Dortmund/Gelsenkirchen. Der BVB und Schalke treffen sich am Samstag zum Derby. Einst waren die Klubs auf Augenhöhe, nun ist der BVB weit enteilt. Das sind die Gründe.
Jürgen Klopp ahnte nichts Gutes: „Fast alles spricht gegen uns“, sagte der damalige Trainer von Borussia Dortmund. Es war der 19. September 2010, es stand das Derby gegen Schalke 04 an – und es war ein Duell zweier ganz unterschiedlicher Ansätze: Auf der einen Seite die Schalker, die groß investiert hatten. Die Raúl und Klaas-Jan Huntelaar geholt hatten. Und auf der anderen die Dortmunder – mit einer jungen Mannschaft und einer Transferpolitik, in der Ausgaben die Einnahmen nicht überschreiten durften. Ein Duell mit klaren finanziellen Vorteilen für Schalke. Heute, knapp zwölf Jahre später, treffen sich BVB und S04 zum 159. Pflichtspielderby (15.30 Uhr/Sky). Und noch nie waren die Unterschiede zwischen beiden Klubs so groß.
In der Saison 2010/11, als der BVB unter Klopp erstmals Deutscher Meister wurde, lag der Umsatz der Schalker etwa 88 Millionen Euro höher. Aktuell beträgt der Unterschied 289 Millionen Euro – pro Dortmund. Im Marktwert der Mannschaft lagen die Teams 2011 gleichauf, nun hat der BVB einen Vorsprung von 421,6 Millionen Euro. Und die Dortmunder Personalkosten überschreiten die der Schalker um 127,4 Millionen Euro.
BVB gegen Schalke: 289 Millionen Euro pro Dortmund
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl hat die Entwicklung miterlebt, als Spieler und als Funktionär. Fragt man ihn nach den Gründen, hält er sich höflich zurück: „Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren grundsätzlich geändert“, sagt er. Doch woran liegt es? Zunächst an Personalentscheidungen. Im Jahr 2008, als sich der BVB von einer existenzbedrohenden Krise erholte, verpflichtete der Klub den Trainer Klopp. Und ergänzte dank hervorragenden Scoutings den Kader um Talente wie Neven Subotic (2008, Mainz 05/4,5 Millionen Euro), Mats Hummels (2009, FC Bayern/4,2 Millionen Euro), Robert Lewandowski (2010, Lech Posen/4,75 Millionen Euro) und Ilkay Gündogan (1. FC Nürnberg/5,5 Millionen Euro).
Schalke hatte mehr Geld – und gab noch mehr aus
Die Schalker hatten mehr Geld zur Verfügung – und gaben noch mehr aus als sie hatten. Sie wetteten auf eine erfolgreiche Zukunft. Der allmächtige Felix Magath holte Spielmacher José Manuel Jurado (Atlético Madrid) für elf Millionen Euro. Raúl kam zwar ablösefrei, kostete aber viel Geld. Das brachte Schalke 2011 den Pokalsieg, den erhofften Meistertitel aber holte der BVB sogar zweimal in Folge – 2011 und 2012. 2013 folgte der Einzug ins Finale der Champions League.
Und Dortmund war dank personeller Konstanz und mitreißendem Fußball genau dann oben dabei, als die Schere im europäischen Fußball so richtig auseinander ging, weil die Einnahmen aus der Champions League explodierten. Der BVB wirtschaftete klug, bei den Schalkern begann als Reaktion auf den immer größer werdenden Abstand zwischen beiden Klubs personelle Waghalsigkeiten. Trainer wurden im Jahresrhythmus gefeuert, es waren spektakuläre Fehlgriffe dabei – Roberto Di Matteo (Oktober 2014 bis Juni 2015) war sehr teuer, seine Arbeit aber nicht gut.
Schalke verpasste die Chance, die Lücke zu schließen
Einmal hätten die Schalker die Chance gehabt, die Lücke wieder zu schließen: In der Saison 2017/18 feierten sie unter Domenico Tedesco die Vizemeisterschaft, der Verkauf von Thilo Kehrer zu Paris St. Germain für 37 Millionen Euro spülte viel Geld in die Kasse.
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Doch im Erfolg machte Schalkes damaliger Sportvorstand Christian Heidel entscheidende Fehler. Er leistete sich zu viele teure Fehleinkäufe – Sebastian Rudy (FC Bayern), Suat Serdar (Mainz 05), Omar Mascarell (Real Madrid), Rabbi Matondo (Manchester City), Hamza Mendyl (OSC Lille) und Salif Sané (Hannover 96) kosteten zusammen 59 Millionen Euro. Alle erhielten langfristige Verträge, die Schalke nach dem Abstieg Kopfzerbrechen bereiteten. Das Dortmunder Scouting funktionierte viel besser: Nicht alle Transfers schlugen ein, aber Henrikh Mkhitaryan, Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembélé, Jadon Sancho und Christian Pulisic aus dem eigenen Nachwuchs brachten dreistellige Millionen-Einnahmen.
Schalke ist demütig
Als Schalke 2021 die vielen Fehler mit dem Abstieg bezahlte, war von Augenhöhe endgültig nichts mehr übrig. Und auch nach dem Aufstieg bleibt der Unterschied gewaltig. Alles andere als ein deutlicher Dortmunder Sieg wäre daher eine Überraschung. Und die Schalker reisen demütig zum großen Rivalen. Trainer Frank Kramer und Sportdirektor Rouven Schröder haben vergangene Zeiten nicht mitgemacht, sie kennen nur das „neue“ Schalke. „Wir versuchen, die Unterschiede, die es in wirtschaftlicher Hinsicht gibt, die man auch an der Zusammenstellung des Kaders sehen kann, in dem Spiel mit unseren Tugenden wettzumachen. Das reizt uns“, sagt Kramer. Und Schröder meint: „Der eine ist ein bisschen größer als der andere. Herausforderer zu sein, das finde ich gut.“
Damals, im September 2010, waren das ja noch die Dortmunder – und die Rolle ist ihnen gut bekommen. Sie gewannen 3:1.