Sonntag-Spielen)

1. Bayern München 30,03 Punkte (statt 28)

2. RB Leipzig 24,2 Punkte (statt 22)

3. Borussia Dortmund 22,3 Punkte (statt 25)

4. SC Freiburg 21,04 Punkte (statt 24)

5. Eintracht Frankfurt 20,9 Punkte (statt 23)

6. Borussia Mönchengladbach 19,9 Punkte (statt 19)

7. TSG Hoffenheim 18,9 Punkte (statt 18)

8. Werder Bremen 18,8 Punkte (statt 21)

9. 1. FC Köln 17,8 Punkte (statt 17)

10. VfB Stuttgart 17,7 Punkte (statt 11)

11. Mainz 05 17,07 Punkte (statt 18)

12. Union Berlin 16,1 Punkte (statt 26)

13. Hertha BSC 14,7 Punkte (statt 11)

14. Bayer Leverkusen 14,6 Punkte (statt 9)

15. VfL Wolfsburg 14,5 Punkte (statt 17)

16. FC Schalke 04 13,4 Punkte (statt 6)

17. FC Augsburg 9,2 Punkte (statt 14)

18. VfL Bochum 8,01 Punkte (statt 7)